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Sie befinden sich hier: Home / Kriminologie / Betäubungsmittelkriminalität

Betäubungsmittelkriminalität

22. Dezember 2017 | zuletzt aktualisiert am 1. Juni 2025 von Christian Wickert

Betäubungsmittelkriminalität umfasst alle strafrechtlich relevanten Handlungen im Zusammenhang mit Substanzen, die im Betäubungsmittelgesetz (BtMG) geregelt sind. Dazu zählen Herstellung, Besitz, Handel, Einfuhr und weitere Delikte. Der Konsum an sich ist nicht strafbar, allerdings ist dieser in den meisten Fällen mit Besitz verbunden, welcher wiederum strafrechtlich verfolgt wird. In Deutschland gelten über 250 Substanzen als Betäubungsmittel, deren Herstellung, Handel und Besitz durch das BtMG reguliert sind. Weitere 22 Substanzen fallen unter das Grundstoffüberwachungsgesetz (GÜG).

§ 29 BtmG (Auszug)(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

  1. Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt, veräußert, abgibt, sonst in den Verkehr bringt, erwirbt oder sich in sonstiger Weise verschafft,
  2. eine ausgenommene Zubereitung (§ 2 Abs. 1 Nr. 3) ohne Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 herstellt,
  3. Betäubungsmittel besitzt, ohne zugleich im Besitz einer schriftlichen Erlaubnis für den Erwerb zu sein,

Inhaltsverzeichnis

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  • Begriffsbestimmung: Sucht, Abhängigkeit, Missbrauch
    • Entwicklung der Zahl der Drogentoten in Deutschland (2000-2023)
  • Substanzen
  • Verbreitung
  • Drogen und Kriminalität
  • Drogenkonsumräume: Rechtlicher Rahmen und kriminalpolitische Zielsetzung
    • Polizeiliche Praxis: Kein Anfangsverdacht beim Betreten
    • Kritik und politische Kontroversen
    • Weiterführende Informationen
  • Drogenverbote und Drogenlegalisierung
    • Internationale Perspektive: Das Beispiel Portugal
  • Quellen und weiterführende Informationen

Begriffsbestimmung: Sucht, Abhängigkeit, Missbrauch

Während man umgangssprachlich häufig von Sucht spricht (Drogensucht, Spielsucht usw.), spricht man im Behandlungssystem stattdessen von Abhängigkeit und Gebrauch. In der Fachwelt wird weiter unterschieden zwischen einem:

  1. unerlaubten Gebrauch – als ein von der Gesellschaft nicht tolerierter Gebrauch
  2. gefährlichen Gebrauch – als ein Gebrauch mit wahrscheinlich schädlichen Folgen für den Konsumenten
  3. dysfunktionalem Gebrauch – der vorliegt, wenn psychische oder soziale Anforderungen beeinträchtigt sind
  4. schädlichen Gebrauch – der bereits schädliche Folgen (Zellschäden, psychische Störung) hervorgerufen hat.

Ein schädlicher Gebrauch bzw. schädlicher Konsum kann weitergehend differenziert werden in eine leichte, mittlere oder schwere Abhängigkeit.

Abhängigkeiten lassen sich in substanzgebundene und substanzungebundene Abhängigkeiten unterscheiden.

Das ICD-10 unterscheidet zwischen folgenden Substanzen:
Alkohol, Opioiden, Cannabinoiden, Kokain, Stimulanzien, Halluzinogene, flüchtige Lösungsmittel (Schnüffelstoffe), Tabak, Schlaf- und Beruhigungsmittel sowie multiplem Substanzgebrauch und dem Konsum sonstiger psychotroper Substanzen.

Zu den substanzungebundenen Abhängigkeiten zählen u.a. pathologisches Spielen, Medienabhängigkeit, Arbeitszwang, Kaufzwang, Hypersexualität, exzessives Sporttreiben. Laut ICD-10 und DSM liegt hier eine Störung der Impulskontrolle vor (keine Abhängigkeit).

Kennzeichen eines Abhängigkeitssyndroms sind (ICD-10) 
[für eine Abhängigkeit müssen mindestens drei Kriterien innerhalb eines Jahres erfüllt sein]:

  • starker Wunsch oder eine Art Zwang, Substanzen zu konsumieren oder ein bestimmtes Verhalten auszuleben
  • verminderte Kontrollfähigkeit bezüglich des Beginns, der Beendigung und der Menge des Substanzkonsums bzw. der Verhaltensweise
  • körperliches Entzugssyndrom bei Beendigung oder Reduktion des Konsums
  • Toleranzbildung
  • fortschreitende Vernachlässigung anderer Vergnügen oder Interessen
  • anhaltender Konsum trotz Kenntnis eindeutig schädlicher Folgen

Entwicklung der Zahl der Drogentoten in Deutschland (2000-2023)

Die Zahl der Drogentoten in Deutschland ist nach einem deutlichen Rückgang Anfang der 2000er Jahre in den letzten Jahren wieder deutlich angestiegen (siehe Abbildung). Die Mehrzahl der drogenbedingten Todesfälle geht auf einen Konsum von Opiaten (insbesondere Heroin) oder einen Mischkonsum unter Beteiligung von Opiaten zurück.

Für die Polizei in Deutschland gilt ein Tod als Drogentod, wenn von einem kausalen Zusammenhang mit dem Konsum illegaler Drogen ausgegangen werden kann. Darunter fallen beabsichtigte oder unbeabsichtigte Überdosierungen, […] auch Todesfälle infolge von Langzeitschäden durch den illegalen Drogenkonsum, Suizide von polizeibekannten Drogenabhängigen oder tödliche Unfälle unter Drogeneinfluss.
(Albrecht & Groenemeyer, 2012, S. 464)

Zu der Definition von Drogentoten und der offiziellen Zählung ist einschränkend zu sagen, dass von einem großen Dunkelfeld ausgegangen werden muss. So werden Todesfälle infolge von Langzeitschäden oft nicht als solche erkannt – insbesondere dann nicht, wenn die Verstorbenen nicht als Drogenkonsumenten polizeilich registriert waren oder der letztbekannte Drogenkonsum lange Zeit zurückliegt.

Substanzen

Auf polizeilicher Ebene kommt den Substanzen Cannabis, Heroin, Kokain/ Crack, Amphetamin (Speed)/ Meth-Amphetamin, Ecstasy und den sog. Neuen Psychoaktiven Stoffen (NPS) besonderes Augenmerk zu. Andere Substanzen wie z.B. Halluzinogene (LSD, „Zauberpilze“) spielen aufgrund ihrer geringeren Verbreitung im polizeilichen Kontext eine untergeordnete Rolle.

verschiedene Drogen, v.l.n.r.: Cannabis, Ecstasy-Pillen, LSD auf Löschpapier, Kokain, Heroin, Amphetamin (CC BY-SA 4.0, Trawler23 auf Wikimedia Commons), Crystal Meth (GFDL, Radspunk auf Wikimedia Commons)

Eine gute Zusammenstellung wissenswerter Informationen zu den unterschiedlichen Substanzen findet sich auf dem Internetangebot drugcom, einem Projekt der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA):

  • Cannabis
  • Ecstasy
  • Halluzinogene
  • Kokain
  • Opiate
  • Speed
  • Crystal

Verbreitung

Über einer Viertel (28,2%) der Deutschen im Alter von 18-64 Jahren haben mindestens einmal im ihrem Leben illegale Drogen konsumiert. Die Lebenszeitprävelenz von Jugendlichen im Alter von 12 bis 17 Jahren beträgt 10,2 Prozent. Unter den illegalen Drogen nimmt Cannabis die bedeutendste Rolle ein. Über sechs Prozent der Erwachsenen und sieben Prozent der Jugendlichen geben an, innerhalb der letzten 12 Monate mindestens einmal Cannabis konsumiert zu haben (Pfeiffer-Gerschel et al. 2017, S. 3).

Drogen und Kriminalität

Das BtMG stellt die meisten Handlungen im Zusammenhang mit den hier aufgeführten Substanzen unter Strafe. Darüber hinaus bestehen aber noch weitere Zusammenhänge zwischen Betäubungsmitteln und Kriminalität. Als sog. Beschaffungskriminalität bezeichnet man Straftaten, die der Finanzierung von Suchtmitteln dienen. Während direkte Beschaffungskriminalität (treffender: „Verschaffungskriminalität“) Delikte umfasst, die unmittelbar Betäubungsmittel zum Gegenstand haben (z.B. Apothekeneinbrüche, Rezeptdiebstahl, Verkauf von Drogen) bezeichnet man Eigentumsdelikte, die der Finanzierung von Betäubungsmitteln dienen als indirekte Beschaffungskriminalität. Zu der letztgenannten Gruppe  zählt ferner auch die (illegale) Beschaffungsprostitution drogenabhängiger SexarbeiterInnen. Aufgrund der hohen Profiterwartungen sind der Drogenanbau bzw. Herstellung von Drogen, der Drogenhandel und Drogenschmuggel Betätigungsfelder organisierter Banden wie auch Einzeltäter.

Drogenendelikte sind Kontrolldelikte, d.h. die Zahl der polizeilich ermittelten Straftaten hängt von der Häufigkeit und Intensität eigeninitiierter, polizeilicher Kontrollen ab. Die Aufklärungsquote bei Betäubungsmittelverstößen liegt bei über 90 Prozent (im Vergleich zu ca. 56 Prozent bei anderen Kriminalitätsphänomenen) (vgl. Bundeskriminalamt 2016). Veränderungen im polizeilichen Hellfeld sind hier also u.U. auf ein verändertes Kontrollverhalten zurückzuführen und nicht zwangsläufig für eine Veränderung der objektiven Betäubungsmittelkriminalität ausschlaggebend. Gleiches gilt für die Menge polizeilich sichergestellter Drogen: auch diese Angaben lassen keinen unmittelbaren, verlässlichen Rückschluss auf sich verändernde Nachfrage/ Konsumgewohnheiten zu. Vielmehr ist auch hier die polizeiliche Kontrollintensität und einzelne spektakuläre Sicherstellungen großer Drogenmengen ursächlich.

Aus kriminologischer Sicht ist jedoch nicht nur der Aspekt der durch das Betäubungsmittelrecht definierten Formen der Kriminalität beachtenswert. Ebenso kann Kriminalität als Ursache für einen Drogenkonsum betrachtet werden. Der Umgang in kriminellen Milieus erleichtert den Zugang zu Drogen und geht hier u.U. auch mit befürwortenden Einstellungen hinsichtlich des Drogenkonsums einher.

Screenshot: Angebot auf dem Drogenmarktplatz „DeDope“

Neben traditionellen Drogenmärkten gewinnt in den letzten Jahren der Drogenversandhandel über sog. Kryptomärkte zunehmend an Bedeutung (für einen guten Überblick zum Thema siehe: Tzanetakis, 2017). Auf zahlreichen illegalen Marktplätzen im sog. Darkweb werden illegale Drogen angeboten. Kunden bezahlen diese in der Regel mit der Kryptowährung Bitcoin. Identität und Standort der Anbieter und Käufer werden durch den Einsatz dieser Techniken verschleiert und  sind für Strafverfolgungsbehörden kaum zu ermitteln. Der Drogenversand erfolgt über herkömmliche Post- und Paketzusteller, die ihrerseits unwissentlich zu Drogenkurieren werden.

Drogenkonsumräume: Rechtlicher Rahmen und kriminalpolitische Zielsetzung

Drogenkonsumräume – oft auch als „Drogenkonsumstätten“ oder „Fixerstuben“ bezeichnet – sind staatlich genehmigte Einrichtungen, in denen schwerstabhängige Menschen unter hygienischen und medizinisch betreuten Bedingungen illegal erworbene Drogen konsumieren können. Sie beruhen auf § 10a des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG), das den Bundesländern die Möglichkeit gibt, per Verordnung Rahmenbedingungen für den Betrieb solcher Einrichtungen festzulegen.

Ziele von Drogenkonsumräumen:

  • Gesundheitliche Stabilisierung durch risikominimierten Konsum (sauberes Material, Überwachung, Hilfe im Notfall)
  • Schadensminimierung durch Spritzentauschprogramme, die Vergabe von Naloxon (Opiat-Antagonist) bei Überdosierungen und Zugang zu ärztlicher Versorgung
  • Kontaktaufnahme und Beratung als Einstieg in Hilfe- und Ausstiegsprogramme
  • Ordnungspolitisches Ziel: Entlastung öffentlicher Räume von offenem Drogenkonsum und Drogenszenen

In vielen deutschen Städten – z. B. Frankfurt am Main, Hamburg, Berlin oder Köln – gelten Drogenkonsumräume als fester Bestandteil kommunaler Drogenpolitik. Sie bieten Konsumierenden sterile Einwegutensilien (z. B. Spritzen, Kanülen), leisten Aufklärung über Risiken, reagieren auf Überdosierungen mit Naloxon und vermitteln auf Wunsch an medizinische oder soziale Angebote.

Polizeiliche Praxis: Kein Anfangsverdacht beim Betreten

Ein zentrales Element erfolgreicher Drogenkonsumräume ist die Kooperation mit der Polizei. Um Konsumierende nicht abzuschrecken, sieht § 10a BtMG ausdrücklich vor, dass der bloße Aufenthalt in oder auf dem Weg zu einer Drogenkonsumstätte keinen Anfangsverdacht einer Straftat begründet. Polizeibeamt:innen sind daher nicht verpflichtet (und rechtlich auch nicht ermächtigt), Personen beim Betreten oder Verlassen eines Drogenkonsumraums zu kontrollieren oder wegen Besitzes geringer Mengen einzuschreiten – sofern kein anderweitiger Verdachtsmoment vorliegt.

Diese Regelung schafft eine vertrauensbildende Distanz zwischen Polizei und Nutzer:innen und sichert den niedrigschwelligen Zugang zu den Hilfsangeboten der Konsumräume. Gleichzeitig stärkt sie den präventiven Ansatz der Drogenpolitik und entlastet den öffentlichen Raum – etwa durch die Vermeidung von Fixplätzen in Parks, Hauseingängen oder Bahnhöfen.

Kritik und politische Kontroversen

Trotz zahlreicher Belege für die Wirksamkeit von Drogenkonsumräumen in der Schadensminimierung und öffentlichen Entlastung sind diese Einrichtungen politisch umstritten. Kritiker:innen sehen darin mitunter ein falsches Signal – etwa eine „staatlich legitimierte Drogenfreigabe“ – und befürchten eine Verharmlosung des Drogenkonsums. Insbesondere konservative politische Akteure lehnen die Einrichtung neuer Konsumräume häufig ab.

Die rechtliche Ausgestaltung ist zudem föderal geprägt: Während Städte wie Frankfurt, Berlin oder Hamburg seit Jahren auf Drogenkonsumräume setzen, gibt es in einigen Bundesländern – allen voran Bayern – bislang keine einzige genehmigte Einrichtung. Dies ist besonders bemerkenswert vor dem Hintergrund, dass Bayern regelmäßig zu den Bundesländern mit den höchsten Zahlen an drogenbedingten Todesfällen zählt (vgl. BKA Rauschgiftlage 2022). Expert:innen aus Medizin, Suchthilfe und Kriminologie sehen hierin ein Beispiel für ordnungspolitisch motivierte Restriktionen, die dem gesundheitspolitischen Nutzen entgegenstehen.

Insgesamt zeigt sich, dass Drogenkonsumräume ein exemplarisches Feld sozialer und politischer Aushandlung sind – zwischen repressiver Ordnungspolitik, akzeptierender Drogenarbeit und öffentlicher Debatte über moralische, rechtliche und gesundheitliche Verantwortung.

Weiterführende Informationen

Weiterführende Informationen zur Nutzung, Wirkung und rechtlichen Ausgestaltung von Drogenkonsumräumen finden sich u. a. in folgenden Veröffentlichungen:

  • Der Jahresbericht 2022 des Instituts für Suchtforschung (ISFF) dokumentiert detailliert die Nutzung von Drogenkonsumräumen in Frankfurt am Main – einschließlich Konsumvorgängen, medizinischer Notfälle und sozialer Begleitung.
  • Die Übersicht der Bundesregierung zu Drogenkonsumräumen (Stand 2020) bietet einen Ländervergleich und benennt rechtliche sowie praktische Rahmenbedingungen.
  • Das Informationsportal drogenkonsumraum.de liefert aktuelle Daten, rechtliche Hintergründe, Praxisberichte und internationale Vergleiche rund um Drogenkonsumräume.
  • Die Szenebefragung in Deutschland 2008 (Akzept e. V. / Wickert & Thane, 2009) bietet einen qualitativen Einblick in die Sichtweisen und Erfahrungen von Drogengebrauchenden zu Konsumorten, Risikoverhalten und Angeboten der akzeptierenden Drogenarbeit.
  • Der akzept e. V. – Bundesverband für akzeptierende Drogenarbeit stellt regelmäßig Positionspapiere, Praxisberichte und rechtliche Bewertungen zum Thema zur Verfügung.

Drogenverbote und Drogenlegalisierung

In allen Gesellschaften wurden und werden psychotrope/ psychoaktive Substanzen mit der Intention konsumiert, sich zu berauschen. Die Gründe für den Substanzkonsum sind vielfältig und reichen vom Wunsch nach dem Rauscherleben, einer Alltagsflucht, der körperlichen oder geistigen Leistungssteigerung (Sport- und das sog. „Gehirndoping“) oder der Durchführung kollektiver Rituale (Karneval, Volksfeste etc.). Zu den psychotropen Substanzen zählen neben illegalen Drogen auch Nikotin, Alkohol, aber auch Tee und Kaffee. Die Bewertung von Rauschmitteln unterliegt einem zeit- und kulturbedingten Wandel. Mache Substanzen, die einst verboten waren, sind heute legal und ihr Konsum weit verbreitet (z.B. Kaffee und Alkohol); andere Substanzen, die einst legal zu erwerben und zu gebrauchen waren, fallen heute unter das BtMG (z.B. Opiate). Das bedeutet, dass erst durch die (sich verändernde) gesellschaftliche Bewertung einzelner Substanzen Kriminalität konstituiert wird. Um diesen gesellschaftlichen/ kriminalpolitischen Wandel im Umgang mit Rauschmitteln auszudrücken, sprechen viele Sucht- und Drogenforscher von illegalisierten statt illegalen Drogen.

Drogenverbote bzw. die Legalisierung von Drogen berühren unterschiedliche Gesellschaftsfelder mit zum Teil gegensätzlichen Anforderungen und Ansprüchen. Zu denken ist hier z.B. an eine Einschätzung aus Sicht der Medizin/ des Verbraucherschutzes, der Rechtsprechung, der Ökonomie, der Verkehrs- und Arbeitssicherheit, des Jugendschutzes u.a. Während Mediziner auf die Suchtgefahren der Substanzen hinweisen, mahnen Kritiker der aktuellen Drogengesetzgebung z.B. an (vgl. Schildower Kreis o.J.), dass

  • der seit Jahrzehnten von vielen Staaten der Weltgemeinschaft geführte Kampf gegen die Drogen („War on Drugs“) als gescheitert gelten muss (nicht nur wurde das Ziel einer drogenfreien Welt verfehlt, sondern der Kampf hat die Kriminalisierung, Inhaftierung und Tötung hunderttausender Menschen zur Folge),
  • durch das Strafrecht eine unzulässige Einmischung in die Lebensführung von Menschen vorgenommen wird (vgl. Maxwill 2018),
  • die Drogenprohibition die Gesundheit der Konsumenten gefährdet, da weder eine kontrollierte Abgabe noch eine Reinheitskontrolle der Substanzen stattfindet,
  • Arbeitskräfte auf Seiten der Strafverfolgungsbehörden unnötig gebunden werden und Steuerausgaben unnötig getätigt werden,
  • Drogenfolgeerkrankungen (wie z.B. AIDS, Hepatitis C) durch riskantere Konsumformen gefördert werden,
  • Beschaffungskriminalität unmittelbare Folge des Drogenverbotes ist und somit alle Bürgerinnen und Bürger gefährdet,
  • dem Staat Steuereinnahmen einer kontrollierten Abgabe entgehen
  • und dass der durch illegale Drogen entstehende gesundheitliche Schaden in keinem Verhältnis zu den gesundheitlichen Problemen steht, die durch die legalen Drogen Alkohol und Tabak verursacht werden.

Internationale Perspektive: Das Beispiel Portugal

Ein häufig genanntes Positivbeispiel für eine alternative Drogenpolitik ist Portugal. Das Land hat im Jahr 2001 den Besitz und Konsum kleiner Mengen aller illegalen Drogen entkriminalisiert. Seither gelten Konsumierende dort nicht mehr als Straftäter:innen, sondern als Personen mit gesundheitlichem Unterstützungsbedarf.

Der Besitz geringer Mengen – definiert als der Durchschnittsbedarf für zehn Tage – wird nicht strafrechtlich verfolgt, sondern als Ordnungswidrigkeit behandelt. Statt Gerichtsverfahren drohen Beratungsgespräche bei sog. „Kommissionen zur Drogenabwehr“ (Comissões para a Dissuasão da Toxicodependência), die aus Jurist:innen, Sozialarbeiter:innen und Psycholog:innen bestehen. Zugleich investierte Portugal massiv in Prävention, Therapie, Substitution und Schadensminimierung.

Internationale Evaluierungen zeigen, dass diese Politik nicht zu einem Anstieg des Drogenkonsums geführt hat. Im Gegenteil: Infektionsraten, Drogentodesfälle und gerichtliche Verurteilungen im Zusammenhang mit Drogen sind deutlich zurückgegangen (vgl. EMCDDA, 2023; Hughes & Stevens, 2010; Laqueur, 2015; Transform Drug Policy Foundation, 2016). Die portugiesische Strategie gilt daher als gesundheitspolitisch erfolgreich und wird weltweit als Vorbild für eine nicht-repressive, evidenzbasierte Drogenpolitik diskutiert – auch wenn sie in Deutschland bislang kaum politische Umsetzung gefunden hat.

Ergebnisse der portugiesischen Entkriminalisierung:

  • Deutlicher Rückgang der HIV-Neuinfektionen unter i.v.-Drogenkonsumierenden
  • Reduktion der drogenbedingten Todesfälle um ca. 75 % zwischen 2001 und 2012
  • Entlastung des Justizsystems durch Wegfall tausender Strafverfahren
  • Stärkung der Suchthilfe und gesundheitlichen Versorgung

Quellen und weiterführende Informationen

  • Albrecht, G., & Groenemeyer, A. (2012). Handbuch soziale Probleme (2., überarbeitete Auflage). VS Verlag für Sozialwissenschaften.
  • Alternativer Drogen- und Suchtbericht http://alternativer-drogenbericht.de/
  • Barop, H. (2023). Der große Rausch. Warum Drogen kriminalisiert werden. Eine globale Geschichte vom 19. Jahrhundert bis heute. Siedler Verlag.
  • Bundeskriminalamt (2017) Rauschgiftkriminalität 2016. Bundeslagebild. Wiesbaden: BKA. Online verfügbar unter: https://www.bka.de/SharedDocs/Downloads/DE/Publikationen/JahresberichteUndLagebilder/Rauschgiftkriminalitaet/2016RauschgiftBundeslagebildZ.pdf?__blob=publicationFile&v=6
  • Deutsche Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (DBDD) – Jahresberichte: https://www.dbdd.de/publikationen/jahresbericht-situation-illegaler-drogen-in-deutschland.html
  • Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) – Jahrbuch Sucht (in jeweils der aktuellen Ausgabe)
  • Drogen- und Suchtbericht der Bundesregierung https://www.drogenbeauftragte.de/
  • drugcom.de – Angebot der BzgA, das sich an Jugendliche richtet mit guter Übersicht über Substanzen, Wirkungsweise, Szenenamen etc.
  • Hoch, E.; Friemel, C. M. & Schneider, M. (2019). Cannabis. Potenzial und Risiko – Eine wissenschaftliche Bestandsaufnahme. Springer. Online verfügbar unter: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/5_Publikationen/Drogen_und_Sucht/Berichte/Hoch_et_al_Cannabis_Potential_u_Risiko_SS.pdf
  • Maxwill, P. (2018, 05.02.) Interview mit Prof. Dr. Scheerer: Debatte über Cannabisverbot „Unser Strafrecht muss dringend entrümpelt werden“. Spiegel Online. Online verfügbar unter: http://www.spiegel.de/panorama/justiz/cannabis-legalisierung-was-dafuer-spricht-a-1191487.html
  • Pfeiffer-Gerschel, T., Dammer, E., Piontek, D., Schulte, L., Friedrich, M., & Bartsch, G. (2017). Kurzbericht Situation illegaler Drogen in Deutschland. Basierend auf dem REITOX-Bericht 2017 an die EBDD (Datenjahr 2016/2017). München: Deutsche Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht DBDD.
  • Schildower Kreis (o.J.) Resolution deutscher Strafrechtsprofessorinnen und –professoren an die Abgeordneten des Deutschen Bundestages
  • Tzanetakis, M. (2017). Drogenhandel im Darknet. Gesellschaftliche Auswirkungen von Kryptomärkten. In: Aus Politik und Zeitgeschichte (APuZ 46-47/2017). Darknet. Online verfügbar unter: http://www.bpb.de/apuz/259133/darknet
  • Transform Drug Policy Foundation. (2016). Drug Decriminalisation in Portugal: Setting the Record Straight. Online verfügbar unter: https://www.tdpf.org.uk/blog/drug-decriminalisation-portugal-setting-record-straight
  • Hughes, C. E., & Stevens, A. (2010). What can we learn from the Portuguese decriminalization of illicit drugs? British Journal of Criminology, 50(6), 999–1022. DOI: 10.1093/bjc/azq038
  • Laqueur, H. (2015). Uses and Abuses of Drug Decriminalization in Portugal. Law & Social Inquiry, 40(3), 746–781. DOI: 10.1111/lsi.12104
  • EMCDDA – European Monitoring Centre for Drugs and Drug Addiction. (2023). Portugal Country Drug Report 2023. Online verfügbar unter: https://www.emcdda.europa.eu/countries/drug-reports/2023/portugal_en

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Kategorie: Kriminologie Tags: Abhängigkeit, akzeptierende Drogenarbeit, Beschaffungskriminalität, Betäubungsmittel, Betäubungsmittelkriminalität, BtMG, Darknet, Drogen, Drogenkonsumraum, Drogenkriminalität, Drogenpolitik, Drogensucht, Drogentote, Drug Policy Reform, EMCDDA, Entkriminalisierung, Gesundheitsversorgung, HIV, Kriminalstatistik, Polizei, Portugal, Prävention, Repression, Schadensminimierung, Substanzgebrauch, Sucht

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