Der demographische Wandel beschreibt eine langfristige Veränderung der Bevölkerungsstruktur einer Gesellschaft. Es bezieht sich auf Verschiebungen in der Altersstruktur, der Geburtenrate und der Lebenserwartung einer Bevölkerung. Im Allgemeinen beinhaltet der demographische Wandel eine zunehmende Alterung der Bevölkerung, eine Abnahme der Geburtenrate und eine höhere Lebenserwartung.
Die Hauptursachen für den demographischen Wandel sind:
- Niedrige Geburtenrate: In vielen entwickelten Ländern haben sich die Geburtenraten im Laufe der Zeit verringert. Die Gründe dafür sind vielfältig und können ökonomische, soziale und kulturelle Faktoren umfassen.
- Erhöhte Lebenserwartung: Fortschritte in der medizinischen Versorgung, verbesserte Hygienebedingungen und ein insgesamt gesünderer Lebensstil führen dazu, dass die Menschen länger leben.
- Sinkende Sterberate: Fortschritte in der Medizin und der Gesundheitsversorgung haben dazu geführt, dass Krankheiten besser behandelt und verhindert werden können, was zu einer Verringerung der Sterberate beiträgt.
Der demographische Wandel in Deutschland
Der demographische Wandel und seine Folgen zeigen sich auch für die deutsche Gesellschaft. Der Vergleich des Altersaufbaus der deutschen Gesellschaft zeigt, dass seit 1990 die Geburtenrate abgenommen und gleichzeitig die Lebenserwartung gestiegen ist. Dies wird insbesondere mit Blick auf die männliche Bevölkerung deutlich. Ebenso deutlich wird, dass die größte Altersgruppe, der zwischen 1955 und 1970 Geborenen – die sog. Babyboom-Generation – heute im letzten Drittel bzw. am Ende ihres Erwerbslebens stehen und in den nächsten zwei Jahrzehnten aus dem Erwerbsalter aussteigen. 1990 gab es in Deutschland 8 Millionen Menschen über 70 Jahre, heute sind es 13 Millionen (vgl. Statistisches Bundesamt, o. J.). In der Folge fehlen zum einen Arbeitskräfte, die die frei werdenden Stellen nachbesetzen können, zum anderem gibt es eine zunehmende Zahl an Rentnern bei einer sinkenden Zahl von Beitragszahlern, die in die Rentenkasse einzahlen.
Welche Auswirkungen hat der demographische Wandel?
Die Auswirkungen des demographischen Wandels können weitreichend sein und haben Konsequenzen für verschiedene Bereiche einer Gesellschaft:
- Wirtschaft: Eine alternde Bevölkerung kann die Arbeitskräfte verknappen und die Sozialausgaben erhöhen, da mehr Menschen in den Ruhestand gehen und Sozialleistungen beanspruchen.
- Gesundheitsversorgung: Eine ältere Bevölkerung kann eine erhöhte Nachfrage nach medizinischer Versorgung und Pflegeeinrichtungen bedeuten.
- Rentensysteme: Ein niedrigeres Verhältnis von Erwerbstätigen zu Rentnern kann das Rentensystem belasten.
- Familie und Gesellschaft: Mit weniger jungen Menschen kann sich das Familiengefüge und die Art und Weise, wie Menschen ihr Leben gestalten, verändern.
- Politik: Der demographische Wandel kann politische Prioritäten verändern, da die Bedürfnisse und Interessen unterschiedlicher Altersgruppen berücksichtigt werden müssen.
Um die Herausforderungen des demographischen Wandels zu bewältigen, müssen Gesellschaften Anpassungen vornehmen, um sicherzustellen, dass sie den Bedürfnissen ihrer Bevölkerung gerecht werden. Dazu gehören Maßnahmen zur Förderung der Geburtenrate, zur Sicherung der Rentensysteme, zur Schaffung geeigneter Pflege- und Gesundheitseinrichtungen für ältere Menschen sowie zur Förderung einer aktiven Beteiligung älterer Menschen am Arbeitsmarkt und in der Gesellschaft insgesamt.
Bevölkerungswachstum im globalen Kontext
Der demographische Wandel hängt insbesondere mit der Geburtenrate zusammen. Hier gilt eine Geburtenrate von 2,1 als stabiles Niveau für eine Bevölkerung. Während in Deutschland und vielen anderen entwickelten Ländern die Geburtenrate unterhalb dieses Niveaus liegt, weisen andere Länder eine deutlich höhere Geburtenrate auf. Insbesondere in Ländern in Subsahara-Afrika liegt diese teilweise über 6. In diesen Ländern führt die große Zahl junger Menschen zu einer großen Belastung für das Bildungswesen und den Arbeitsmarkt.
Mit Blick auf die jüngere Geschichte höher entwickelter Länder zeigt sich, dass vor allem Gesundheit, Bildung, Jobs und Frauenrechte mit einem Rückgang der Geburtenrate korrelieren (vgl. Mündlein et al., 2023)
Welche Relevanz hat der demographische Wandel für die Polizei?
Der demographische Wandel kann auch erhebliche Auswirkungen auf die Polizei und ihre Arbeitsweise haben. Diese betreffen zum einen die Organisation der Polizei und ihrer Mitarbeitenden selbst, aber auch strukturelle Veränderung der Kriminalität einschließlich der Demographie von Tätern und Opfern.
- Personalrekrutierung und -ausbildung: Mit einer alternden Bevölkerung und einer abnehmenden Zahl junger Menschen kann es für die Polizei schwieriger werden, qualifizierte Bewerber zu rekrutieren. Die Polizei konkurriert auf dem Arbeitsmarkt zunehmend mit anderen Arbeitgebern um geeignete Arbeitnehmer. In diesem Zusammenhang spricht man auch von einem „war for talents“. Um die Attraktivität der Polizei als Arbeitgeber zu steigern, muss die Polizei möglicherweise ihre Rekrutierungsstrategien überdenken und stärker auf Wünsche und Bedürfnisse junger Menschen eingehen, um langfristig als attraktiver Arbeitgeber zu erscheinen. Bereits heute gibt es zahlreiche Kampagnen, die genau dies versuchen (vgl. z.B. https://www.genau-mein-fall.de/). In diesem Zusammenhang ist auch auffällig, dass die Anforderungen an Bewerberinnen und Bewerber in den vergangenen Jahren stetig gesenkt wurden (in NRW wurden so z.B. die Mindestgrößenregelung aufgeweicht und eine sog. Joker-Regelung eingeführt, die die Möglichkeit eines zusätzlichen Versuches bei ursprünglich nicht bestandenen Klausuren vorsehen).
- Veränderung des Aufgabenspektrums: Eine ältere Bevölkerung kann zu einer Verschiebung der polizeilichen Aufgaben führen. Zum Beispiel könnten Fragen im Zusammenhang mit Kriminalität gegen ältere Menschen, Betrug oder häusliche Gewalt im Alter an Bedeutung gewinnen. Die Polizei muss ihre Strategien und Ressourcen entsprechend anpassen, um diesen spezifischen Herausforderungen gerecht zu werden. In diesem Zusammenhang spricht man auch von „Straftaten zum Nachteil älterer Menschen“ (z.B. Enkeltrick-Betrug, Schockanrufe usw.).
- Soziale Konflikte: Der demographische Wandel kann zu sozialen Spannungen führen, insbesondere wenn es um Ressourcenverteilung und die Bewältigung der Bedürfnisse verschiedener Altersgruppen geht. Die Polizei muss in der Lage sein, mit möglichen Konflikten zwischen verschiedenen Generationen umzugehen und deeskalierend zu intervenieren.
- Sicherheit im Alter: Ältere Menschen könnten ein erhöhtes Sicherheitsbedürfnis haben, insbesondere in Bezug auf Kriminalität und Betrug. Die Polizei muss sich darauf einstellen, angemessene Maßnahmen zu ergreifen, um die Sicherheit älterer Menschen zu gewährleisten und vor möglichen Gefahren zu schützen. Aus der Kriminalitätsfurcht-Forschung weiß man, dass ältere Menschen (neben Frauen im Allgemeinen) eine besonders große Kriminalitätsfurcht entwickeln (siehe ausführlich hier).
- Personalmanagement: Mit einer alternden Belegschaft innerhalb der Polizei kann es notwendig sein, besondere Maßnahmen für die Gesundheitsfürsorge und das Wohlbefinden älterer Polizeibeamter zu ergreifen. Flexiblere Arbeitsmodelle und Möglichkeiten zur Umschulung könnten erforderlich sein, um ältere Mitarbeiter länger im Dienst zu halten.
Literatur und weiterführende Informationen
- Bundeszentrale für politische Bildung (2017, 20. Juli). Dossier: Demographischer Wandel. https://www.bpb.de/themen/soziale-lage/demografischer-wandel/
- Kemme, S. & M. Hanslmaier (2014). Folgerungen des demografischen Wandels für die Arbeit der Polizei und Justiz. Polizei und Wissenschaft 2/2014. S. 13-29.
- Lange, H.-J.; Model, T. & Wendekamm, M. (2018). Zukunft der Polizei. Trends und Strategien. Springer VS.
- Mündlein, C.; Petter, J. & Stotz, P. (2023, 23. August). Überbevölkerung. Acht Milliarden – Sind wir bald zu viele Menschen auf der Erde? Spiegel. https://www.spiegel.de/ausland/ueberbevoelkerung-acht-milliarden-sind-wir-bald-zu-viele-menschen-auf-der-erde-a-3f20c7bc-3d60-4440-9f52-eb338db207f5?sara_ref=re-xx-cp-sh)
- Statistisches Bundesamt (o. J.). Mitten im demografischen Wandel. https://www.destatis.de/DE/Themen/Querschnitt/Demografischer-Wandel/demografie-mitten-im-wandel.html