2 x 3 macht 4
Widdewiddewitt
und Drei macht Neune!
Wir machen uns die Welt
Widdewidde wie sie uns gefällt
Pippi Langstrumpf
Das Bundeskriminalamt veröffentlicht seit 2016 eine jährliche Sonderauswertung zur Partnerschaftsgewalt auf Basis der Polizeilichen Kriminalstatistik (alle hier zitierten Berichte sind auf der Seite des BKA verfügbar).
Die zentrale Statistik für das Berichtsjahr 2015 – abgedruckt auf der ersten inhaltlichen Berichtsseite – zeigt die Entwicklung der Opferzahl partnerschaftlicher Gewalt zwischen 2012 und 2015. Die Zahl der Opfer ist in diesem Zeitraum moderat gestiegen, was in der graphischen Darstellung zum Ausdruck kommt. Auf eine Skala auf der y-Achse verzichten die Autoren.
Die Abbildung nimmt grob geschätzt ein Sechstel des Platzes auf der DIN-A4-Seite im Bericht ein.
Quelle: BKA (2016) Partnerschaftsgewalt – Kriminalstatistische Auswertung – Berichtsjahr 2015. S. 4. Online verfügbar unter https://www.bka.de/SharedDocs/Downloads/DE/Publikationen/JahresberichteUndLagebilder/Partnerschaftsgewalt/Partnerschaftsgewalt_2015.html
Ganz anders fällt hingegen die Darstellung der entsprechenden statistischen Auswertung ein Jahr später aus. Für das Berichtsjahr 2016 wählen die Autoren des Berichts eine neue Skalierung, die den Anstieg der Opferzahlen stärker betont. Eine Skala sucht man auf der y-Achse nach wie vor vergeblich. Die Grafik nimmt im Gegensatz Vorjahr jetzt aber deutlich mehr Platz ein und füllt nahezu die Hälfte der Berichtsseite aus.
Quelle: BKA (2017) Partnerschaftsgewalt – Kriminalstatistische Auswertung – Berichtsjahr 2016. S. 5. Online verfügbar unter https://www.bka.de/SharedDocs/Downloads/DE/Publikationen/JahresberichteUndLagebilder/Partnerschaftsgewalt/Partnerschaftsgewalt_2016.html
Diese Darstellung ist natürlich nicht falsch im wissenschaftlichen Sinne. Durch den Vergleich der Darstellung aus dem Vorjahr offenbart sich jedoch die suggestive Kraft, die aus dieser graphischen Aufbereitung der Daten spricht. Offensichtlich soll der Anstieg der Opferzahlen partnerschaftlicher Gewalt betont werden. Das gewählte Balkendiagramm eignet sich hier deutlich besser für eine Skandalisierung als die Aussage, dass 133.080 Opfer partnerschaftlicher Gewalt einen Anstieg um 4,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr bedeuten.
Für das Berichtsjahr 2017 standen die Autoren des BKA offensichtlich einem neuen Problem gegenüber. Die Dramatisierung funktioniert nämlich nur so lange, wie die Zahlen von Jahr zu Jahr – wenigstens in homöopathischen Dosen – steigen. Jede noch so kleine Steigerung lässt sich entsprechend skalieren. Die Opferzahlen sind allerdings im Jahr 2017 gesunken. Da hilft keine Skalierung, das sieht einfach nur nach einem Rückgang aus.
Aber die Lösung lag auf der Hand: Im Jahr 2017 wurden weitere Delikte in die Auswertung einbezogen, zu denen Opfer gezählt wurden. Diese hat man auf die Säule für das Jahr 2017 gesetzt und schon sieht das Ganze wieder eher nach einem deutlichen Anstieg aus. Bei genauer Betrachtung erkennt man, dass die hellblaue Säule „von Hand“ auf das dunkelblaue Balkendiagramm aufgesetzt wurde und zudem falsch skaliert wurde. Die hellblaue Säule ist bei wohlwollender Schätzung ein Fünftel so hoch wie die dunkelblaue Säule. Fünfmal 6.898 ergäbe 34.490 – nicht jedoch die ausgewiesenen 131.995.
Insofern kann hier von einer bewussten Manipulation bei der Daten-Visualisierung gesprochen werden, die über einen bloßen Versuch einer Skandalisierung mittels veränderter Skalierung hinausgeht.
Quelle: BKA (2018) Partnerschaftsgewalt – Kriminalstatistische Auswertung – Berichtsjahr 2017. S. 4. Online verfügbar unter https://www.bka.de/SharedDocs/Downloads/DE/Publikationen/JahresberichteUndLagebilder/Partnerschaftsgewalt/Partnerschaftsgewalt_2017.html
[Update vom 26.11.2019]
Am gestrigen internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen veröffentlichte das BKA den Bericht zur Partnerschaftsgewalt für das Berichtsjahr 2018 und schreibt damit die Zeitreihe zur Entwicklung der Opferzahl partnerschaftlicher Gewalt fort.
Die zentrale Grafik des Berichts zeigt deutlich, dass die Skalierung im Vergleich zu den Darstellungen der beiden Vorjahre verändert wurde. Zudem erscheint der Anteil der ausgewiesenen Fälle von Nötigung, Freiheitsberaubung, Zuhälterei und Zwangsprostitution im Gegensatz zur Darstellung im Bericht des Vorjahres proportional skaliert.
Quelle: BKA (2019) Partnerschaftsgewalt – Kriminalstatistische Auswertung – Berichtsjahr 2018. S. 4. Online verfügbar unter https://www.bka.de/SharedDocs/Downloads/DE/Publikationen/JahresberichteUndLagebilder/Partnerschaftsgewalt/Partnerschaftsgewalt_2018.html?nn=63476
Es ist erfreulich, dass die Autoren sich für eine, einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit einem gesellschaftlich relevanten Thema, würdige Darstellungsform entschieden haben. Die künstlichen Skandalisierungsversuche der Vorjahre weichen damit einer sachlichen Darstellung in Bild und Text:
Gegenüber 2017 ist die Anzahl der Opfer partnerschaftlicher Gewaltdelikte angestiegen (2017: 138.893; +1,3%), was einerseits die in den Vorjahren festgestellte Entwicklung bestätigt und andererseits die zunehmende Bedeutung des Gesamtphänomens verdeutlicht.
von Prof. Dr. Stefan Kersting und Prof. Dr. Christian Wickert