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Sie befinden sich hier: Home / Kriminalitätstheorien / Herrschafts- und gesellschaftskritische Kriminalitätstheorien

Herrschafts- und gesellschaftskritische Kriminalitätstheorien

3. Juni 2018 | zuletzt aktualisiert am 6. Juli 2024 von Christian Wickert

Herrschaftskritischen Theorien ist die Vorstellung gemein, dass sowohl KriminalitätKriminalität bezeichnet gesellschaftlich normierte Handlungen, die gegen das Strafgesetz verstoßen. wie auch gesellschaftliche Prozesse der KriminalisierungDer Prozess, durch den bestimmte Handlungen oder Verhaltensweisen durch gesetzliche Bestimmungen als kriminell definiert und strafrechtlich verfolgt werden. Ausdruck gesellschaftlicher Macht- und Herrschaftsverhältnissen bzw. auf eine Ungleichverteilung von Ressourcen zurückzuführen ist.

Ausgangspunkt der Überlegungen ist die Feststellung, dass kein „natürlicher“ gesellschaftlicher Konsens über grundlegende Werte und Ziele existiert. NormenVerhaltensregeln und Erwartungen, die innerhalb einer Gesellschaft oder sozialen Gruppe als verbindlich gelten. sind vielmehr Ausdruck der Herrschaft einer Klasse über die andere. Kriminalität ist demnach das Produkt von Konflikten zwischen verschieden mächtigen Gruppierungen der GesellschaftEine Gesellschaft ist ein strukturiertes Gefüge von Menschen, die innerhalb eines geografischen Raumes unter gemeinsamen politischen, sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen leben und durch institutionalisierte soziale Beziehungen miteinander verbunden sind.. Während das gesellschaftliche Machtgefälle den Einen Handlungsspielräume für eine „Kriminalität der Mächtigen“ verschafft, werden Andere (bzw. deren Handlungen) durch Zuschreibungsprozesse (Kriminalisierung) als deviant und kriminell etikettiert.

In Abgrenzung zu ätiologischen Erklärungsansätzen für Kriminalität sehen die herrschaftskritischen Theorien die Ursachen nicht bei den einzelnen Menschen und ihrem Verhalten, sondern als Konsequenz einer ungleichen Ressourcenverteilung.

Konflikttheorien entstanden im Zuge der Kritik, dass die KriminologieKriminologie ist die interdisziplinäre Wissenschaft vom VerbrechenEin Verbrechen ist eine besonders schwerwiegende Form rechtswidrigen Handelns, die im Strafrecht mit einer Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr oder mehr bedroht ist – zugleich ist es ein sozial und historisch wandelbares Konstrukt., seinen Ursachen, Erscheinungsformen, gesellschaftlichen Reaktionen und der sozialen Kontrolle von abweichendem Verhalten. zu stark auf die Frage fokussiert sei, warum Menschen Gesetze brechen, anstatt die Gründe zu hinterfragen, warum bestimmte Handlungen als illegal definiert sind.

Konflikttheorien betonen eine pluralistische Perspektive, d.h., Gesellschaft wird als ein Zusammenschluss heterogener Gruppen gedacht, die unterschiedlich stark ausgeprägte Macht ausüben.

Kriminalität ist Ausdruck gesellschaftlicher Ungleichheit. Diese Ungleichheit tritt in besonderem Maße im kapitalistischen Wirtschaftssystem zutage. Während es den Mächtigen zu vielfältigen kriminellen Möglichkeiten verhilft, stärken die Mächtigen ihre Position durch die Kriminalisierung der beherrschten Akteure. Ein spezifisches Machtgefälle besteht zwischen Mann und Frau in den patriarchalisch geprägten Gesellschaften. Dieses strukturell verankerte Machtgefälle muss bei der Erklärung von Kriminalität bzw. ViktimisierungDer Prozess der Opferwerdung durch eine Straftat oder ein anderes schädigendes Ereignis. Beachtung finden.

Austin Turk, William Chambliss und Richard Quinney waren die ersten Vertreter, die die konfliktorientierten Ansätze für die Kriminologie nutzbar gemacht haben.

Kontext

Bereits die 1938 von Merton publizierte Anomietheorie geht davon aus, Kriminalität sei die Folge des ungleichen gesellschaftlichen Zugangs zu Ressourcen. Jedoch rückt Merton die amerikanische Mittelschicht in den Mittelpunkt seiner theoretischen Überlegungen. Die Ziele und verfügbaren Ressourcen der (weißen) Mittelschicht werden zum Reflexionspunkt für abweichendes Verhalten – Kriminalität so zu einem vornehmlichen Problem der Unterschicht.
Es ist sicherlich kein Zufall, dass die hier abgebildeten herrschafts- und gesellschaftkritischen Theorien in den 1960-70 Jahre formuliert wurden bzw. eine große Popularität erlebten. In den USA aber auch in Europa traten zu dieser Zeit soziale Bewegungen in Erscheinungen, die vorherrschende Machtverhältnisse hinterfragten und gleiche Rechte für bislang marginalisierte gesellschaftliche Gruppen einforderten. Parallel zu diesen gesamtgesellschaftlichen Umbrüchen wandte sich die amerikanische Kriminologie von den Überlegungen zur Anomie- und Straintheorien, die die wissenschaftliche Debatte Jahrzehnte lang dominiert hatte ab. Kriminalität wurde erstmals als Folge sozialer Konflikte zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen und Akteuren aufgefasst.

Marxistische Kriminalitätstheorien begreifen kriminelle Handlungen als Ergebnis des ungleich verteilten Zugangs zu Kapital. Kriminalität ist hiernach sowohl Instrument der Macht- und Mittellosen gegen die Mächtigen als auch Instrument der Mächtigen zur Bewahrung ihrer Position.

Edwin M. Lemert beschreibt das Konzept der sekundären Devianz, wonach die Benennung der Abweichung einen Prozess in Gang setzt, in dessen Verlauf der Abweichler etikettiert und ein Teufelskreis in Gang gesetzt wird. Das gesellschaftliche Etikett „deviant“ wird in das Selbstbild des Abweichlers übernommen, der sein Verhalten zukünftig diesem Selbstbild anpasst.

Anknüpfend an diese Überlegungen beschreibt Howard S. Becker den Prozess der Kriminalisierung von Drogengebrauchern. Die gesellschaftlich mächtigen „Moralunternehmer“ kreieren ein gesellschaftliches Problem, das es ihnen erlaubt, „Außenseiter“ (Outsiders) zu benennen, die kontrolliert und sanktioniert werden müssen; währenddessen wird ihre eigene gesellschaftliche Position untermauert und gestärkt.

Die Labeling-Theorien erfahren eine weitere Ausformulierung und inhaltliche Zuspitzung. Der Radikale Labeling-Ansatz rückt die selektive gesellschaftliche Reaktion auf eine Tat in den Fokus: Kriminalität ist ausschließlich das Ergebnis eines Zuschreibungsprozesses.

Die Sozialkonstruktivistische Kriminalitätstheorie von Scheerer und Hess versucht schließlich, eine herrschaftskritische Kriminalitätstheorie in ein allgemeines soziologisches Handlungsmodell zu integrieren. Die makrosoziologische Betrachtung der Ursachen von Kriminalität (in Tradition der Labelingtheorien) werden mit mikrosoziologischen Handlungsmodellen verknüpft.

Barkan (2017, S. 166) fasst die unterschiedlichen herrschaftskritischen Perspektiven auf Kriminalität wie folgt zusammen (eigene Darstellung und Übersetzung):

TheorieHauptvertreterInnenKernaussage
Labelling
Edwin Lemert
Howard S. Becker
Devianz ist keine Eigenschaft der von einer Person begangenen Handlung; manche Menschen und Verhaltensweisen werden eher als abweichend eingestuft als andere; das Etikett "abweichend" kann zu fortgesetzter Devianz führen.
Konflikttheorien/ radikale Theorien
KonflikttheorienThorsten Sellin
George Vold
Austin T. Turk
Recht und Kriminalität sind das Ergebnis von Konflikten zwischen den verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen, nicht nur zwischen den ökonomischen Klassen.
radikale TheorienWillem Bonger
Jerome Hall
William Chambliss
Richard Quinney
Die Wohlhabenden nutzen das Rechtssystem, um ihre Vormachtstellung zu schützen und die Armen zu unterdrücken; das Strafrecht und das Justizsystem spiegeln die Interessen der Mächtigen wider.
feministische Theorien
Kathleen Daly
Meda Chesney-Lind
Sally S. Simpson
Kriminalität kann nicht vollständig verstanden und erklärt werden, ohne die wichtige Rolle zu würdigen, die das Geschlecht spielt. Feministische Theorien können und sollten genutzt werden, um die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern in den Bereichen Kriminalität und Strafjustiz sowie in der Gesellschaft insgesamt zu verringern.

Literatur

  • Barkan, S. E. (2017). Criminology: a sociological understanding (7. Aufl.). Boston: Pearson.

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Kategorie: Kriminalitätstheorien Tags: herrschaftskritische Kriminalitätstheorien

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Lektionen

  • Marxistische Kriminalitätstheorien
  • Feministische Kriminalitätstheorien
  • Power-Control-Theory
    John Hagan
  • Labelling-Ansatz (Überblick)
  • Primäre und sekundäre Devianz
    Edwin M. Lemert
  • Outsiders
    Howard S. Becker
  • Radikaler Labellingansatz
    Fritz Sack
  • Sozialkonstruktivistische Kriminalitätstheorie
    Henner Hess & Sebastian Scheerer

Quiz zu herrschafts- und gesellschaftskritischen Kriminalitätstheorien

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