Nach Robert Agnews General Strain Theory basieren Belastungen (strain) (psychischer Stress) auf drei unterschiedlichen Faktoren:
- Das Scheitern, ein Ziel zu erreichen
- Die Existenz von schädlichen Impulsen und
- Das Entfernen von positiven Impulsen.
Belastungen produzieren negative Emotionen wie z.B. Ärger oder Depressionen, die ohne adäquate Bewältigungsfähigkeiten delinquentes Verhalten fördern
Inhaltsverzeichnis
Hauptvertreter
Theorie
Im Vergleich zu Mertons Ausführungen zur Anomietheorie beinhaltet die General Strain Theorie eine breitere Sichtweise über die Belastungsursachen. Nach Agnew gibt es drei Hauptgründe für deviance-producing strain:
- Das Scheitern, ein Ziel zu erreichen (z.B. gute Noten)
- Das Entfernen von positiven Impulsen (z.B. Tod eines Elternteils, Beziehungsende)
- Die Existenz von schädlichen Impulsen (z.B. Schulprobleme)
Nach Agnew kann „strain“ in allen Bevölkerungsschichten auftreten und stellt kein klassenspezifisches Phänomen dar. Er versucht zu erklären, wie „strain“ zu kriminellen Handlungen führt. Dabei geht er davon aus, dass Belastungen negative Gefühlszustände wie Ärger oder Depressionen nach sich ziehen, die ohne adäquate Bewältigungsfähigkeiten für unterschiedliches delinquentes Verhalten förderlich sind (z.B. Ärger –> gewalttätiges Verhalten, Depressionen –> Einnahme von Drogen usw.).
Als Gründe, warum manche Menschen mit normkonformen und andere Personen mit kriminellen Verhaltensweisen auf die psychische Belastung reagieren, benennt Agnew fehlende Bewältigungsfähigkeiten (wie z.B. Intelligenz, Kreativität, Problemlösungsfähigkeiten, etc.). Weiterführend üben Negativfaktoren wie z.B. ein kriminelles Umfeld oder kriminalitätsfördernde Charakterzüge einen negativen Einfluss auf den Umgang mit Belastungen aus.
Kriminalpolitische Implikation
Agnews kriminalpolitische Forderungen können als vielfältig angesehen werden, da auch seine Theorie mehrere unterschiedliche Ursachenfaktoren aufweist.
Zunächst ist davon auszugehen, dass die General Strain Theory als mit Mertons Überlegungen verwandte Theorie auf gute Sozialpolitik mit der Möglichkeit, seine individuellen (z.B. materiellen) Ziele auch erreichen zu können. Soziale Ungleichheit in der Gesellschaft führt bei den benachteiligten Mitgliedern zu höherem Druck und somit zu einer Erhöhung der Wahrscheinlichkeit, kriminell zu werden.
Zweitens ist aufgrund einer gewissen Annäherung an die Kontroll- und Bindungstheorien auch deren kriminalpolitischen Implikationen bei Agnew zu beachten: Der Verlust positiver Stimuli und das Erfahren negativer Stimuli sind zumeist Veränderungen innerhalb des individuellen sozialen Umfeldes oder können durch jenes zumindest verstärkt oder verhindert werden. Erziehungsmaßnahmen, Stärkung von Familie und Gemeinschaft, sowie andere typische Forderungen der Kontrolltheorien sind damit auch bei Agnew angezeigt.
Schlussendlich lassen die in der Strain Theory angesprochenen Coping-Strategien (Bewältigungsfähigkeiten) eine weitere Form der kriminalpräventiven Vorstellung zu: Da die entscheidenden Faktoren für das Begehen einer kriminellen Handlung letztlich Wut und Frustration sind, muss es Aufgabe von (Re-)Sozialisationsprogrammen sein, alternative Denk- und Verhaltensweisen zu erlernen, die das Aufkommen solcher Emotionen verhindern oder zumindest eindämmen. Als Beispiel wäre hier der so genannte „heiße Stuhl“ aus der Sozialtherapie zu nennen, der den richtigen Umgang mit negativen Emotionen trainieren soll.
Kritische Würdigung /Aktualitätsbezug
Agnew ist es gelungen mit der General Strain Theory, die auf Unterschichtkriminalität beschränkte Anomietheorie zu erweitern und mit anderen Theoriekonzepten wie soziale Kontrolle, soziale Desorganisation und Emotionen zu verbinden. So ergibt sich ein nachvollziehbares Bild von Kriminalitätsentstehung.
Das fast schon multifaktorielle Wesen der Theorie führt jedoch zu der unumgänglichen Frage, was denn letztendlich das Entscheidungskriterium dafür ist, sich aufgrund widriger Umstände abweichend zu verhalten oder aber trotz einer ganzen Reihe an negativen Faktoren im individuellen Umfeld konform zu bleiben.
Agnew schreibt den Bewältigungsfähigkeiten zum Umgang mit psychischen Belastungen eine wichtige Rolle zu. Dennoch unternimmt er keine explizite Beschreibung der Rolle, die diese einnehmen. In welcher Form nehmen sie im Detail Einfluss auf den Umgang mit Belastungen seitens des Individuums?
Zudem kann die Kritik an den Anomie-, Kontroll- und den Theorien der sozialen Desorganisation analog auch bei der General Strain Theory angebracht werden.
Literatur
Primärliteratur
- Agnew, Robert. (1985). A revised strain theory of delinquency. Social forces. 64(1), 151-167.
- Agnew, Robert. (1992). Foundation for a general strain theory of crime and delinquency. Criminology. 30(1), 47-87.
Sekundärliteratur
- Brown, S., Esbensen, F.-A., Geis, G. (2010): Criminology. Explaining Crime and It’s Context. S. 249-251.
- Vito, G./Maahs, J./Holmes, R. (2007): Criminology. Theory, Research, and Policy. S. 157f.
Weiterführende Information
Video
https://www.youtube.com/watch?v=UA-7F1S1DNM
Dr. Robert Agnew’s lecture delivered at Eastern Kentucky University – College of Justice and Safety in 2005 titled „Strain Theory in Criminal Justice“.