Kurzdefinition
Verhalten, das von gesellschaftlichen Normen abweicht und als regelverletzend wahrgenommen wird – unabhängig von seiner strafrechtlichen Relevanz.
Ausführliche Erklärung
Devianz bezeichnet in der Soziologie und Kriminologie alle Verhaltensweisen, die von gesellschaftlichen oder kulturellen Normen abweichen. Dabei ist nicht entscheidend, ob diese Abweichung strafbar ist – vielmehr geht es um die soziale Reaktion auf Normverletzungen. Devianz umfasst daher ein breites Spektrum: von modischen Eigenheiten und religiösen Sonderwegen bis hin zu Kriminalität oder politischen Protestformen.
Devianz ist ein relativer Begriff: Was in einer Gesellschaft als deviant gilt, kann in einer anderen als normal empfunden werden. Ebenso ist Devianz zeitlich wandelbar – etwa bei Drogenkonsum oder Homosexualität.
Entscheidend ist, wer Normabweichung definiert und sanktioniert: häufig geschieht dies durch Institutionen wie Polizei, Gerichte, Schule oder Medien.
Theoriebezug
Im Zentrum steht der sogenannte Labeling Approach (auch: Etikettierungsansatz), besonders geprägt durch Howard S. Becker: Nicht das Verhalten an sich ist deviant, sondern dessen gesellschaftliche Etikettierung. Devianz entsteht durch das Machtverhältnis zwischen Normsetzern und Normverletzern. Auch Émile Durkheim betrachtete Devianz als normales und funktionales Phänomen: Sie zeige, wo die moralischen Grenzen einer Gesellschaft verlaufen, und ermögliche sozialen Wandel.