• Zur Hauptnavigation springen
  • Zum Inhalt springen
  • Zur Seitenspalte springen
  • Zur Fußzeile springen

SozTheo

Sozialwissenschaftliche Theorien

  • Soziologie
    • Allgemeine Soziologie
    • Stadtsoziologie
    • Soziologie der Gewalt
    • Polizeigeschichte
    • Seminar: Polizei & Pop
    • Schlüsselwerke der Soziologie
  • Kriminologie
    • Schlüsselwerke der Kriminologie
  • Kriminalitätstheorien
    • Personenregister
    • Anomie-/ Druck-Theorien
    • Biologische Kriminalitätstheorien
    • Herrschafts- und gesellschaftskritische Kriminalitätstheorien
    • Karriere/ Entwicklung/ Lebenslauf
    • Kontrolle
    • Kultur/ Emotion/ Situation
    • Lernen/ Subkultur
    • Rational Choice
    • Sanktionierung
    • Soziale Desorganisation
  • Forschung
    • Qualitätskriterien für wissenschaftliches Arbeiten
    • Inhaltsanalyse
    • Standardisierte Befragungen
    • Wie führe ich Experteninterviews?
  • Tipps fürs Studium
    • Wie erstelle ich eine Hausarbeit/ Bachelorarbeit/ Masterarbeit?
    • Checkliste für Erstellung/ Abgabe wissenschaftlicher Arbeiten
    • Wie schreibe ich eine (sehr) gute Arbeit?
    • Systematische Literaturrecherche
    • Bachelorarbeit Thema finden
    • Wie erstelle ich ein Exposé?
    • Wie zitiere ich richtig im APA-Stil?
  • Glossar
Sie befinden sich hier: Home / Kriminalitätstheorien / Herrschafts- und gesellschaftskritische Kriminalitätstheorien / Radikaler Labellingansatz (Sack)

Radikaler Labellingansatz (Sack)

3. Juni 2018 | zuletzt aktualisiert am 27. April 2025 von Christian Wickert

Der Soziologe Fritz Sack entwickelte Anfang der 1970er Jahre eine besonders radikale Variante der Labelling-Theorien. Ihm zufolge ist KriminalitätKriminalität bezeichnet gesellschaftlich normierte Handlungen, die gegen das Strafgesetz verstoßen. nicht das Resultat individueller Dispositionen oder sozialer Ursachen, sondern entsteht ausschließlich durch gesellschaftliche Zuschreibungsprozesse. Um die politische Dimension von KriminalisierungDer Prozess, durch den bestimmte Handlungen oder Verhaltensweisen durch gesetzliche Bestimmungen als kriminell definiert und strafrechtlich verfolgt werden. hervorzuheben, schlug Sack vor, den Begriff „Labelling“ durch den Ausdruck marxistisch-interaktionistisch zu ersetzen.

Theoretische Fundierung: Marxistisch-interaktionistischer Ansatz

Fritz Sacks Theorie verbindet zwei zentrale Perspektiven: den Symbolischen Interaktionismus und die Marxistische Gesellschaftstheorie. Während der Symbolische Interaktionismus betont, dass Kriminalität durch soziale Zuschreibungsprozesse entsteht, rückt die marxistische Perspektive die ungleiche Machtverteilung in den Vordergrund.

Nach Sack sind Zuschreibungen (Labelings) nicht neutral, sondern Ausdruck gesellschaftlicher Machtverhältnisse. Wer als „kriminell“ gilt, wird durch soziale Positionen und Klasseninteressen bestimmt. Das Strafrecht dient dabei als Instrument der sozialen Kontrolle durch die herrschenden Klassen gegenüber den sozial Schwächeren.

Damit radikalisiert Sack klassische Labelling-Theorien, indem er die Makrostrukturen gesellschaftlicher Ungleichheit systematisch in seine Theorie integriert.

Radikaler Labeling-Ansatz – Fritz Sack

Hauptvertreter: Fritz Sack
Erstveröffentlichung: 1972 („Definition von Kriminalität als politisches Handeln: Der labeling approach“)
Land: Deutschland
Idee/ Annahme: Kriminalität entsteht ausschließlich durch gesellschaftliche Zuschreibungsprozesse. ZuschreibungEin sozialer Prozess, bei dem bestimmten Personen oder Gruppen bestimmte Eigenschaften oder Merkmale zugeschrieben werden – oft unabhängig von deren tatsächlichem Verhalten. ist die einzige Ursache für die Existenz von Kriminalität. Das Recht dient als Instrument sozialer Herrschaft („Klassenjustiz“).
Knüpft an: Symbolischer Interaktionismus, Marxistische Gesellschaftstheorie, Kritische Kriminologie (in Abgrenzung zu Becker und Lemert)

Theorie

Im Zentrum von Sacks Ansatz steht die These, dass Kriminalität vollständig als Ergebnis sozialer Zuschreibungsprozesse verstanden werden muss. Er geht von einer Ubiquitätsthese aus: Abweichendes Verhalten kommt in allen gesellschaftlichen Gruppen gleichermaßen vor (vgl. Durkheims Normalitätsthese der Kriminalität).

Damit grenzt sich Sack deutlich von früheren Labelling-Theoretikern wie Howard S. Becker und Edwin M. Lemert ab. Während diese davon ausgingen, dass es neben gesellschaftlicher Zuschreibung eine objektive Ebene (primäre DevianzVerhalten, das von gesellschaftlichen NormenVerhaltensregeln und Erwartungen, die innerhalb einer Gesellschaft oder sozialen Gruppe als verbindlich gelten. abweicht und als regelverletzend wahrgenommen wird – unabhängig von seiner strafrechtlichen Relevanz. oder Normbruch) gebe, bestreitet Sack dies: Jede kriminelle Handlung entsteht einzig und allein durch den Akt der Zuschreibung.

Nach Sack durchläuft ein physikalisches Geschehen eine soziale Karriere: Es wird durch soziale Akteure interpretiert, bewertet und schließlich kriminalisiert. Welche Verhaltensweisen als kriminell gelten, ist demnach rein definitorischer Natur und keine inhärente Eigenschaft bestimmter Handlungen.

Marxistisch-interaktionistischer Ansatz

Sack betont, dass Kriminalisierung immer im Kontext von Machtverhältnissen erfolgt. Die Etikettierung als „kriminell“ betrifft überproportional Angehörige der Unterschichten, während Herrschende eher von Strafverfolgung verschont bleiben. Das Rechtssystem wird damit zum Instrument sozialer Herrschaft und zur Durchsetzung bestehender Machtverhältnisse („Klassenjustiz“).

Für die KriminologieKriminologie ist die interdisziplinäre Wissenschaft vom VerbrechenEin Verbrechen ist eine besonders schwerwiegende Form rechtswidrigen Handelns, die im Strafrecht mit einer Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr oder mehr bedroht ist – zugleich ist es ein sozial und historisch wandelbares Konstrukt., seinen Ursachen, Erscheinungsformen, gesellschaftlichen Reaktionen und der sozialen Kontrolle von abweichendem Verhalten. hat diese Sichtweise weitreichende Folgen: Fragestellungen der positivistischen Schule – etwa warum Menschen kriminell werden – werden aus Sacks Perspektive obsolet. Entscheidend ist nicht das Verhalten selbst, sondern der gesellschaftliche Definitionsprozess.

Kritische Würdigung

Fritz Sacks radikaler Labelling-Ansatz markiert einen Paradigmenwechsel in der deutschen Kriminologie, dessen Einfluss bis heute spürbar ist. Besonders in den 1970er Jahren stieß seine Theorie auf erheblichen Widerstand und polarisierte die Fachwelt.

In seinen Schriften wird deutlich, dass Sack die wissenschaftliche Auseinandersetzung als politisch motivierten Konflikt verstand. So warf er seinen Kritikern vor, sie würden keine rational überprüfbaren Argumente liefern, sondern sich auf „Spruchweisheiten und Allerweltsformeln“ stützen (Sack, 1972, S. 4).

Gleichzeitig wird aus heutiger Perspektive die Radikalität seines Ansatzes vielfach als zu einseitig kritisiert. Insbesondere der Vorwurf, dass Täter vollständig zu Opfern gesellschaftlicher Prozesse gemacht und deren eigenes Handeln vernachlässigt werde, gehört zu den häufigsten Einwänden gegen den radikalen Labelling-Ansatz.

Stärken und Schwächen des radikalen Labelling-Ansatzes

  • Stärke: Radikale Entnaturalisierung des Kriminalitätsbegriffs und Betonung der politischen Dimension von Strafverfolgung.
  • Schwäche: Vernachlässigung individueller Handlungsmotive und realer Schädigungen durch bestimmte Delikte.

Vergleich: Becker, Lemert und Sack

  • Edwin M. Lemert: Unterscheidung zwischen primärer (erste Regelverletzung) und sekundärer Devianz (abweichendes Selbstkonzept nach Etikettierung). Fokus auf individuelle Reaktionen auf soziale Zuschreibungen.
  • Howard S. Becker: Devianz ist keine Eigenschaft der Handlung selbst, sondern entsteht durch soziale Zuschreibung (Labeling). Schwerpunkt auf den gesellschaftlichen Prozessen der Normsetzung und Normdurchsetzung.
  • Fritz Sack: Radikale Erweiterung: Zuschreibung ist die einzige Ursache von Kriminalität. Kriminalisierung wird als Ausdruck von Macht- und Klassenverhältnissen verstanden. Betonung marxistischer Gesellschaftsanalyse.

Literatur

Primärliteratur

  • Fritz Sack, René König (Hrg.): Kriminalsoziologie, 1. Auflage, 1968,Frankfurt a.M.: Akad-Verl.-Ges.
  • Fritz Sack: Zu einem Forschungsprogramm für die Kriminologie, Kriminologisches Journal 4/1973: 251.
  • Fritz Sack : Definition von Kriminalität als politisches Handeln: Der labeling approach, in: Kriminologisches Journal, Jg. 4 (1972), H. 1, S. 3-31.

Teile diesen Beitrag
  • teilen 
  • teilen 
  • teilen 
  • E-Mail 

Verwandte Beiträge:

  • Herbert Blumer – Symbolischer Interaktionismus: Grundbegriffe und Methoden (1969)
    Herbert Blumer – Symbolischer Interaktionismus:…
  • Titelbild Kriminalitätstheorien allgemein
    Kriminalitätstheorien
  • Titelbild: primäre und sekundäre Devianz nach Lemert
    Labelling - primäre und sekundäre Devianz (Lemert)

Kategorie: Kriminalitätstheorien Tags: 1968, Becker, Definitionsmacht, Deutschland, Fritz Sack, gesellschaftliche Reaktion, Klassenjustiz, Kriminalitätstheorien, Kriminalsoziologie, Kriminologische Paradigmen, Kritische Kriminologie, Labeling, Labelling, Labelling Ansatz, Lemert, Macht und Kriminalität, Makro, Marxistisch-Interaktionistische Theorie, pönologisch, radikal, Radikaler Labelling-Ansatz, Soziologie, Soziologie der Devianz, Symbolischer Interaktionismus, Zuschreibung

Seitenspalte

Lektionen

  • Marxistische Kriminalitätstheorien
  • Feministische Kriminalitätstheorien
  • Power-Control-Theory
    John Hagan
  • Labelling-Ansatz (Überblick)
  • Primäre und sekundäre Devianz
    Edwin M. Lemert
  • Outsiders
    Howard S. Becker
  • Radikaler Labellingansatz
    Fritz Sack
  • Sozialkonstruktivistische Kriminalitätstheorie
    Henner Hess & Sebastian Scheerer

Quiz zu herrschafts- und gesellschaftskritischen Kriminalitätstheorien

Footer

Über SozTheo

SozTheo ist eine Informations- und Ressourcensammlung, die sich an alle an Soziologie und Kriminologie interessierten Leserinnen und Leser richtet.

SozTheo wurde als private Seite von Prof. Dr. Christian Wickert, Dozent für die Fächer Soziologie und Kriminologie an der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung Nordrhein-Westfalen, erstellt. Die hier verfügbaren Beiträge und verlinkten Artikel spiegeln nicht die offizielle Meinung, Haltung oder Lehrpläne der HSPV NRW wider.

Impressum & Kontakt

  • Kontakt
  • Impressum & Datenschutz
  • Sitemap
  • Über mich
  • zurück zur Startseite

Partnerseiten

Criminologia – Kriminologie-Blog

Krimpedia

  • Deutsch
    • English (Englisch)

Spread the word


Teile diesen Beitrag
  • teilen 
  • teilen 
  • teilen 
  • E-Mail 

Social Media

Besuche SozTheo auf Facebook

Besuche SozTheo auf Instagram

© 2025 · SozTheo · Admin