Im Rahmen der Vortragsreihe IPK vor Ort werde ich am 6. März 2024 in der Zeit von 14:30 Uhr bis 15:30 Uhr Ergebnisse aus dem Forschungsprojekt Rap und Polizei: Die Darstellung der Polizei in deutschsprachiger Rapmusik präsentieren. Die Teilnahme an der Online-Veranstaltung (Zoom) ist kostenlos, eine vorherige Anmeldung über die E-Mail veranstaltungen@hspv.nrw.de jedoch erforderlich.
Abstract
Vertreter der Polizei monieren seit Jahren eine steigende Gewaltbereitschaft gegenüber Polizeibeamtinnen und -beamten. Der Bundesvorstand der Gewerkschaft der Polizei (GdP) schrieb zuletzt in einer Pressemitteilung von einer „Zunahme von Respektlosigkeiten, Diffamierungen sowie Angriffen und Gewaltattacken auf unsere Kolleginnen und Kollegen als Repräsentantinnen und Repräsentanten unseres demokratischen Staates“ (Gewerkschaft der Polizei (GdP) – Bundesvorstand, 2022). Der GdP-Landesvorsitzende in Hamburg Lars Osburg bezeichnete vor dem Jahreswechsel Gangsta-Rap als „Brandbeschleuniger“, da in den Liedtexten „Gewalt auch gegenüber Polizei heroisiert“ würde (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 2023).
Demgegenüber steht die wissenschaftliche Erkenntnis, dass die Behauptung eines Anstiegs der Gewalt gegen Polizeibeamte in dieser Form nicht haltbar sei (vgl. Görgen & Hunold, 2019) und in ihrem Kern stattdessen auf ein Gefühl von „Respektlosigkeit, Autoritätsverlust, Nichtachtung“ (Behr, 2013, S. 89) zurückzuführen ist (vgl. Gensing, 2020; Hunold, 2012; vom Hau, 2017; Weber, 2020).
Der Autoritätsverlust ist dabei einerseits Folge einer Entwicklung der Polizei zu einer Bürgerpolizei, die sich zunehmend der Zivilgesellschaft angenähert hat und hierbei gleichzeitig gegenüber einigen Bevölkerungsgruppen an Respekt eingebüßt hat (Behr, 2013). Andererseits wurde das Vertrauen vieler Bürgerinnen und Bürger durch Berichte über Korruption (Süddeutsche Zeitung, 2015), rechtsextremistische Polizeibeamte (Bundesamt für Verfassungsschutz, 2020; Parth, 2020), Racial Profiling und übermäßige Gewaltanwendung (Gensing, 2020; Abdul-Rahman et al., 2023) erschüttert.
Strukturelle Gewalt, Rassismus und Polizeigewalt sind Themen, die in der (US-amerikanischen) Rapmusik bereits seit den 1980er Jahren verhandelt werden. Bekanntere und kontroversere Beispiele wie „Fuck the Police“ von N.W.A. (1988), „Cop Killer“ von Bodycount (1992) oder „Sound of da Police“ von KRS One (2000) stellen dabei nur eine winzige Auswahl aus einem nur schwer überschaubaren Sujet dar. Insbesondere die wachsende Popularität des Gangsta-Rap hat seit den 1990er Jahren bis heute die thematische Beschäftigung mit der Polizei zu einem allgegenwärtigen Thema in Rap-Liedtexten werden lassen.
Dieses Phänomen lässt sich auch für deutschsprachige Rapmusik beobachten (vgl. Wickert, 2018). Die Beispiele reichen dabei vom bereits 1995 erschienenen Stück „Geh zur Polizei“ (vgl. Dams, 2012) des Heidelberger Produzenten und Rappers Boulevard Bou bis zur Thematisierung der Tötung von George Floyd durch einen US-amerikanischen Polizisten in dem Lied „I can’t breathe“ von Samy Deluxe (2020).
Für das hier vorliegende Forschungsprojekt sämtliche deutschsprachigen Rapliedern, die zwischen 2015 und 2022 in den offiziellen deutschen Charts verzeichnet waren, hinsichtlich der Darstellung der Polizei untersucht. Neben einer quantitativen Analyse, ob und in welchem Umfang die Polizei in Liedtexten thematisiert wird, fand eine inhaltsanalytische Untersuchung von Liedtexten statt. Nach dem theoretischen, methodologischen Verständnis der Cultural Criminology stehen das Reale und das Virtuelle, das Fiktionale und das Faktuale in einem immerwährenden, sich gegenseitig beeinflussenden Wechselspiel und Deutungsspirale – „the street scripts the screen and the screen scripts the street” (Ferrell et al., 2015, S. 151). Respekt und Autorität werden zu kollektive Symbolen, deren Bedeutung in Liedtexten verhandelt wird.
Näheres zum Projektdesign ist hier nachzulesen: Forschungsprojekt: Rap und Polizei – Teil 1: Forschungsplanung
In dem Vortrag sollen zentrale Forschungsergebnisse der quantitativen und qualitativen Auswertung präsentiert und mögliche Schlussfolgerungen und Konsequenzen für die Polizei diskutiert werden.
Quellen
- Behr, R. (2013). Polizei.Kultur.Gewalt. Die Bedeutung von Organisationskultur für den Gewaltdiskurs und die Menschenrechtsfrage in der Polizei. SIAK-Journal − Zeitschrift Für Polizeiwissenschaft Und Polizeiliche Praxis, 1, 81–93. https://doi.org/10.7396/2013_1_H
- Bundesamt für Verfassungsschutz. (2020). Lagebericht: Rechtsextremisten in Sicherheitsbehörden.
- Dams, C. (2012). Polizei, Protest und Pop. Staatliche Ordnungsmacht und gesellschaftliches Aufbegehren in der Popularmusik seit 1970. In S. Mecking & Y. Wasserloos (Hrsg.), Musik – Macht – Staat. Kulturelle,, soziale und politische Wandlungsprozesse in der Moderne (S. 303–318). V&R unipress.
- Ferrell, J., Hayward, K., & Young, J. (2015). Cultural criminology: an invitation. SAGE.
- Frankfurter Allgemeine Zeitung (2023, 27. Dezember). Gewerkschaft: Gangsta-Rap eine Ursache der Gewalt gegen Einsatzkräfte. https://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/kriminalitaet/gangsta-rap-laut-polizei-gewerkschaft-hamburg-mitursache-von-gewalt-19409510.html
- Gensing, P. (2020, 19. August). Debatte über Gewalt: Was darf die Polizei? Tagesschau.de. https://www.tagesschau.de/faktenfinder/polizeigewalt-125.html
- Gewerkschaft der Polizei (GdP) – Bundesvorstand. (2022, 8. Februar). Resolution: Gewalt gegen Polizeibeschäftigte darf nicht als Berufsrisiko kleingeredet werden – Gewerkschaft der Polizei. https://www.gdp.de/gdp/gdp.nsf/id/DE_Resolution-Gewalt-gegen-Polizeibeschaeftigte-darf-nicht-als-Berufsrisiko-kleingeredet-werden?open&ccm=000
- Görgen, T., & Hunold, D. (2019). Gewalt durch und gegen Polizistinnen und Polizisten . In: Dieter Kugelmann (Hrsg.). Polizei und Menschenrechte (S. 121–135). Bundeszentrale für politische Bildung.
- Hamm, M. S., & Ferrell, J. (1994). Rap, Cops, and Crime: Clarifying the “Cop Killer” Controversy. ACJS Today, 13(1).
- Hunold, D. (2012). Polizeiliche Zwangsanwendungen gegenüber Jugendlichen. Innen- und Außenperspektiven. In T. Ohlemacher & J.-T. Werner (Hrsg..). Empirische Polizeiforschung XIV: Polizei und Gewalt (S. 107–128). Verlag für Polizeiwissenschaften.
- Parth, C. (2020, 16. September). Rechtsextreme Chatgruppen: Nur ein weiterer Stich in eine Blase. Zeit Online. https://www.zeit.de/politik/deutschland/2020-09/rechtsextreme-chatgruppen-polizei-rassismus-problem-nrw
- Abdul-Rahman, L.; Espin Grau, H.; Klaus, L. & Singelnstein, T. (2023). Gewalt im Amt. Übermäßige polizeiliche Gewaltanwendung und ihre Aufarbeitung. Campus.
- Süddeutsche Zeitung. (2015, 9. Februar). Kempten: Sechseinhalb Jahre Haft für Ex-Drogenfahnder. Süddeutsche Zeitung. https://www.sueddeutsche.de/bayern/prozess-im-allgaeu-sechseinhalb-jahre-haft-fuer-ex-drogenfahnder-1.2342833
- vom Hau, S. (2017). Autorität reloaded. Eine Neukonzeption gegen Gewalteskalationen im Polizeidienst. Springer VS.
- Weber, M. (2020). Relevanz von Autorität und Respekt für polizeiliches Handeln. Wie entstehen polizeiliche Autorität und Respekt und wie können sie in polizeiliches Handeln integriert werden? SIAK-Journal – Zeitschrift Für Polizeiwissenschaft Und Polizeiliche Praxis, 4, 13–22. https://doi.org/10.7396/2020_4_B
- Wickert, C. (2018). “Ich hab’’ Polizei“ – Die Darstellung der Polizei in deutschsprachigen Rapliedern.” In A. Mensching & A. Jacobsen (Hrsg.), Empirische Polizeiforschung XXI: Polizei im Spannungsfeld von Autorität, Legitimität und Kompetenz (Band 24, S. 163–183). Verlag für Polizeiwissenschaft.