Begriffsklärung
Gängige Begriffe im Zusammenhang mit Formen abweichenden sexuellen Verhaltens und ihren strafrechtlichen Konsequenzen sind Sexualdelinquenz oder auch sexuelle Devianz, Perversion und Paraphilien.
Der Begriff der Devianz oder Delinquenz verweist hier, wie auch in anderen Kontexten, auf ein statistisch, moralisch oder anderweitig von der Mehrheit abweichendes Verhalten, das jedoch keine strafrechtliche Relevanz haben muss. Beispielsweise ist Transvestismus, also das Tragen von Kleidung eines anderen Geschlechts als Ausdruck der eigenen Geschlechtsidentität, in unserer Gesellschaft unüblich (von sehr spezifischen Ausnahmen abgesehen, z.B. Travestie -Theater; Verkleidung im Karneval etc.), jedoch nicht verboten.
Der heute nicht mehr gebräuchliche klinische Begriff der Perversion, bezeichnet ähnlich wie der zuvor genannte Begriff eine Abweichung des Geschlechtstriebes von der Norm. Eine „perverse Neigung“, wie z.B. das Ausleben eines Fetisches, hat in der Regele ebenfalls keine strafrechtliche Bedeutung.
In den Klassifikationssystemen ICD-10 und dem DSM-IV ist der Begriff der Perversion nicht mehr aufgeführt. Stattdessen wird dort von „sexuellen Funktionsstörungen“, „Störungen der Geschlechtsidentität“ oder „Paraphilien“ gesprochen.
Im StGB bilden fünf verschiedene Delikte und Deliktsgruppen das Sexualstrafrecht ab (Paragrafen 174 bis 184f):
- Straftaten, die auf sexuellem Missbrauch beruhen,
- sexuelle Nötigung bzw. Vergewaltigung,
- Straftaten im Zusammenhang mit Pornographie,
- Prostitution
- weitere allgemeine Straftaten
Entwicklungen im Sexualstrafrecht
Zahlreiche Gesetzesnormen, die dem Sexualstrafrecht direkt oder indirekt zuzuordnen sind wurden in den letzten Jahrzehnten liberalisiert oder auch verschärft. Zu nennen sind hier die Reform des § 218 StGB, der die Bedingungen, unter denen ein Schwangerschaftsabbruch vorgenommen werden darf, regelt. Von besonderer kriminologischer Relevanz ist hier § 218a Abs. 3 (Schwangerschaftsabbruch nach einer Vergewaltigung).
Der § 175 StGB stellte von 1872 (Inkrafttreten des Reichsgesetzbuches) bis 1994 homosexuelle Handlungen zwischen Männern (Frauen waren hier ausgenommen) unter Strafe. Männliche Homosexualität war der Sodomie, die ebenfalls in diesem Paragraphen geregelt war, gleichgestellt. So heißt es im § 175 Reichsgesetzbuch:
Die widernatürliche Unzucht, welche zwischen Personen männlichen Geschlechts oder von Menschen mit Thieren begangen wird, ist mit Gefängniß zu bestrafen; auch kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden.
1969 wurde § 175 StGB zunächst entschärft (Anpassung des Schutzalters) und 1994 aufgehoben. 2017 trat das Gesetz zur strafrechtlichen Rehabilitierung der nach dem 8. Mai 1945 wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen verurteilten Personen (StrRehaHomG) in Kraft, das eine finanzielle Entschädigung der nach § 175 StGB Verurteilten vorsieht.
Sexualdelikte im Hellfeld polizeilicher Statistiken
In der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) 2017 wird der Anteil der Sexualdelikte an allen registrierten Straftaten mit einem Prozent ausgewiesen (siehe Abbildung).
Trotz dieses geringen Anteils an der polizeilich registrierten Gesamtkriminalität wird den Sexualstraftaten eine große Relevanz zugewiesen. Zum einen ist bei den hier zugrunde liegenden Delikten eine schwerwiegenden (psychischen) Schädigung der Opfer anzunehmen und zum anderen muss von einem Dunkelfeld von erheblichen Umfang ausgegangen werden.
Sexueller Missbrauch von Kindern
Kinderpornographie
(Cyber-)Grooming
Definition
Cyber-Grooming ist die gezielte Anbahnung sexueller Kontakte mit Minderjährigen über das Internet. Die Täter geben sich in Chats oder Online-Communitys gegenüber Kindern oder Jugendlichen als gleichaltrig aus, um so zunächst das Vertrauen der arglosen Minderjährigen zu gewinnen und im weiteren Verlauf zu manipulieren. Sie verfolgen damit meistens das Ziel, sich auch in der „realen“ Welt mit den minderjährigen Opfern zu treffen und sie zu missbrauchen. Oft können die Täter die Minderjährigen vorher dazu überreden, ihnen freizügige Selbstporträts zuzusenden. Diese werden dann in erpresserischer Weise als Druckmittel gegen die Minderjährigen eingesetzt, um sie zu weiteren Handlungen zu bewegen.
Polizei NRW
Video zur EUROPOL-Kampagne zum Phänomen Cyber-Grooming
Literatur und weiterführende Informationen
- BKA (2018) Polizeiliche Kriminalstatistik 2017.
- Faber, M. & Bley, R. (2020). Sexualdelikte im Wandel der Zeit. Schriftenreihe der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung, Polizei und Rechtspflege des Landes M-V (Band 10). Güstrow: Fachhochschule für öffentliche Verwaltung, Polizei und Rechtspflege des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Online verfügbar unter: http://www.fh-guestrow.de/doks/hochschule/Publikationen/Schriftenreihe/Band_10_2020.pdf
- Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen (Hrsg.) (2022). Forschungsprojekt „Sexuelle Gewalt gegen Frauen“. Polizeiliche Bearbeitung von Sexualdelikten (Teil I): Grundlagen des Teilprojektes und Ergebnisse der qualitativen Interviews Düsseldorf. https://polizei.nrw/sites/default/files/2023-01/projekt_sexuelle_gewalt_polizeiliche_sachbearbeitung_i.pdf
- Landeskriminalamt Nordrhein-Westfalen (Hrsg.) (2023). Forschungsprojekt „Sexuelle Gewalt gegen Frauen“. Polizeiliche Bearbeitung von Sexualdelikten (Teil II): Ergebnisse der Aktenanalyse und Synopse. Düsseldorf. https://lka.polizei.nrw/sites/default/files/2023-10/projekt_sexuelle_gewalt_polizeiliche_sachbearbeitung_teil2.pdf
- MiKADO Studie – Dokumentation des Forschungsprojektes Missbrauch von Kindern | Aetiologie | Dunkelfeld | Opfer
- Polizei NRW – Cybergrooming
- Röhm, Claudia (2022). ‚Die‘ Sexualstraftäter: polydelinquent oder deliktsperseverant? Tätertypologien auf Grundlage polizeilicher (Vor-)Erkenntnisse. München: Bayerisches Landeskriminalamt. Online verfügbar unter: https://www.polizei.bayern.de/mam/kriminalitaet/220504_blka_sexualstraftaeter.pdf