Kurzdefinition
Actuarial Justice beschreibt einen präventiven Ansatz in der Kriminalpolitik, der auf statistischen Wahrscheinlichkeiten und Risikobewertungen beruht, um kriminelles Verhalten vorherzusagen und gezielte Kontrollmaßnahmen einzusetzen.
Ausführliche Erklärung
Der Begriff Actuarial Justice wurde von dem Soziologen Malcolm Feeley und dem Juristen Jonathan Simon in den 1990er-Jahren geprägt. Im Kern beschreibt das Konzept einen Wandel von der individuellen Schuld und dem strafrechtlichen Sühnegedanken hin zu einem präventiven Management von Risikogruppen. Dabei stehen nicht mehr die Aufklärung und Bestrafung individueller Straftaten im Fokus, sondern die Verwaltung und Minimierung sozialer Risiken durch Wahrscheinlichkeitsberechnungen.
Kernmerkmale von Actuarial Justice sind:
- Risikoprofiling: Kriminelle Risiken werden anhand statistischer Daten analysiert, um bestimmte Bevölkerungsgruppen als potenziell gefährlich zu identifizieren.
- Prävention statt Repression: Ziel ist es, Straftaten zu verhindern, bevor sie geschehen, indem bestimmte Gruppen intensiver überwacht oder bestimmte soziale Räume stärker kontrolliert werden.
- Technologiebasierte Überwachung: Der Einsatz moderner Technologien wie Predictive Policing und Data Mining unterstützt die Prognose kriminellen Verhaltens.
Ein typisches Beispiel für Actuarial Justice ist Predictive Policing, bei dem durch die Analyse von Vergangenheitsdaten prognostiziert wird, in welchen Gebieten und zu welchen Zeiten bestimmte Straftaten vermehrt auftreten.
Theoriebezug
- Präventionstheorien der Kriminologie
- Soziologische Risikotheorien (Ulrich Beck: Risikogesellschaft)
- Surveillance Studies (David Lyon)