Alljährlich stellt die Drogenbeauftragte der Bundesregierung (dieser Job ist mit erstaunlicher Kontinuität stets Politikerinnen vorbehalten) den Drogen- und Suchtbericht der Bundesregierung vor. Drogen- und Suchtpolitik ist Parteipolitik und so spiegeln sich in dem jährlichen Bericht auch parteiideologische Färbungen wider. Seit nunmehr fünf Jahren veröffentlichen daher SuchtmedizinerInnen, WissenschaftlerInnen aus der Sucht- und Drogenforschung sowie ExpertInnen aus dem Behandlungs- und Hilfesystem den Alternativen Drogen- und Suchtbericht. Die Herausgeber kritisieren, dass es der Bundesregierung an einem drogenpolitischen Gesamtkonzept zur Regulierung legaler wie auch illegaler Drogen fehle (s.u. Pressemitteilung anlässlich der Veröffentlichung des Alternativen Drogen- und Suchtberichtes 2018).
Der Bericht wird herausgegeben vom akzept e.V. Bundesverband für akzeptierende Drogenarbeit und humane Drogenpolitik, der Deutschen AIDS-Hilfe und JES e.V. Bundesverband und ist hier kostenlos als PDF-Dokument oder als Printexemplar bei Pabst Science Publishers (978-3-95853-409-4) zu beziehen.
Pressemitteilung anlässlich der Veröffentlichung des 5. Alternativen Drogen- und Suchtberichtes 2018
Deutschland ist drogenpolitisches Entwicklungsland:
Rekordzahlen für Kriminalisierung, Schlusslicht bei der Prävention von Alkohol und TabakZum fünften Mal legen akzept e.V., Deutsche Aids-Hilfe und JES den Alternativen Drogen-und Suchtbericht vor.
Dieser ist nötig geworden, weil der Drogen- und Suchtbericht der Drogenbeauftragten der Bundesregierung keine Antworten auf drängende Fragen gibt, sondern aktuelle und drängende Themen zur Kontrolle legaler und illegaler Drogen ignoriert. Deshalb das Format eines Alternativberichtes, das Lösungsvorschläge macht, die bisher ausgeblendet wurden. Was läuft falsch bzw. was läuft überhaupt nicht?Das Kernproblem der aktuellen Drogenpolitik: Nicht Forschungsergebnisse und systematisierte Erfahrungen sind die Grundlage drogenpolitischer Entscheidungen, sondern parteipolitische Überlegungen und ideologische Glaubenssätze. Nicht Fachleute aus den Ministerien, die wiederum von Praxisvertreter_innen und Wissenschaftler_innen beraten werden, sondern eine politische Besetzung des Amtes der/des Drogenbeauftragten soll Deutschlands Drogenpolitik steuern.
Es gibt kein Gesamtkonzept für die Regulierung von legalen wie illegalen Drogen.
Selektiv greift die Drogenbeauftragte immer wieder Themen heraus, die sie medial vermarktet, statt eine umfassende Analyse der Risiken bestimmter Drogen und der Wirkungen bestimmter Kontrollpolitiken vorzunehmen. Ein Beispiel: die alljährliche Pressekonferenz mit dem BKA zu den Zahlen der Drogentoten. Kein Wort über das Drogenverbot als eigentliche Ursache vieler vermeidbarer Todesfälle und erst recht keines über die Sterblichkeit durch legale Drogen – geschätzte 74.000 alkoholbedingte, 110.000 tabakbedingte vorzeitige Sterbefälle pro Jahr werden beinahe tatenlos hingenommen.
PRESSEMITTEILUNG zur Veröffentlichung des 5. Alternativen Drogen- und Suchtbericht 2018
Inhalt
Vorwort
Heino Stöver, Bernd Werse & Gerrit Kamphausen
Wem gehört die Stadt? – Null Toleranz gegenüber der Drogenszene
Hubert Wimber & Bernd Werse
Rechtlos im Hilfesystem – Auswirkungen der sozialrechtlichen Ausschlussregelungen für Unionsbürger_innen im Kontext von niedrigschwelliger Drogenhilfe
Wibke Schumann, Jonny Schanz & Christian Richter
Qualifiziertes Drugchecking.
Wiedereinführung eines dringend benötigten Instruments der Schadensminimierung und Prävention
Tibor Harrach & Rüdiger Schmolke
Peerpartizipation in Drogenintervention, -forschung und -politik
Anke Stallwitz
Schwerpunkt Cannabis – Einleitung der Herausgeber
Das Wechselspiel der Cannabinoide: Plädoyer für ein Cannabis-Substanzmonitoring in Deutschland
Jakob Manthey, Heino Stöver & Hans-Günter Meyer-Thompson
„Grass, oder was?“ – Über die merkwürdige Idee, dass die Polizei Drogenprävention betreiben sollte
Bernd Werse
Ein Jahr Cannabis als Medizin-Gesetz – ein ambivalentes Zwischenfazit
Maximilian Plenert
Cannabis-Legalisierung in Kanada: „Bill C-45“ – Chancen und Probleme
Neil Boyd
Effekte und Nebeneffekte der Umsetzung der Regulierung von Marihuana in den USA: Stand Herbst 2016
Gundula Barsch
Die Zeit ist reif für kommunale Modellprojekte zur Cannabisabgabe
Georg Wurth
Cannabisregulierung und Jugendschutz
Michael Büge & Nina Pritszens
E-Zigaretten und Tabakwerbeverbot –Eckpunkte eines Kompromissvorschlags
Dietmar Jazbinsek & Heino Stöver
E-Zigaretten und ihr Einfluss auf den Konsum konventioneller Zigaretten Anmerkungen zu einer aktuellen Kohortenstudie mit Jugendlichen aus Deutschland
Dietmar Jazbinsek
Reduktion des Alkoholkonsums in Deutschland: Wirkungsvolle Maßnahmen zur Zielerreichung sind nicht in Sicht
Jakob Manthey
Neue psychoaktive Substanzen (NPS): eigentlich nichts Besonderes
Bernd Werse
„Die Kokainschwemme“:
Warum Polizeidaten keine Prävalenzdaten sind und Angebot sich nicht automatisch Nachfrage „schafft“
Bernd Werse
Steine auf dem Frankfurter Weg – Crack im Bahnhofsviertel in Frankfurt am Main
Gerrit Kamphausen
Das Bundteilhabegesetz (BTHG) aus Sicht der Praxis: Veränderungen – Anforderungen – Risiken
Anabela Dias de Oliveira
Arbeit, Beschäftigung und Qualifikation für Konsument_innen illegaler Drogen: Angebote und Finanzierung dringend gesucht
Max Hopperdietzel
Vom Spritzentausch zur qualifizierten Vergabe von Konsumutensilien
Dirk Schaeffer & Astrid Leicht
Infektionsrisiken bekämpfen – Harm Reduction jederzeit ermöglichen – Spritzenautomaten realisieren
Daniel Deimel, Brigitte Bersch & Heino Stöver
Was heißt hier schwer erreichbar?
Über die Notwendigkeit des Angebots von Beratung, Testung und Behandlung für Drogengebraucher_innen in niedrigschwelligen Einrichtungen
Dirk Schaeffer
Gute Behandlungsangebote in und bedarfsgerechte Überleitung nach der Haft – was kann, was muss gemacht werden?
Heino Stöver
Gewalt- und Suchtprävention in Fußballstadien: Soziale Arbeit in Fanprojekten stärken
Daniel Deimel, Marius Künzel, Philipp Lessel & Thorsten Köhler
Abwasseranalyse – die „große Zukunft“ in der Drogenforschung?
Luise Klaus
Herausforderungen auf dem Weg zu evidenzbasierter und partizipativer Suchtprävention an Schulen
Maximilian von Heyden & Henrik Jungaberle
Aufruf zu einer Weltweiten Lesung für eine neue Drogenpolitik am 24. November 2018
Heino Stöver