Kurzdefinition
Ein kulturelles Normensystem, das Ehre und Ansehen als zentrale Werte begreift und deren Verteidigung mit Gewalt rechtfertigt.
Ausführliche Erklärung
Die „Kultur der Ehre“ beschreibt eine soziale Ordnung, in der das Ansehen einer Person – insbesondere von Männern – stark an deren Bereitschaft geknüpft ist, auf Beleidigungen oder Respektlosigkeit mit (körperlicher) Gewalt zu reagieren. Der Verlust von Ehre wird als gravierender sozialer Makel empfunden, sodass ihre Wiederherstellung durch aggressive Gegenreaktionen legitim erscheint. Solche Kulturen finden sich typischerweise in traditionellen, patriarchal geprägten Gesellschaften oder Milieus mit schwacher staatlicher Autorität. In der Migrationsforschung wird diskutiert, inwiefern Ehrenkonzepte in bestimmten migrantischen Milieus zur Erklärung von Gewalt beitragen können.
Theoriebezug
Die Kultur der Ehre steht im Zusammenhang mit kriminologischen und sozialpsychologischen Erklärungsansätzen zu Gewalt, insbesondere der Kulturkonflikttheorie (Sellin) sowie Theorien zur sozialen Desorganisation.