Sanktionierungstheorien sind Weiterentwicklungen aus den Labeling-Theorien. Sanktionierungstheorien gehen, im Gegensatz zu Labeling- oder Deterrence-Theorien davon aus, dass StrafeStrafe ist eine soziale Reaktion auf normabweichendes Verhalten, bei der ein als negativ bewertetes Übel zugefügt wird – entweder informell durch soziale Gruppen oder formal durch staatliche Institutionen. in unterschiedlichen Kontexten verschiedene Wirkungen haben kann.
Ausgehend von dieser Grundüberlegung untersuchen sie die genaue Wirkungsweise von Strafe. Das besondere Interesse liegt darin, zu erkennen welche Faktoren die Effektivität von Strafe bestimmen. Mit anderen Worten geht es darum festzustellen, warum in manchen Fällen eine Strafe abschreckend wirkt und in anderen nicht. Dies tun sie, in dem sie den Prozess des Bestrafens untersuchen und Variablen identifizieren, welche die Reaktion des Täters auf seine Strafe beeinflussen. Sanktionierungstheorien sind also keine Kriminaliätstheorien an sich, sie erklären also nicht das Entstehen von primärer DevianzVerhalten, das in einer Gesellschaft als unangemessen, abweichend oder regelverletzend gilt – unabhängig davon, ob es strafrechtlich relevant ist..
Kontext
Sanktionierungstheorien untersuchen die Wirkung von Strafe. Als Weiterentwicklung der Etikettierungsansätze liegt ihr Hauptaugenmerk auf der re-integierenden Funktion von Strafen.
Kriminologische Theorie ist immer politisch. Jede Theorie, die erklärt wir kriminelles Verhalten zustande kommt, impliziert ein bestimmtes Vorgehen für die KriminalpolitikStrategien und Maßnahmen staatlicher Institutionen zur Aufrechterhaltung sozialer Ordnung und zur Reaktion auf regelwidriges Verhalten. um Verbrechen zu verhindern. Traditionell lassen sich zwei voneinander getrennte Positionen ausmachen. Auf der einen Seite stehen Rational Choice Ansätze. Diese legen nahe, dass sich Verbrechen am besten durch AbschreckungAbschreckung ist ein kriminalpolitisches Konzept, das darauf abzielt, potenzielle Straftäter durch die Androhung von Strafe davon abzuhalten, kriminelle Handlungen zu begehen. bekämpfen lässt. Auch viele, vor allem konservative, Politiker fordern gerne Straferhöhungen und härteres Durchgreifen der Polizei, um soziale Probleme unter Kontrolle zu bekommen.
Interaktionistische Theorien sowie Konflikttheorien sehen Strafrecht und Strafverfolgung vor allem als politisches Instrument. Labeling-Theorien besagen, dass durch die Strafe kriminelles Verhalten überhaupt erst produziert wird. In ihren radikaleren Formen gehen sie oft fast so weit, dem individuellen delinquenten Akt und vor allem dem individuellem Täter die Relevanz ganz abzusprechen. Für die sind Strafen kein geeignetes Mittel, um KriminalitätKriminalität bezeichnet gesellschaftlich normierte Handlungen, die gegen das Strafgesetz verstoßen. zu bekämpfen. Ganz im Gegenteil sehen sie Strafe als stigmatisierendes Mittel, welches zu sekundärer Devianz und damit zu einer Verschlimmerung des Problems führt.
Sanktionierungstheorien versuchen einen Mittelweg zwischen diesen beiden Annahmen zu finden. Sie sind stark an Bewegungen der „Restorative JusticeRestorative Justice (wiedergutmachende Gerechtigkeit) ist ein Ansatz im Strafrecht, der darauf abzielt, die durch eine Straftat entstandenen Schäden durch Dialog und Wiedergutmachung zwischen Täter, Opfer und Gemeinschaft zu beheben.“ gebunden. Ihre beiden Haupttheoretiker sind John Braithwaite (Reintegrative Shaming) und Lawrence W. Sherman (Defiance Theory), wobei sich Sherman ausdrücklich auf Braithwaite Bezug nimmt und dessen Theorie weiterentwickelt.