Lokale Sicherheit ist ein zentrales Thema der Gesellschaft beeinflussen.">Stadtsoziologie. Sie betrifft nicht nur die objektive Kriminalitätslage, sondern auch das subjektive Kriminalität und Gefahren geschützt zu sein.">Sicherheitsgefühl in Quartieren. Vor allem in sozial benachteiligten Stadtteilen sind Unsicherheit und Kontrolle ungleich verteilt. Eine zentrale Rolle spielt dabei die Kriminalitätsfurcht – also die Angst vor (potenzieller) Viktimisierung, die häufig unabhängig von der tatsächlichen Gefährdung besteht. Der Beitrag beleuchtet das Konzept des Community Policing als vielversprechenden Ansatz, lokale Sicherheit gemeinsam mit der Bevölkerung zu gestalten.
„Lokale Sicherheit“ bezeichnet dabei jene Form der Sicherheit, die unmittelbar im Lebensumfeld der Menschen erfahrbar wird – auf Straßen, Plätzen, in Nachbarschaften. Sie umfasst sowohl objektive Risiken (Kriminalitätsbelastung) als auch subjektive Einschätzungen (Angst, Vertrauen, Kontrolle) und ist damit ein zentraler Indikator für soziale Kohäsion und urbane Lebensqualität.
Vom Polizieren zur Sicherheitsproduktion
„Policing“ meint mehr als nur das Handeln der Polizei – es umfasst alle Maßnahmen, mit denen soziale Ordnung aufrechterhalten wird. Neben der Polizei wirken auch kommunale Behörden, zivilgesellschaftliche Akteure, Sicherheitsdienste und Anwohnende an der lokalen Sicherheitsproduktion mit. Sicherheit wird so zur gemeinschaftlichen Aufgabe.
Was ist Community Policing?
Community Policing – auch als „bürgerschaftsorientierte Polizei“, „neighborhood policing“ oder „kommunale Kriminalprävention“ bezeichnet – beschreibt einen kooperativen Ansatz polizeilichen Handelns. Ziel ist es, Sicherheit nicht nur für, sondern mit der Bevölkerung herzustellen. Zentrale Elemente sind Vertrauen, Dialog und gemeinsame Problemlösung.
Community Policing ist
policing with and for the community rather policing of the community.
(Tilley, 2003, S. 315)
Pütter (1999, S. 6 f.) schreibt:
Community policing ist eine neue Philosophie der Polizeiarbeit, die auf dem Konzept basiert, daß kreative Formen des Zusammenwirkens von PolizistInnen mit BürgerInnen dazu beitragen können, gegenwärtige Probleme in Gemeinden zu lösen, die mit Kriminalität, Kriminalitätsfurcht, sozialer oder physischer Unordnung und dem Verfall von Nachbarschaften zusammenhängen.
Grundprinzipien des Community Policing
- Partnerschaft: Polizei und Bevölkerung arbeiten auf Augenhöhe zusammen.
- Prävention: Frühe Problemerkennung und -bearbeitung verhindern Eskalation.
- Dezentralisierung: Entscheidungskompetenzen werden auf lokale Polizeieinheiten übertragen.
- Transparenz: Offenheit über Ziele, Maßnahmen und Erfolge fördert Vertrauen.
Ursprung und Wendepunkt: Community Policing
Community Policing entwickelte sich ab den 1960er-Jahren in den USA als Antwort auf eine doppelte Krise: Zum einen führten die Bürgerrechtsbewegung, Unruhen in afroamerikanischen Nachbarschaften und massive Polizeikritik zu einem wachsenden Vertrauensverlust gegenüber staatlichen Institutionen – insbesondere der Polizei. Zum anderen zeigte sich, dass klassisch repressive Polizeistrategien wenig zur nachhaltigen Kriminalitätsbekämpfung in sozial belasteten Vierteln beitrugen.
Der neue Ansatz verfolgte das Ziel, die Polizei wieder in die Gesellschaft einzubetten – durch Präsenz im Stadtteil, Dialog mit der Bevölkerung und die aktive Einbindung zivilgesellschaftlicher Akteure in Fragen der lokalen Sicherheit. Gemeinschaft basiert, um gemeinsam Kriminalität zu bekämpfen und das Sicherheitsgefühl zu stärken.">Community Policing ist damit mehr als ein Einsatzkonzept: Es ist ein polizeiliches Leitbild, das Vertrauen, Kooperation und soziale Verantwortung ins Zentrum rückt.
Aus polizeihistorischer Perspektive bedeutet Community Policing einen bewusst vollzogenen Bruch mit der technokratischen Polizeimoderne. Seit den 1930er- und 1940er-Jahren hatten Technisierung, Zentralisierung und Rationalisierung (z. B. Streifenwagen, Funk, zentrale Leitstellen) die Polizei zunehmend professionalisiert – aber auch distanzierter gemacht. Der „Cop on the Beat“, der Polizist mit persönlichem Bezug zur Nachbarschaft, wurde abgelöst durch schnelle, anonyme Einsatzkräfte „aus dem Funkwagen“.
Community Policing kehrt diese Entwicklung teilweise um: Indem es auf Präsenz, Gespräch und lokale Verantwortung setzt, will es Nähe wiederherstellen und Sicherheitsbedürfnisse mit der Bevölkerung – nicht gegen sie – bearbeiten. Dabei geht es nicht nur um Kriminalitätskontrolle, sondern um gesellschaftliche Kohäsion, um Vertrauen in staatliche Institutionen und um urbane Demokratie im Alltag.
Parallel zum Community Policing gewann in den 1980er-Jahren das Broken-Windows-Konzept an Einfluss – eine stärker ordnungsbasierte Strategie, die soziale Unordnung als Frühform von Kriminalität deutet. Im Unterschied zu Community Policing setzt Broken Windows weniger auf Kooperation als auf symbolische Ordnungsmacht.
Vergleich herkömmlicher Polizeiarbeit und Community Policing
Besonders deutlich werden die Besonderheiten des Community Policing, wenn man diese Polizeistrategie mit herkömmlicher Polizeiarbeit kontrastiert.
Herkömmliche Polizeiarbeit | Community Policing |
---|---|
zentralisiert, unsichtbar, bürokratische Zugangsschranken | sichtbare, unmittelbar erreichbare Polizei |
unpersönlicher Arbeitsstil, Verhältnis zwischen Polizei und Bürger durch Autorität und Distanz gekennzeichnet | persönliches Verhältnis von Polizei zu Bürgern |
Spezialisten, Kriminalisten | Generalisten in Bezug auf soziale Probleme |
„crime fighter“ | Lösung von Kriminalität- und Sicherheitsproblemen |
reaktiv | proaktiv, präventiv |
Erfolgsfaktoren und Herausforderungen
Community Policing kann lokale Sicherheit nachhaltig stärken – wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind:
- Langfristigkeit: Vertrauensaufbau erfordert Zeit und Kontinuität.
- Ressourcenausstattung: Dezentrale Polizeiarbeit ist personal- und zeitintensiv.
- Interkulturelle Kompetenz: Vielfalt in Quartieren erfordert sensible Kommunikation.
- Evaluationskultur: Wirkungen müssen regelmäßig überprüft werden.
Praxisbeispiele
- Polizeiliche Bezirksdienste: In vielen Bundesländern übernehmen sie quartiersbezogene Aufgaben mit Fokus auf Sichtbarkeit, Ansprache und Vernetzung.
- Kooperation mit Jugendämtern, Wohnungsbaugesellschaften, Schulen: Gemeinsame Runde Tische schaffen ganzheitliche Perspektiven.
- „KOB“ – Kontaktbereichsbeamte: In Baden-Württemberg und anderen Bundesländern arbeiten KOBs seit Jahrzehnten erfolgreich als Brückenbauer zwischen Polizei und Nachbarschaft.
Kriminalpräventive Räte und Ordnungspartnerschaften
Ein zentrales Instrument zur Umsetzung von Community-Policing-Ideen auf kommunaler Ebene sind kriminalpräventive Räte und Ordnungspartnerschaften. Sie basieren auf der Überzeugung, dass Sicherheit nicht allein durch die Polizei gewährleistet werden kann, sondern eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe darstellt. In kriminalpräventiven Räten kommen Vertreter:innen von Polizei, kommunaler Verwaltung, Schulen, Jugendhilfe, Wohnungswirtschaft, Gewerbe und Zivilgesellschaft zusammen, um präventive Maßnahmen auf lokaler Ebene zu koordinieren.
Solche Gremien dienen nicht nur dem Austausch, sondern ermöglichen eine frühzeitige Problemerkennung, die gemeinsame Entwicklung von Interventionsstrategien und die ressourcenschonende Umsetzung von Maßnahmen.
Zu Kriminalpräventiven Räten heißt es auf der Webseite der Polizei NRW:
Die fachliche Kompetenz wird in so genannten „Kriminalpräventiven Räten“ vor Ort, also in den Städten und Gemeinden, gebündelt. In vielen Fällen sind dies Gremien, die als Lenkungsgremien eingerichtet sind und dem persönlichen Engagement von Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern oder Leiterinnen, beziehungsweise Leitern von Kreispolizeibehörden unterstehen.
Die Aufgabe der Kriminalpräventiven Räte besteht darin, örtliche Problemfelder zu erkennen, Konzepte mit anderen Präventionsträgern auf den Weg zu bringen oder spezielle themenbezogene Projektgruppen einzurichten und die Ergebnisse auszuwerten.
Ordnungspartnerschaften gehen noch einen Schritt weiter: Sie setzen auf verbindliche Kooperationen zwischen Polizei und anderen Akteuren zur Lösung konkreter Sicherheitsprobleme – etwa in Brennpunkten, an Bahnhöfen oder im Umfeld von Schulen.
Exemplarisch sei hier auf die Webseite der Polizei Düsseldorf verwiesen, wo zahlreiche Ordnungspartnerschaften aufgelistet sind: https://duesseldorf.polizei.nrw/artikel/ordnungspartnerschaft
Ordnungspartnerschaft mit pragmatischer Wirkung
An einer stark frequentierten Hamburger Kreuzung versammelt sich regelmäßig eine lokale Trinkerszene rund um einen Kiosk. Beschwerden aus der Nachbarschaft häufen sich – jedoch nicht wegen Lärm oder des Alkoholkonsums an sich. Vielmehr stört die Anwohner:innen, dass einige Personen sich nach dem Konsum in nahegelegenen Büschen oder Hauseingängen erleichtern.
Statt repressiv zu reagieren, wird im Rahmen einer moderierten Ordnungspartnerschaft eine kreative Lösung gefunden: Bei einem Runden Tisch mit Vertreter:innen der Stadt, der Polizei, der Suchthilfe und Anwohner:innen wird deutlich, dass das Problem weniger deviant als infrastrukturell ist. Die Lösung: Es werden mobile Toiletten in unmittelbarer Nähe aufgestellt.
Das Ergebnis: Die Beschwerden gehen deutlich zurück. Es braucht keine Verdrängung, keine Sanktionen – sondern kommunikative Aushandlung und pragmatische Intervention. Das Beispiel zeigt, wie lokale Sicherheit als gemeinsame Aufgabe gedacht und gestaltet werden kann.
Kritik und Grenzen
Community Policing gilt als innovativer Gegenentwurf zur autoritär-zentralisierten Polizeiarbeit – dennoch ist das Konzept nicht frei von Kritik. Eine zentrale Herausforderung liegt in der Frage, wie tiefgreifend die Partizipation tatsächlich ist: Oft handelt es sich um symbolische Beteiligung, bei der Bürger:innen zwar gehört, aber nicht in echte Entscheidungsprozesse eingebunden werden. Ohne strukturelle Machtverschiebung bleibt Community Policing ein kosmetisches Konzept – oder gerät zur reinen Imagepflege.
Ein weiteres Spannungsfeld betrifft die Wirkung auf das subjektive Sicherheitsgefühl. Zwar kann Community Policing zur Reduktion von Kriminalitätsfurcht beitragen – etwa durch sichtbare Präsenz, niedrigschwellige Ansprechbarkeit und lokale Verankerung. Doch ohne strukturelle Verbesserungen der Lebenslage bleibt diese Wirkung begrenzt. Sicherheitsgefühl ist ein sensibles Barometer gesellschaftlicher Teilhabe – es speist sich aus Erfahrungen mit Behörden, sozialer Ungleichheit und medial vermittelten Bedrohungsszenarien. Eine Polizistin „zum Anfassen“ ersetzt keine funktionierende Sozialpolitik.
Soziale Ursachen von Unsicherheit – wie Armut, Bildungsbenachteiligung oder Diskriminierung – können durch lokal ausgerichtete Polizeiarbeit nicht behoben werden. Wird Community Policing isoliert betrieben, ohne auf sozialpolitische Flankierung zu setzen, droht die Gefahr einer Individualisierung gesellschaftlicher Probleme. Die Polizei wird dann zur Reparaturinstanz für soziale Ungleichheiten, ohne über die notwendigen Mittel oder den entsprechenden Auftrag zu verfügen.
Hinzu kommt, dass die Umstellung auf Community Policing organisationsinternen Wandel erfordert: Hierarchien, Kommunikationswege und Rollenverständnisse müssen verändert werden – was in stark bürokratisierten Organisationen wie der Polizei erfahrungsgemäß schwerfällt. Wo diese Transformation ausbleibt, bleibt das Community-Konzept auf einzelne Vorzeigeprojekte beschränkt.
Ein weiterer Kritikpunkt betrifft die ungleiche Repräsentation innerhalb von Beteiligungsformaten: Es sind nicht immer die marginalisierten Gruppen, die in Beiräten oder Sicherheitskonferenzen mitwirken. Vielmehr dominiert häufig das sozial besser gestellte Milieu – womit bestehende Ungleichheiten reproduziert statt reduziert werden.
Schließlich stellt sich auch eine Legitimitätsfrage: Wenn Polizeiarbeit sich stärker an lokalen Befindlichkeiten orientiert, droht die Gefahr von „law enforcement by popularity“ – also einer rechtsstaatlich fragwürdigen Anpassung polizeilichen Handelns an subjektive Mehrheitsmeinungen, die mitunter diskriminierend oder populistisch sein können.
Fazit
Community Policing ist kein Allheilmittel – aber ein relevanter Baustein lokaler Sicherheitsstrategien. Es stärkt Vertrauen, fördert Prävention und kann zur Integration benachteiligter Quartiere beitragen. Entscheidend ist, dass das Modell ernst gemeint, kontinuierlich weiterentwickelt und in ein ganzheitliches Verständnis von Sicherheit eingebettet wird.
Literatur und weiterführende Informationen
- Bässman, J. & Vogt, S. (1997). Community Policing. Projektbericht des Bundeskriminalamtes zu den Erfahrungen in den USA. BKA-Forschung. Kriminalistisch-kriminologische Forschungsgruppe. Wiesbaden: Bundeskriminalamt. https://www.bka.de/SharedDocs/Downloads/DE/Publikationen/Publikationsreihen/Forschungsergebnisse/1997CommunityPolicingProjektbericht.pdf
- Frevel, B. (2012) Kriminalität und lokale Sicherheit. In: Eckhardt, F. (Hrsg.) Handbuch Stadtsoziologie. Wiesbaden: Springer VS, S. 593-611.
- Kelling, George L.; Wilson, James Q. (1982): Broken Windows. The police and Neighborhood Safety. The Atlantic. [Volltext]
- Pütter, N. (1999) „Community Policing“ Alternative zu herkömmlicher Polizeiarbeit? Bürgerrechte und Polizei/ Cilip 64(3), S. 6-15.
- Tilley, N. (2003) Community Policing, problem-oriented policing and intelligence-led policing. In: Newburn, T. (Hrsg.) Handbook of Policing. Collumpton: Willen Publisher, S. 311-339.