Kurzdefinition
Das Lüchow-Dannenberg-Syndrom beschreibt das Phänomen einer scheinbar steigenden Kriminalitätsrate, die jedoch primär auf eine erhöhte polizeiliche Kontrollintensität zurückzuführen ist und nicht zwingend auf eine tatsächliche Zunahme der Kriminalität hindeutet.
Ausführliche Erklärung
Der Begriff geht auf empirische Untersuchungen im Landkreis Lüchow-Dannenberg in den 1980er-Jahren zurück. In diesem Gebiet führte eine verstärkte Polizeipräsenz im Kontext der Proteste gegen das Atommülllager Gorleben zu einem erheblichen Anstieg der registrierten Straftaten. Der Anstieg war jedoch nicht auf eine tatsächliche Zunahme der Kriminalität zurückzuführen, sondern resultierte aus der erhöhten Kontroll- und Überwachungstätigkeit der Polizei. Die Beobachtung zeigt, dass die polizeiliche Erfassungsrate maßgeblich von der Kontrollintensität beeinflusst wird.
Dies lässt sich auf andere Kontexte übertragen: Eine verstärkte polizeiliche Präsenz in bestimmten Stadtvierteln oder sozialen Brennpunkten führt häufig zu einem Anstieg der gemeldeten Delikte, obwohl sich die tatsächliche Kriminalitätsrate nicht verändert hat.
Theoriebezug
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Labeling Approach: Erhöhte Kontrolle kann zu einer verstärkten Etikettierung als „kriminell“ führen.
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Dunkelfeldforschung: Durch verstärkte Kontrollen wird ein Teil des Dunkelfelds aufgehellt, ohne dass sich die tatsächliche Kriminalität erhöht hat.
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Kontrolldelikte: Besonders Delikte wie Drogenbesitz oder Verstöße gegen aufenthaltsrechtliche Bestimmungen werden bei verstärkten Polizeikontrollen häufiger entdeckt.