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Theorie
Ein großer Teil der feministischen Kriminalitätstheorie ist in Folge der radikalen Kriminalitätstheorien entstanden. Die Feministische Kriminalitätstheorie geht der Frage nach, welchen Einfluss geschlechtsspezifische Unterschiede in Bezug auf Kriminalitätsphänomene haben. Vertreter dieses Ansatzes kritisieren, dass bei anderen Ansätzen und Kriminalitätstheorien eine Übertragbarkeit der postulierten Zusammenhänge – die zumeist auf dem Verhalten männlicher Täter/ Probanden basieren – auf Frauen einfach unterstellt wird.
Der feministisch-ätiologische Ansatz geht davon aus, dass die geringe Kriminalitätsbelastung von Frauen anhand des geschlechtsspezifischen Sozialisationshintergrunds erklärt werden kann. Der Frau bieten sich durch die von der Gesellschaft festgelegten Werte und Normen und ‚vorgesehenen‘ weiblichen Rollenbildes weniger Gelegenheit, kriminelle Handlungen zu tätigen.
Darüber hinaus bringen biologische und anthropologische Ansätze die Faktoren der körperlichen Schwäche und psychischen Passivität mit weiblicher Kriminalität in Verbindung.
Ungleichheiten der Behandlung von Frauen durch das Strafjustizsystem wurden sowohl von Konflikttheoretikern als auch von radikalen Theoretikern untersucht. Machen Gesetze Unterschiede oder ist das Geschlecht Hinweis dafür, wie ein Fall behandelt wird?
Die feministische Kriminologie sieht sich u.a. als Weiterentwicklung der kritischen Kriminologie und vertritt übereinstimmend die Ansicht, dass das Strafjustizsystem auf eine asymmetrische Machtbeziehung aufbaut (Mächtigen vs. Ohnmächtige; Frau vs. Mann). Dennoch gibt es bis dato keine allumfassenden Theorien, welche die geringere Zahl von straffälligen Frauen im Vergleich zu delinquenten Männern erklären.
Als bedeutende feministische Kriminologinnen lassen sich Gerlinda Smaus und Monika Frommel nennen die sich u.a. mit der kritischen Kriminologie, den Etikettierungsansätzen und den biologischen Faktoren bzgl. der Feminismus-Debatte beschäftigen.
Kritische Würdigung
Durch das Begründen von weiblicher Kriminalität durch biologische, psychische oder Sozialisationsfaktoren wird die „Schwäche der Frau“ als Ursache fokussiert. Die Zuschreibung des „schwachen Geschlechts“ hat in Zeiten der Emanzipation einen blockierenden Effekt und weist den Frauen eine untergeordnete Rolle zu.
Kriminalpolitische Implikation/Aktualitätsbezug
Der Blick auf eine feministische Kriminologie ist heute stark vertreten. Seit den 90er Jahren ist die Rolle der Frau wieder in den Mittelpunkt gerückt. Fernab der Frage, wieso Frauen weniger kriminell werden als Männer, ist vorrangig die Frau als Opfer von Kriminalität in das Betrachtungsfeld gerückt: Gewalt gegen Frauen, Gewaltschutzgesetze, Prostitution und Zwangsheirat sind Blickfelder, die von Strafrechtswissenschaftlern und Kriminologen zunehmend betrachtet werden.
Literatur und weiterführende Informationen
- Feest, J & Pali, B. (Hrsg.) (2020). Gerlinda Smaus: „Ich bin ich“. Beiträge zur feministischen Kriminologie. Wiesbaden: Springer.
- Gibbs, A. & Gilmour, F. E. (Hrsg.) (2022). Women, Crime and Justice in Context. Contemporary Perspectives in Feminist Criminology from Australia and New Zealand. New York, London: Routledge.