Die statistische Erfassung von Kriminalität in und für Deutschland geschieht mittels zahlreicher offizieller Statistiken, von denen die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) die größte Bedeutung hat. Daneben existieren weitere Justizstatistiken, aber auch Ergebnisse wissenschaftlicher Evaluationen zu unterschiedlichen Kriminalitätsbereichen. Im Nachfolgenden werden einzelne Statistiken detaillierter vorgestellt und erklärt, welche Aussagekraft diese besitzen.
Was ist die Polizeiliche Kriminalstatistik und was misst diese Statistik?
Die Polizeiliche Kriminalstatistik (kurz: PKS) ist eine jährlich aktualisierte statistische Zusammenstellung über die polizeilich bearbeitete Kriminalität. Sie beinhaltet alle Kriminalitätsphänomene mit Ausnahme von Ordnungswidrigkeiten, Verkehrs- und Staatsschutzdelikten. Die PKS wird zunächst auf Länderebene geführt und für die einzelnen Bundesländer veröffentlicht. Die 16 Länderberichte werden dann vom Bundeskriminalamt aggregiert und jeweils im Frühjahr eines Jahres als bundesweite Kriminalstatistik veröffentlicht.
Die PKS ist eine sog. Ausgangsstatistik, in die alle der Polizei bekannt gewordenen und durch sie endbearbeiteten Straftaten Eingang finden (einschließlich der mit Strafe bedrohten Versuche). Die statistische Erfassung erfolgt unabhängig vom Aufklärungsergebnis. So werden sowohl Straftaten erfasst, bei denen der Täter unbekannt ist, als auch Taten die polizeilich als „aufgeklärt“ gelten. Hierbei gilt jedoch zu beachten, dass dies bereits der Fall ist, wenn die Polizei einen Tatverdächtigen ermitteln konnte. Es ist dabei unerheblich, ob eine Tat u.U. gemeinschaftlich begangen wurde (und insofern von mehreren Tatverdächtigen auszugehen ist) oder ob sich der ermittelte Tatverdächtige im Fortgang des eröffneten Verfahrens als unschuldig herausstellt.
In der PKS werden folgende Informationen erfasst:
- Art und Zahl der erfassten Straftaten
- Tatort und Zeit
- Opfer und Schäden
- Aufklärungsergebnis
- Alter, Geschlecht, Nationalität der Tatverdächtigen
Seit 1984 erfolgt eine echte Tatverdächtigenzählung. D.h., Mehrfachtäter werden nicht länger doppelt erfasst. Seit 2009 erfolgt diese echte Tatverdächtigenzählung auch auf Bundesebene. So wird beispielsweise ein Ladendieb, der innerhalb eines Jahres in Hamburg, Bremen und Nordrhein-Westfalen stiehlt und hierbei ertappt wird, nur einmal als Tatverdächtiger in der PKS erfasst. Ungeachtet dessen wird jedoch jeder einzelne Tatvorwurf gesondert erfasst.
Kriminalitätsquotienten
Um eine Vergleichbarkeit der statistisch erfassten Kriminalität zu gewähren, lassen sich sog. Kriminalitätsquotienten berechnen. Diese kommen immer dann zum Einsatz, wenn eine Kriminalitätsbelastung bei unterschiedlich großen Grundgesamtheiten verglichen werden sollen. Ein Beispiel hierfür wäre die Häufigkeitszahl, die erfasste Fälle in Relation zur Einwohnerzahl (Fälle je 100.000 Einwohner) stellt. So ließen sich Kriminalitätsphänomene in Städten unterschiedlicher Größe vergleichen. Weitere Kriminalitätsquotienten und ihre Berechnung sind der unten stehenden Tabelle zu entnehmen.
Kriminalitätsquotienten | ||
---|---|---|
Aufklärungsquote | AQ | geklärte Fälle x 100 : erfasste Fälle |
Häufigkeitszahl | HZ | erfasste Fälle x 100.000 : Einwohnerzahl |
Tatverdächtigenbelastungszahl | TVBZ | TV ab 8 Jahren x 100.000 : Einwohner ab 8 Jahren |
Opferbelastungszahl | OBZ | Anzahl der Opfer x 100.000 : Einwohnerzahl |
Kriminalitätsdichtezahl | KDZ | erfasste Fälle : Quadratkilometer |
Steigerungsrate | SR | (Berichtsjahr - Vorjahr) x 100 : Vorjahr |
Polizeiliche Aufklärungsquote
Von den benannten Kriminalitätsquotienten hat die Aufklärungsquote besondere Relevanz. Sie drückt den Anteil der registrierten Straftaten aus, bei denen es gelungen ist, einen Tatverdächtigen zu ermitteln. Damit fungiert die Aufklärungsquote als ein Indikator für die Qualität polizeilicher Arbeit (hohe Aufklärungsquote = gute Polizeiarbeit). Dabei muss allerdings berücksichtigt werden, dass eine Tat polizeilich bereits dann als aufgeklärt gilt, wenn ein Tatverdächtiger ermittelt wurde – auch wenn sich dieser im Laufe des späteren gerichtlichen Verfahrens als unschuldig herausstellen sollte oder eine Tat bekanntermaßen von mehreren Tätern begangen wurde. Zudem spielen die sog. Kontrolldelikte (s.u.) eine besondere Rolle. Denn den Kontrolldelikten ist gemein, dass zumeist ein Tatverdächtiger ermittelt wird/ auffällt und danach – im Zuge einer durchgeführten Kontrolle – die Straftat registriert wird. Die Aufklärungsquote beträgt hier also annähernd einhundert Prozent. Entsprechend ließe sich eine hinter den Erwartung zurückbleibende Aufklärungsquote verbessern, indem gezielt Kontrollen (von möglichen Verstößen gegen das Ausländerrecht, Betäubungsmittelgesetz usw.) durchgeführt werden.
Weitere Kriminalstatistiken
Die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) ist die bedeutendste, aber nicht die einzige Kriminalstatistik, die für Deutschland zur Verfügung steht. Daneben wird auch auf Ebene der Staatsanwaltschaften, der Gerichte, der Bewährungshilfe und der Strafjustizanstalten jeweils Statistiken über die zu bearbeitenden Fälle und Personen geführt. Hierbei muss beachtete werden, das die einzelnen Statistiken unverbunden nebeneinander existieren und kein Abgleich der Fälle erfolgt. Dies hat weitreichende Folgen für die Datenqualität bzw. Aussagekraft der PKS. Man stelle sich vor, ein Zeuge bringt den Diebstahl seiner Jacke zur Anzeige bei der Polizei. Die Polizei ermittelt daraufhin einen Taverdächtigen. Der Fall gilt damit als aufgeklärt und in der PKS wird ein Diebstahlsdelikt registriert. Bis hierhin gilt der Täter als einer Tat verdächtigt. Seine Schuld wurde bislang noch nicht von einem Gericht eindeutig festgestellt. Nun wäre es durchaus denkbar, dass sich einerseits der vermeintliche Diebstahl sich als Raub entpuppt. Dem Opfer fällt vor Gericht ein, dass er durch den Täter erheblich bedroht und zur Herausgabe seiner Jacke gezwungen wurde. Andererseits wäre es auch vorstellbar, dass vor Gericht festgestellt wird, dass gar kein Diebstahl stattgefunden hat. Der Zeuge hat sich die Tat ausgedacht um den vermeintlichen Täter zu belasten. In beiden Fällen ist demnach die Erfassung eines Diebstahls in der Polizeilichen Kriminalstatistik falsch. Eine Korrektur findet jedoch nicht statt.
Verfahrensabschnitt (Erhebungseinheit) | Datensammlung (veröffentlichende Stelle auf Bundesebene) |
---|---|
Ermittlungsverfahren | |
Polizeiliche Ermittlungen (Tatverdacht: Fall, Tatverdächtige, Opfer) | Polizeiliche Kriminalstatistik (Bundeskriminalamt) (seit 1953) |
Entscheidung der Staatsanwaltschaft über das Ergebnis der Ermittlungen (Geschäftsanfall und Art der Erledigung, bezogen auf Verfahren; seit 1998 auch auf Personen) | Staatsanwaltschaftsstatistik (Statistisches Bundesamt) (seit 1981) |
Hauptverfahren | |
Strafgerichtliche Tätigkeit (Geschäftsanfall und Form der Erledigung, bezogen auf Verfahren) | Justizgeschäftsstatistik in Strafsachen (Statistisches Bundesamt) (seit 1959) |
Strafgerichtliche Entscheidungen (Aburteilungen, Verurteilung, bezogen auf Personen) | Strafverfolgungsstatistik (Statistisches Bundesamt) (seit 1950) |
Strafvollstreckung/ Strafvollzug | |
Strafaussetzung zur Bewährung (mit Unterstellung unter hauptamtlichen Bewährungshelfer) (Erlass/Widerruf der Strafaussetzung, bezogen auf Probanden) | Bewährungshilfestatistik (Statistisches Bundesamt) (seit 1963) |
Vollzug einer Freiheitsstrafe (Zahl und Art der Justizvollzugsanstalten, Belegung, Belegungsfähigkeit, demographische Merkmale der Gefangenen) | Strafvollzugsstatistik (Statistisches Bundesamt) (seit 1961) |
- Staatsanwaltschaftsstatistik (StASt)
- Justizgeschäftsstatistik
- Strafverfolgungsstatistik (SVS)
- Bewährungshilfestatistik
- Strafvollzugsstatistik
Polizeiliche Lagebilder
Neben der jährlich aktualisierten Polizeilichen Kriminalstatistik veröffentlicht das Bundeskriminalamt zu ausgewählten Deliktsbereichen, bei denen ein besonderes öffentliches und/ oder polizeiliches Interesse besteht, sog. Lagebilder. So liegen zum Beispiel jährlich aktualisierte Lagebilder zu den Themenbereichen Gewalt gegen PolizeivollzugsbeamtInnen, Korruption oder Organisierte Kriminalität usw. vor. Datenbasis der Ausführungen der verschiedenen Bundeslagebilder ist in den meisten Fällen ebenfalls die Polizeiliche Kriminalstatistik. Allerdings sind die Bundeslagebilder – je nach dargestelltem Deliktsbereich – durch die Darstellung weiterführender Hintergrundinformationen und einer detaillierter Darstellung gekennzeichnet.
Was ist ein Hell-/ bzw. Dunkelfeld
In Kriminologiebüchern ist häufig von der sog. Kriminalitätswirklichkeit zu lesen. Diese Wirklichkeit beinhaltet alle Formen der Kriminalität, jeden Ladendiebstahl, jeden Verstoß gegen das Urheberrecht, jeden Gebrauch illegaler Drogen etc. – unabhängig davon, ob diese Verbrechen bekannt werden oder im Verborgenen geschehen und unentdeckt bleiben. Die PKS bildet nur einen kleinen Teil dieser Taten ab. Lediglich die bekannt gewordene, polizeilich bearbeitete Kriminalität bildet das sog. statistische Hellfeld ab. Es setzt sich einerseits aus Straftaten zusammen, die strafrechtlich verfolgt werden und andererseits aus Ereignissen, die zunächst seitens der Polizei als Straftaten behandelt werden, bei denen jedoch der Tatvorwurf im weiteren Verlauf eines Strafverfahrens fallen gelassen werden muss.
Neben diesem Hellfeld existiert ein Dunkelfeld, das alle nicht bekannt gewordenen Straftaten beinhaltet. Im Rahmen von Forschungsprojekten („crime surveys“) werden regelmäßig Opfer, Täter und Informanten zu ihren Kriminalitätserfahrungen befragt und so das Dunkelfeld aufgehellt. Man spricht in diesem Zusammenhang vom relativen Dunkelfeld. Ereignisse, die weder polizeibekannt werden, noch in crime surveys berichtet werden, verbleiben im absoluten Dunkelfeld.
Das Verhältnis von Taten im Hell- und Dunkelfeld variiert je nach Delikt. Es ist jedoch mindestens von einem Verhältnis von 1:3 auszugehen. Veränderungen im Hell- bzw. Dunkelfeld bedingen sich dabei nicht (zwangsläufig). Dies ist auch der Grund, weshalb die PKS eben kein Abbild der Kriminalitätswirklichkeit darstellt.
Einflussfaktoren auf die Größe des Hellfeldes
Anzeigeverhalten/ Anzeigenbereitschaft
Die ganz überwiegende Zahl der polizeilich bearbeiteten Fälle geht auf Anzeigen aus der Bevölkerung zurück. Lediglich fünf Prozent der im Hellfeld registrierten Kriminalität ist unmittelbare Folge einer proaktiven polizeilichen Ermittlungsarbeit. Dementsprechend stellt das sog. Anzeigeverhalten einen entscheidenden Einflussfaktor bei der Entwicklung des Hellfeldes dar.
Ob ein Delikt jedoch von Bürgern angezeigt wird, ist von verschiedenen Faktoren abhängig. Hierbei ist zunächst die Schadenshöhe/ Schwere der Verletzung und das empfundene Unrecht zu nennen. So werden vermutlich die Mehrzahl der Beleidigungen und Nötigungen nicht angezeigt, aber auch die Vielzahl der Körperverletzungen verbleibt vermutlich im Dunkelfeld (man denke beispielsweise an Raufereien auf dem Schulhof). Im Gegensatz hierzu wird der Diebstahl eines PKWs oder der Einbruchsdiebstahl in der überwiegenden Zahl der Fälle zur Anzeige gebracht. Dies hängt wesentlich mit den Versicherungsaspekten zusammen. Eine Kompensation des entstandenen Schadens durch eine Versicherung erfolgt in der Regel nur, wenn eine polizeiliche Anzeige erfolgt ist.
Aber auch das Vertrauen in die Polizei hat einen Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit der Anzeigenerstattung. Wird der Polizei keine oder nur geringe Kompetenz zugeschrieben, ein Verbrechen aufzuklären, ist eine Anzeigenerstattung unwahrscheinlich (z.B. Fahrraddiebstahl).
Die Anzeigenbereitschaft unterschiedlicher Bevölkerungsgruppen ist unterschiedlich ausgeprägt. So ist es plausibel von einer geringen Anzeigenbereitschaft bestimmter gesellschaftlicher Milieus auszugehen. Nach Deutschland geflüchtete Menschen haben eventuell in ihren Heimatländern schlechte Erfahrungen mit der Polizei gemacht und schenken der Institution Polizei daher kein Vertrauen oder sind schlicht in Unkenntnis über Ihre rechtlichen Möglichkeiten. Das Gleiche trifft unter Umständen auch auf deutsche Bürger mit Migrationshintergrund zu, die in der Vergangenheit Opfer von Racial Profiling durch die Polizei wurden. Aber auch Mitglieder aus der Hooligan-Szene, dem Rotlichtviertel oder anderen „halbseidenen“ und kriminellen Milieus sehen vermutlich meist von einer Anzeigenerstattung ab.
Polizeiliche Kontrollintensität
Die Zahl der erfassten Delikte in der Polizeilichen Kriminalstatistik hängt neben der Anzeigenbereitschaft der Bürger wesentlich von der polizeilichen Kontrollintensität ab. In etwa fünf Prozent der Ermittlungsverfahren werden von der Polizei selbst angestoßen. Eine besondere Rolle spielen in diesem Kontext sog. Kontrolldelikte. Dies sind Delikte, deren Entdeckung fast ausschließlich auf polizeiliche Kontrollen zurückzuführen sind (also im Gegenzug fast nie zur Anzeige gebracht werden). Die größte polizeiliche Relevanz haben hier Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz, aber auch z.B. Ausländerdelikte, Leistungserschleichungen, Korruption oder Umweltvergehen. Den Kontrolldelikten ist gemein, dass hier ein klassisches Kriminalitätsopfer fehlt, das entweder nicht in der Lage ist Anzeige zu erstatten (Umweltvergehen) oder es auf beiden Seiten Täter gibt (Korruption, Drogenverkäufer – Drogenkäufer). Den meisten Kontrolldelikten (die Ausnahme wären hier die Umweltdelikte) ist zudem gemein, dass die Polizei in den meisten Fällen zunächst einen Tatverdächtigen ermittelt und danach ein Delikt registriert wird. Im Ergebnis liegt die Aufklärungsquote bei nahezu einhundert Prozent.
Die Intensivierung polizeilicher Kontrollen (z.B. im Zuge der Bildung einer SoKo) führt in der Regel zu einem Anstieg der registrierten Kriminalität. Der tatsächliche Effekt einer intensivierten Kriminalitätsbekämpfung bleibt zumeist ungewiss (da die Änderungen im Dunkelfeld immer eine black box bleiben). Jedoch ist in der Folge eine Verschiebung von Delikte aus dem Dunkel- in das Hellfeld zu beobachten.
Änderungen bei der statistischen Erfassung
Es liegt auf der Hand, dass Änderungen bei der statistischen Erfassung in der Statistik sichtbar werden. Ein Beispiel hierfür wäre die Erfassung der Kriminalität für alle 16 Bundesländer nach der Wiedervereinigung. Seit 1993 wird eine gesamtdeutsche PKS erfasst und veröffentlicht. Eine Betrachtung von Zeitreihen, die vor 1993 beginnen, weisen einen erheblichen Anstieg der Kriminalität seit 1993 aus.
Eine Statistik ist nur so zuverlässig wie die ihr zugrundeliegende Messung. Daher hängt die Güte er Daten auch mit der Gründlichkeit der Erfassung seitens der polizeilichen Sachbearbeitung zusammen. Fehler, die hier bei der Dateneingabe geschehen, können im Nachhinein nur schwer wieder bereinigt werden.
Änderung des Strafrechts
Gerade bei der Betrachtung von Zeitreihen (Entwicklung eines Delikts über einen längeren Zeitraum), aber auch die Entwicklung der Gesamtkriminalität ist abhängig von Strafrechtsänderungen. Käme es beispielsweise zu einer Legalisierung und damit Entkriminalisierung von Cannabis, ginge dies mit einem Rückgang von ca. 200.000 Delikten im Jahr einher. Nun wäre es aber ein Fehlschluss deshalb anzunehmen, Deutschland wäre sicherer (oder unsicherer) geworden. Der Rückgang der Gesamtkriminalität (und auch der BtM-Delikte) bezöge sich ausschließlich auf die Strafrechtsänderung.
Aber auch im umgekehrten Fall, wenn es zu einer Kriminalisierung von Handlungen kommt, werden diese Veränderungen in der PKS abgebildet. Ein Beispiel wäre die Strafrechtsverschärfung im Bereich des Sexualstrafrechts als Folge zahlreicher Übergriffe auf Frauen in der Sylvesternacht 2015 in Köln und anderen deutschen Großstädten. Als Folge der Ereignisse wurde durch das Fünfzigste Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuches – Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung vom 04.11.2016 der § 177 um den sexuellen Übergriff ergänzt. Eine unreflektierte Betrachtung der Entwicklung der Verstöße hegen § 177 StGB ließe vermuten, dass die Zahl der Vergewaltigungen und sexuellen Nötigungen sprunghaft angestiegen wären. Dies trifft jedoch nicht zu, sondern es werden lediglich zuvor ungeahndete Handlungen unter diesem Paragraphen subsumiert.
Echte Kriminalitätsänderung
Schlussendlich bildet die PKS „echte“ Kriminalitätsänderungen ab. Wird in Deutschland mehr oder weniger beleidigt, geklaut, geraubt usw. würden diese Änderungen in der PKS sichtbar – sofern man von einem gleichbleibenden Anzeigeverhalten ausgehen kann.
Methoden und Ergebnisse der Dunkelfeldforschung
Zusammenfassend muss festgehalten werden, dass die vielen einschränkenden Faktoren, die Einfluss auf die polizeiliche Erfassung der Kriminalität nehmen, dazu führen, dass die PKS ein unvollständiges und systematisch verzerrtes Bild der Gesamtkriminalität in Deutschland bietet. Diesem Missstand versuchen KriminologInnen durch sog. Dunkelfeldforschung entgegenzutreten. Im Gegensatz zu den USA oder Großbritannien existieren in Deutschland jedoch keine regelmäßigen, offiziellen Erhebungen zur Größe des Kriminalitäts-Dunkelfeldes. Zahlreiche kleinere Forschungsprojekte beziehen sich stattdessen auf spezifische Delikte, spezifische Täter-/ Opfergruppen oder auf einzelne Städte/ Bundesländer. Eine Übersicht über zurückliegende Forschungsprojekte aus dem Bereich der Dunkelfeldforschung unter der Beteiligung des Bundeskriminalamtes, ist auf der Webseite des BKA verfügbar.
Ein prominentes Beispiel für eine Dunkelfeldforschung stellen die Schülerbefragungen dar, die wiederholt durch das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen (KFN) (siehe: https://kfn.de/forschungsprojekte/schuelerbefragungen/) durchgeführt wurden. Hierbei wurden Schüler der neunten Jahrgangsstufe an verschiedenen Schulformen zu ihrer zurückliegenden Täterschaft als auch vergangenen Viktimisierungserfahrungen befragt.
Obgleich derlei Befragungen ein genaueres Bild der „Kriminalitätswirklichkeit“ versprechen als die Hellfeldstatistik der Polizei, liegt es auf der Hand, dass eine Befragung zu zurückliegender Täterschaft als auch Viktimisierungserfahrungen mit Schwierigkeiten versehen sind (z.B. Wahrheitsgehalt der Angaben lässt sich de facto kaum überprüfen; Scham/ Angst vor Strafverfolgung aber auch Geltungsbedürfnisse der Jugendlichen als beeinflussende Faktoren).
Literaturverzeichnis und weiterführende Quellen
- Heinz, W. (o.J.). Konstanzer Inventar. Online verfügbar unter: https://www.jura.uni-konstanz.de/ki/
- Jehle, H.-J. (2019). Strafrechtspflege in Deutschland. Fakten und Zahlen (7. Aufl.). Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz. Mönchengladbach: Forum Verlag Godesberg. Online verfügbar unter: https://www.bmjv.de/SharedDocs/Downloads/DE/Service/Fachpublikationen/Strafrechtspflege_Deutschland.pdf?__blob=publicationFile&v=15
- Pientka, M. (2014). Kriminalwissenschaften II. München: C.H. Beck.
Folgende Institutionen/ Quellen informieren über die Kriminalitätsentwicklung in Deutschland
- Bundeskriminalamt – Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS)
https://www.bka.de/DE/AktuelleInformationen/StatistikenLagebilder/PolizeilicheKriminalstatistik/pks_node.html - Bundeskriminalamt – Lagebilder
https://www.bka.de/DE/AktuelleInformationen/StatistikenLagebilder/Lagebilder/lagebilder_node.html - Bundeskriminalamt – Periodischer Sicherheitsbericht
https://www.bka.de/DE/AktuelleInformationen/StatistikenLagebilder/PeriodischerSicherheitsbericht/periodischersicherheitsbericht_node.html - LKA NRW – Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS)
https://polizei.nrw/artikel/polizeiliche-kriminalstatistik - Statistisches Bundesamt – Justiz auf einen Blick
https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/Rechtspflege/ThemaRechtspflege.html
Podcasts
5 Minuten Kriminologie – Folge 3: Hell- und Dunkelfeld
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