Als Betäubungsmittelkriminalität zählen Verstoße gegen das Betäubungsmittelgesetz (BtMG). Hierzu zählen die Herstellung, der Besitz, der Handel und zahlreiche Handlungen mehr (siehe Kasten). Lediglich der Gebrauch ist nicht strafbewehrt; dieser ist jedoch durch den i.d.R. vorausgegangenen Besitz als legale Handlung ausgeschlossen. Als Betäubungsmittel gelten rund 250 Substanzen und ihre Salze sowie daraus hergestellte Zubereitungen laut Betäubungsmittelgesetz (BtMG) und 22 Substanzen die dem Grundstoffüberwachungsgesetz (GÜG) unterstellt sind.
§ 29 BtmG (Auszug)
(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer
- Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt, veräußert, abgibt, sonst in den Verkehr bringt, erwirbt oder sich in sonstiger Weise verschafft,
- eine ausgenommene Zubereitung (§ 2 Abs. 1 Nr. 3) ohne Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 herstellt,
- Betäubungsmittel besitzt, ohne zugleich im Besitz einer schriftlichen Erlaubnis für den Erwerb zu sein,
Begriffsbestimmung: Sucht, Abhängigkeit, Missbrauch
Während man umgangssprachlich häufig von Sucht spricht (Drogensucht, Spielsucht usw.), spricht man im Behandlungssystem stattdessen von Abhängigkeit und Gebrauch. In der Fachwelt wird weiter unterschieden zwischen einem:
- unerlaubten Gebrauch – als ein von der Gesellschaft nicht tolerierter Gebrauch
- gefährlichen Gebrauch – als ein Gebrauch mit wahrscheinlich schädlichen Folgen für den Konsumenten
- dysfunktionalem Gebrauch – der vorliegt, wenn psychische oder soziale Anforderungen beeinträchtigt sind
- schädlichen Gebrauch – der bereits schädliche Folgen (Zellschäden, psychische Störung) hervorgerufen hat.
Ein schädlicher Gebrauch bzw. schädlicher Konsum kann weitergehend differenziert werden in eine leichte, mittlere oder schwere Abhängigkeit.
Abhängigkeiten lassen sich in substanzgebundene und substanzungebundene Abhängigkeiten unterscheiden.
Das ICD-10 unterscheidet zwischen folgenden Substanzen:
Alkohol, Opioiden, Cannabinoiden, Kokain, Stimulanzien, Halluzinogene, flüchtige Lösungsmittel (Schnüffelstoffe), Tabak, Schlaf- und Beruhigungsmittel sowie multiplem Substanzgebrauch und dem Konsum sonstiger psychotroper Substanzen.
Zu den substanzungebundenen Abhängigkeiten zählen u.a. pathologisches Spielen, Medienabhängigkeit, Arbeitszwang, Kaufzwang, Hypersexualität, exzessives Sporttreiben. Laut ICD-10 und DSM liegt hier eine Störung der Impulskontrolle vor (keine Abhängigkeit).
Kennzeichen eines Abhängigkeitssyndroms sind (ICD-10) [für eine Abhängigkeit müssen mindestens drei Kriterien innerhalb eines Jahres erfüllt sein]:
- starker Wunsch oder eine Art Zwang, Substanzen zu konsumieren oder ein bestimmtes Verhalten auszuleben
- verminderte Kontrollfähigkeit bezüglich des Beginns, der Beendigung und der Menge des Substanzkonsums bzw. der Verhaltensweise
- körperliches Entzugssyndrom bei Beendigung oder Reduktion des Konsums
- Toleranzbildung
- fortschreitende Vernachlässigung anderer Vergnügen oder Interessen
- anhaltender Konsum trotz Kenntnis eindeutig schädlicher Folgen
Entwicklung der Zahl der Drogentoten in Deutschland (2000-2022)
Die Zahl der Drogentoten in Deutschland ist nach einem deutlichen Rückgang Anfang der 2000er Jahre in den letzten Jahren wieder deutlich angestiegen (siehe Abbildung). Die Mehrzahl der drogenbedingten Todesfälle geht auf einen Konsum von Opiaten (insbesondere Heroin) oder einen Mischkonsum unter Beteiligung von Opiaten zurück.
Für die Polizei in Deutschland gilt ein Tod als Drogentod, wenn von einem kausalen Zusammenhang mit dem Konsum illegaler Drogen ausgegangen werden kann. Darunter fallen beabsichtigte oder unbeabsichtigte Überdosierungen, […] auch Todesfälle infolge von Langzeitschäden durch den illegalen Drogenkonsum, Suizide von polizeibekannten Drogenabhängigen oder tödliche Unfälle unter Drogeneinfluss.
(Albrecht & Groenemeyer, 2012, S. 464)
Zu der Definition von Drogentoten und der offiziellen Zählung ist einschränkend zu sagen, dass von einem großen Dunkelfeld ausgegangen werden muss. So werden Todesfälle infolge von Langzeitschäden oft nicht als solche erkannt – insbesondere dann nicht, wenn die Verstorbenen nicht als Drogenkonsumenten polizeilich registriert waren oder der letztbekannte Drogenkonsum lange Zeit zurückliegt.
Substanzen
Auf polizeilicher Ebene kommt den Substanzen Cannabis, Heroin, Kokain/ Crack, Amphetamin (Speed)/ Meth-Amphetamin, Ecstasy und den sog. Neuen Psychoaktiven Stoffen (NPS) besonderes Augenmerk zu. Andere Substanzen wie z.B. Halluzinogene (LSD, „Zauberpilze“) spielen aufgrund ihrer geringeren Verbreitung im polizeilichen Kontext eine untergeordnete Rolle.
Eine gute Zusammenstellung wissenswerter Informationen zu den unterschiedlichen Substanzen findet sich auf dem Internetangebot drugcom, einem Projekt der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA):
Verbreitung
Über einer Viertel (28,2%) der Deutschen im Alter von 18-64 Jahren haben mindestens einmal im ihrem Leben illegale Drogen konsumiert. Die Lebenszeitprävelenz von Jugendlichen im Alter von 12 bis 17 Jahren beträgt 10,2 Prozent. Unter den illegalen Drogen nimmt Cannabis die bedeutendste Rolle ein. Über 6 Prozent der Erwachsenen und 7 Prozent der Jugendlichen geben an, innerhalb der letzten 12 Monate mindestens einmal Cannabis konsumiert zu haben (Pfeiffer-Gerschel et al. 2017, S. 3).
Drogen und Kriminalität
Das BtMG stellt die meisten Handlungen im Zusammenhang mit den hier aufgeführten Substanzen unter Strafe. Darüber hinaus bestehen aber noch weitere Zusammenhänge zwischen Betäubungsmitteln und Kriminalität. Als sog. Beschaffungskriminalität bezeichnet man Straftaten, die der Finanzierung von Suchtmitteln dienen. Während direkte Beschaffungskriminalität (treffender: „Verschaffungskriminalität“) Delikte umfasst, die unmittelbar Betäubungsmittel zum Gegenstand haben (z.B. Apothekeneinbrüche, Rezeptdiebstahl, Verkauf von Drogen) bezeichnet man Eigentumsdelikte, die der Finanzierung von Betäubungsmitteln dienen als indirekte Beschaffungskriminalität. Zu der letztgenannten Gruppe zählt ferner auch die (illegale) Beschaffungsprostitution drogenabhängiger SexarbeiterInnen. Aufgrund der hohen Profiterwartungen sind der Drogenanbau bzw. Herstellung von Drogen, der Drogenhandel und Drogenschmuggel Betätigungsfelder organisierter Banden wie auch Einzeltäter.
Drogenendelikte sind Kontrolldelikte, d.h. die Zahl der polizeilich ermittelten Straftaten hängt von der Häufigkeit und Intensität eigeninitiierter, polizeilicher Kontrollen ab. Die Aufklärungsquote bei Betäubungsmittelverstößen liegt bei über 90 Prozent (im Vergleich zu ca. 56 Prozent bei anderen Kriminalitätsphänomenen) (vgl. Bundeskriminalamt 2016). Veränderungen im polizeilichen Hellfeld sind hier also u.U. auf ein verändertes Kontrollverhalten zurückzuführen und nicht zwangsläufig für eine Veränderung der objektiven Betäubungsmittelkriminalität ausschlaggebend. Gleiches gilt für die Menge polizeilich sichergestellter Drogen: auch diese Angaben lassen keinen unmittelbaren, verlässlichen Rückschluss auf sich verändernde Nachfrage/ Konsumgewohnheiten zu. Vielmehr ist auch hier die polizeiliche Kontrollintensität und einzelne spektakuläre Sicherstellungen großer Drogenmengen ursächlich.
Aus kriminologischer Sicht ist jedoch nicht nur der Aspekt der durch das Betäubungsmittelrecht definierten Formen der Kriminalität beachtenswert. Ebenso kann Kriminalität als Ursache für einen Drogenkonsum betrachtet werden. Der Umgang in kriminellen Milieus erleichtert den Zugang zu Drogen und geht hier u.U. auch mit befürwortenden Einstellungen hinsichtlich des Drogenkonsums einher.
Neben traditionellen Drogenmärkten gewinnt in den letzten Jahren der Drogenversandhandel über sog. Kryptomärkte zunehmend an Bedeutung (für einen guten Überblick zum Thema siehe: Tzanetakis, 2017). Auf zahlreichen illegalen Marktplätzen im sog. Darkweb werden illegale Drogen angeboten. Kunden bezahlen diese in der Regel mit der Kryptowährung Bitcoin. Identität und Standort der Anbieter und Käufer werden durch den Einsatz dieser Techniken verschleiert und sind für Strafverfolgungsbehörden kaum zu ermitteln. Der Drogenversand erfolgt über herkömmliche Post- und Paketzusteller, die ihrerseits unwissentlich zu Drogenkurieren werden.
Drogenverbote und Drogenlegalisierung
In allen Gesellschaften wurden und werden psychotrope/ psychoaktive Substanzen mit der Intention konsumiert, sich zu berauschen. Die Gründe für den Substanzkonsum sind vielfältig und reichen vom Wunsch nach dem Rauscherleben, einer Alltagsflucht, der körperlichen oder geistigen Leistungssteigerung (Sport- und das sog. „Gehirndoping“) oder der Durchführung kollektiver Rituale (Karneval, Volksfeste etc.). Zu den psychotropen Substanzen zählen neben illegalen Drogen auch Nikotin, Alkohol, aber auch Tee und Kaffee. Die Bewertung von Rauschmitteln unterliegt einem zeit- und kulturbedingten Wandel. Mache Substanzen, die einst verboten waren, sind heute legal und ihr Konsum weit verbreitet (z.B. Kaffee und Alkohol); andere Substanzen, die einst legal zu erwerben und zu gebrauchen waren, fallen heute unter das BtMG (z.B. Opiate). Das bedeutet, dass erst durch die (sich verändernde) gesellschaftliche Bewertung einzelner Substanzen Kriminalität konstituiert wird. Um diesen gesellschaftlichen/ kriminalpolitischen Wandel im Umgang mit Rauschmitteln auszudrücken, sprechen viele Sucht- und Drogenforscher von illegalisierten statt illegalen Drogen.
Drogenverbote bzw. die Legalisierung von Drogen berühren unterschiedliche Gesellschaftsfelder mit zum Teil gegensätzlichen Anforderungen und Ansprüchen. Zu denken ist hier z.B. an eine Einschätzung aus Sicht der Medizin/ des Verbraucherschutzes, der Rechtsprechung, der Ökonomie, der Verkehrs- und Arbeitssicherheit, des Jugendschutzes u.a. Während Mediziner auf die Suchtgefahren der Substanzen hinweisen, mahnen Kritiker der aktuellen Drogengesetzgebung z.B. an (vgl. Schildower Kreis o.J.), dass
- der seit Jahrzehnten von vielen Staaten der Weltgemeinschaft geführte Kampf gegen die Drogen („War on Drugs“) als gescheitert gelten muss (nicht nur wurde das Ziel einer drogenfreien Welt verfehlt, sondern der Kampf hat die Kriminalisierung, Inhaftierung und Tötung hunderttausender Menschen zur Folge),
- durch das Strafrecht eine unzulässige Einmischung in die Lebensführung von Menschen vorgenommen wird (vgl. Maxwill 2018),
- die Drogenprohibition die Gesundheit der Konsumenten gefährdet, da weder eine kontrollierte Abgabe noch eine Reinheitskontrolle der Substanzen stattfindet,
- Arbeitskräfte auf Seiten der Strafverfolgungsbehörden unnötig gebunden werden und Steuerausgaben unnötig getätigt werden,
- Drogenfolgeerkrankungen (wie z.B. AIDS, Hepatitis C) durch riskantere Konsumformen gefördert werden,
- Beschaffungskriminalität unmittelbare Folge des Drogenverbotes ist und somit alle Bürgerinnen und Bürger gefährdet,
- dem Staat Steuereinnahmen einer kontrollierten Abgabe entgehen
- und dass der durch illegale Drogen entstehende gesundheitliche Schaden in keinem Verhältnis zu den gesundheitlichen Problemen steht, die durch die legalen Drogen Alkohol und Tabak verursacht werden.
Quellen und weiterführende Informationen
- Albrecht, G., & Groenemeyer, A. (2012). Handbuch soziale Probleme (2., überarbeitete Auflage). VS Verlag für Sozialwissenschaften.
- Alternativer Drogen- und Suchtbericht http://alternativer-drogenbericht.de/
- Barop, H. (2023). Der große Rausch. Warum Drogen kriminalisiert werden. Eine globale Geschichte vom 19. Jahrhundert bis heute. Siedler Verlag.
- Bundeskriminalamt (2017) Rauschgiftkriminalität 2016. Bundeslagebild. Wiesbaden: BKA. Online verfügbar unter: https://www.bka.de/SharedDocs/Downloads/DE/Publikationen/JahresberichteUndLagebilder/Rauschgiftkriminalitaet/2016RauschgiftBundeslagebildZ.pdf?__blob=publicationFile&v=6
- Deutsche Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (DBDD) – Jahresberichte: https://www.dbdd.de/publikationen/jahresbericht-situation-illegaler-drogen-in-deutschland.html
- Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) – Jahrbuch Sucht (in jeweils der aktuellen Ausgabe)
- Drogen- und Suchtbericht der Bundesregierung https://www.drogenbeauftragte.de/
- drugcom.de – Angebot der BzgA, das sich an Jugendliche richtet mit guter Übersicht über Substanzen, Wirkungsweise, Szenenamen etc.
- Hoch, E.; Friemel, C. M. & Schneider, M. (2019). Cannabis. Potenzial und Risiko – Eine wissenschaftliche Bestandsaufnahme. Springer. Online verfügbar unter: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/5_Publikationen/Drogen_und_Sucht/Berichte/Hoch_et_al_Cannabis_Potential_u_Risiko_SS.pdf
- Maxwill, P. (2018, 05.02.) Interview mit Prof. Dr. Scheerer: Debatte über Cannabisverbot „Unser Strafrecht muss dringend entrümpelt werden“. Spiegel Online. Online verfügbar unter: http://www.spiegel.de/panorama/justiz/cannabis-legalisierung-was-dafuer-spricht-a-1191487.html
- Pfeiffer-Gerschel, T., Dammer, E., Piontek, D., Schulte, L., Friedrich, M., & Bartsch, G. (2017). Kurzbericht Situation illegaler Drogen in Deutschland. Basierend auf dem REITOX-Bericht 2017 an die EBDD (Datenjahr 2016/2017). München: Deutsche Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht DBDD.
- Schildower Kreis (o.J.) Resolution deutscher Strafrechtsprofessorinnen und –professoren an die Abgeordneten des Deutschen Bundestages
- Tzanetakis, M. (2017). Drogenhandel im Darknet. Gesellschaftliche Auswirkungen von Kryptomärkten. In: Aus Politik und Zeitgeschichte (APuZ 46-47/2017). Darknet. Online verfügbar unter: http://www.bpb.de/apuz/259133/darknet