Kurzdefinition
Ein Kulturkonflikt bezeichnet den Zusammenprall unterschiedlicher Normen- und Wertesysteme zwischen sozialen Gruppen, der zu Missverständnissen, Ablehnung oder Devianz führen kann.
Ausführliche Erklärung
Ein Kulturkonflikt entsteht, wenn unterschiedliche kulturelle Orientierungen oder Normensysteme aufeinandertreffen – sei es zwischen ethnischen Gruppen, Generationen, Religionen, sozialen Milieus oder Subkulturen. Der Begriff spielt sowohl in der Soziologie als auch in der Kriminologie eine wichtige Rolle.
Kulturkonflikte können auf unterschiedlichen Ebenen auftreten:
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Individuell: z. B. wenn eine Person zwischen den Wertesystemen von Herkunftsfamilie und Mehrheitsgesellschaft steht
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Gruppenspezifisch: z. B. bei Subkulturen, deren interne Regeln im Widerspruch zur gesellschaftlichen Norm stehen
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Strukturell: z. B. bei Migration, Integration oder bei der Durchsetzung westlicher Normen in nicht-westlichen Kontexten
Im kriminologischen Kontext ist der Begriff besonders mit der Kulturkonflikttheorie von Thorsten Sellin (1938) verbunden. Sellin unterscheidet zwei Formen:
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Primärer Kulturkonflikt: zwischen zwei vollständigen Kulturen mit unterschiedlichen Normen (z. B. bei Migration)
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Sekundärer Kulturkonflikt: innerhalb einer Gesellschaft zwischen Subgruppen mit unterschiedlichen Normen (z. B. Jugendbanden, Gefängnissubkulturen)
Kulturkonflikte können zur Kriminalisierung führen, wenn Personen nach den Normen ihrer Herkunftsgruppe handeln, diese Handlungen jedoch von der Mehrheitsgesellschaft als abweichend oder strafbar bewertet werden. In der Integrationsdebatte, in der Polizeipraxis und im interkulturellen Strafrecht spielen solche Konflikte bis heute eine Rolle.