Mit den Corporate Crime Stories adressiert die Heidelberg Research Group for Organization Studies (heiGOS) der Universität Heidelberg eine Leerstelle in der Kriminologie. Wer sich mit kriminologischen Kriminalitätstheorien beschäftigt, wird schnell bemerken, dass beginnend mit Lombrosos Theorie des geborenen Verbrechers im ausgehenden 19. Jahrhundert, täterorientierte Erklärungen vorherrschend sind. Mit einer großen Kontinuität ziehen viele der populären Kriminalitätstheorien individuell gelagerte Defizite von v.a. „Problemgruppen“ zur Erklärung devianten Verhaltens heran. Hierbei steht vor allem das Verhalten der Gruppe der Jugendlichen und Heranwachsenden (oder in Variation auch Jugendliche mit Migrationshintergrund) im Mittelpunkt des Interesses.
Ein Blick in die Kriminalstatistik verrät, dass Tatverdächtige im Jugend- und Heranwachsendenalter tatsächlich proportional zu ihrem jeweiligen Anteil in der Wohnbevölkerung stärker kriminalitätsbelastet sind als die Gruppe der Erwachsenen. Allerdings weiß man auch, dass Jugendkriminalität ein ubiquitäres Phänomen ist, von dem über siebzig Prozent aller Jugendlichen betroffen sind. Die allermeisten Jugendlichen lassen sich jedoch – ungeachtet einer erhöhten Kontrollintensität – nicht erwischen und Ihre Delinquenz, die sich zudem überwiegend auf Bagatelldelikte erstreckt, „wächst heraus“. Mit dem Eintritt in das Heranwachsenden- spätestens jedoch Erwachsenenalter legen die meisten Jugendlichen ihre Delinquenz ab, ohne dass staatliche Interventionen erfolgt wären.
Aus kriminologischer Sicht ließe sich eine noch „dickere Lanze für die Jugend brechen“, stellte man in Rechnung, dass Erwachsene bei Verkehrsdelikten und politisch motivierter Kriminalität, die jeweils keinen Eingang in die polizeiliche Kriminalstatistik finden, deutlich überrepräsentiert sind.
Somit ließe sich argumentieren, die Kriminologie habe sich in den vergangenen gut einhundert Jahren der Erklärung von Kriminalitätsphänomenen gewidmet, die aufgrund ihrer Häufigkeit in den offiziellen Statistiken relevant sind, gesamtgesellschaftlich jedoch weniger Schaden verursachen als die Kriminalität der Erwachsenen. (Man sehe mir nach, dass ich an dieser Stelle zugunsten meiner Argumentation nicht näher auf rühmliche Ausnahmen von dieser Regele eingehe.)
Das Corporate-Crime-Stories-Blog wird vom Team des Forschungsbereichs Unternehmenskriminalität und „Organisationale Devianz-Studien“ am Max-Weber-Institut für Soziologie der Universität Heidelberg gepflegt. Mehrmals im Monat veröffentlichen die Devianz-Soziologen Beiträge, in denen eine soziologische Perspektive auf aktuelle Korruptions- und Manipulationsfälle geworfen wird. So erfahren die interessierten Leser beispielsweise, was die Avacado im heimischen Supermarkt mit der organisierten Kriminalität in Mexiko zu tun hat oder was es mit Korruptionsvorwüfen gegen deutsche Unternehmen in Russland auf sich hat und vieles anderes mehr.
Ebenfalls sehenswert sind die Beitrage auf dem assoziierten Youtube-Kanal der heiGOS.