Kurzdefinition
Eine Gemeinschaft ist eine Form des sozialen Zusammenlebens, die sich durch enge persönliche Bindungen, emotionale Nähe und ein starkes Wir-Gefühl auszeichnet. Der Begriff wurde maßgeblich durch Ferdinand Tönnies geprägt, der ihn als Gegensatz zur Gesellschaft verstand.
Ausführliche Erklärung
Der Begriff Gemeinschaft geht auf den Soziologen Ferdinand Tönnies zurück, der in seinem Werk Gemeinschaft und Gesellschaft (1887) zwei grundlegende Formen sozialen Zusammenlebens unterscheidet:
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Gemeinschaft (emotional und traditionsgebunden)
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Gesellschaft (zweckrational und anonym)
Tönnies beschreibt die Gemeinschaft als eine enge, meist emotional geprägte soziale Bindung, die häufig auf Verwandtschaft, Freundschaft oder Nachbarschaft beruht. Die Beziehungen in einer Gemeinschaft sind durch Vertrauen, gegenseitige Unterstützung und ein starkes Zusammengehörigkeitsgefühl geprägt. Gemeinschaften finden sich typischerweise in folgenden sozialen Kontexten:
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Familie: Die primäre soziale Einheit, in der emotionale Bindungen und gegenseitige Verantwortung im Vordergrund stehen.
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Dorfgemeinschaften: Kleinere, überschaubare soziale Einheiten mit starker lokaler Verankerung.
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Subkulturen: Gruppen mit gemeinsamer Identität und gemeinsamen Werten, die sich oft bewusst von der Mehrheitsgesellschaft abgrenzen.
Merkmale der Gemeinschaft:
- Tradition und Beständigkeit: Gemeinschaften beruhen auf tradierten Werten und Normen, die über Generationen weitergegeben werden.
- Face-to-Face-Interaktionen: Soziale Beziehungen sind meist persönlich und direkt.
- Emotionale Verbundenheit: Das Zugehörigkeitsgefühl ist stark ausgeprägt.
- Kollektive Identität: Mitglieder der Gemeinschaft identifizieren sich stark mit der Gruppe.
Tönnies beschreibt die Gemeinschaft als ursprünglichste Form des Zusammenlebens, die in vormodernen Gesellschaften dominierte. Mit der Industrialisierung und der zunehmenden Mobilität der Menschen löst sich diese enge soziale Struktur zunehmend auf und wird durch die anonyme, rational organisierte Gesellschaft ersetzt.
Theoriebezug
- Ferdinand Tönnies: Gemeinschaft und Gesellschaft (1887)
- Emile Durkheim: Mechanische Solidarität (in traditionellen Gesellschaften)
- Symbolischer Interaktionismus: Interaktionen innerhalb von Gemeinschaften
- Soziale Kontrolle: Stärker durch informelle Normen und direkte Sanktionen