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Sozialwissenschaftliche Theorien

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Emotionen

Reintegrative Shaming (Braithwaite)

Shaming bezeichnet jede Form der Reaktion auf deviantes Verhalten, welche Scham beim Devianten hervorruft. Braithwaite geht von zwei verschiedenen Formen des Shaming aus. Desintegrative Shaming wirkt stigmatisierend und aus der Gemeinschaft ausschließend. Es sorgt somit für das Eintreten von sekundärer Devianz und steht somit auf theoretischer Ebene den Ideen der Labelling-Ansätze nahe. Reintegrative Shaming hingegen beinhaltet neben der Missbilligung der Devianz auch Zeichen der Vergebung und der Bereitschaft zur Wiederaufnahme in die Gemeinschaft.

Hauptvertreter

John Braithwaite

Theorie

Aufbauend auf dem Labeling-Ansatz, Kontrolltheorien und kriminalökologischen Theorien erklärt Braithwaite anhand von zwei Formen des Shaming die unterschiedlichen Wirkungsweisen von Strafen. Unter Shaming versteht Braithwaite „all social processes of expressing disapproval which have the intention or effect of invoking remorse in the person being shamed and/or condemnation by others who become aware of the shaming“ (Braithwaite, 1989: 100).

Laut Braithwaite gibt es zwei verschiedene Formen des Shaming:

The crucial distinction is between shaming that is reintegrative and shaming that is disintegrative (stigmatization). Reintegrative shaming means that expressions of community disapproval, which may range from mild rebuke to degradation ceremonies, are followed by gestures of reacceptance into the community of law-abiding citizens. These gestures of reacceptance will vary from a simple smile expressing forgiveness and love to quite formal cere-monies to decertify the offender as deviant. Disintegrative shaming (stigmatization), in contrast, divides the community by creating a class of outcasts.
(Braithwaite, 1989: 55)

Desintegrative Shaming

Desintegratives Shaming: der britische Geistliche Titus Oates am Pranger

Beim desintegrativen Shaming liegt der Fokus nicht nur auf der konkreten Tat, die verübt wurde, sondern auf der Person als Ganzes. Der/die Beschämte wird in seiner/ihrer ganzen Person herabgewürdigt. Die damit einhergehende Stigmatisierung wirkt sich auf die sozialen Interaktionen des/der Beschämten aus. So wird zum Beispiel der Zugang zum Arbeitsmarkt verweigert und andere Maßnahmen werden getroffen, die zur gesellschaftlichen Marginalisierung beitragen. Als Konsequenz sind dem/der Beschämten nun die Möglichkeiten verwehrt, an der Mainstream-Kultur teilzuhaben. Dies führt letztendlich zu der Bildung von subkulturellen Strukturen, in denen sich die so Ausgeschlossenen zusammentun.

Integrative Shaming

Die negativen Folgen, die Bestrafung haben, sind indes nicht unabwendbar. Beim reintegrativen Shaming wird der Akt der Beschämung mit einem Angebot der Wiederaufnahme in die Gemeinschaft kombiniert. Braithwaite geht davon aus, dass diese reintegriende Beschämung insbesondere dann erfolgversprechend sei, wenn Menschen aus dem sozialen Umfeld des Täters an dieser beteiligt sind.

It would seem that sanctions imposed by relatives, friends or a personally relevant collectivity have more effect on criminal behavior than sanctions imposed by a remote legal authority.

(Braithwaite, 1989: 69)

Wie und warum wirkt Shaming?

Braithwaite (1989: 81 ff.) nennt folgende Punkte, die die Wirkungsweise von Shaming erklären:

  1. Abschreckung (Deterrence) wirke stärker aus Furcht vor der Beschämung, als aus Furcht vor der Bestrafung.
  2. Scham fungiere auch als Instrument der negativen Generalprävention, da andere Gesellschaftsmitglieder, welche die Beschämung eines Täters erleben, von diesem Erlebnis abgeschreckt würden, selbst straffällig zu werden.
  3. Sowohl die spezial- als auch generalpräventive Wirkung einer Beschämung habe die stärkste Wirkung bei sozial integrierten Gesellschaftsmitgliedern.
  4. Eine stigmatisierende Form der Bestrafung schwäche hingegen die soziale Kontrolle und stärke den Zusammenhalt der stigmatisierten Straffälligen.
  5. Shame sei ein sozialer Prozess, der die Schädlichkeit bestimmter Handlungen verdeutlicht. Die Wirkung einer Beschämung sei hierbei effektiver als solche, die von abschreckenden Strafen ausgeht.
  6. Reintegrative Shaming habe einen größeren positiven Effekt als eine stigmatisierende Beschämung. Die Buße des Täters und die Vergebung der Gemeinschaft würden das Strafrecht bestärken durch die Symbolkraft einer gemeindeweiten Bewusstseinsbildung.
  7. Scham sei eine partizipative Form der sozialen Kontrolle bei der die Bürger – im Gegensatz zu einer formalen Sanktionierung – am Geschehen beteiligt seien und sowohl zu Instrumente als auch zu Zielen sozialer Kontrolle würden.
  8. Der kulturelle Prozess der Bildung von Scham und Reue führe zu Gewissensbissen. Dieses schlechte Gewissen stelle die effektivste Strafe für die Begehung von Straftaten dar.
  9. Schamgefühle hätten eine doppelte Funktion: sie seien sowohl der der soziale Prozess, der das Gewissen stärkt, als auch die wichtigste Stütze, die genutzt werden muss, wenn das Gewissen nicht zur Konformität beiträgt. Auch die Angst vor einer formalen Sanktionierung sei eine Hemmschwelle, jedoch nicht so effektiv.
  10. Eine wichtige Funktion kommt dem Klatsch und Tratsch über Täter und ihre Taten zu. Klatsch und Tratsch fördere die Bildung eines Gewissens und einer Moral auch außerhalb der sozialen Kreise, in denen sich die Täter bewegen.
  11. Eine weitere wichtige Funktion nimmt die öffentlich Beschämung ein, die – wenn Kinder und Heranwachsende dem Einflussbereich von Familie und Schule entrinnen – die private Beschämung ablöst. Es obläge daher den Gerichten, bei Straftaten, die vorrangig von Erwachsenen begangen werden (wie z.B. Umweltdelikte) für eine öffentliche Beschämung der Täter zu sorgen.
  12. Eine öffentliche Beschämung verallgemeinere vertraute Prinzipien in unbekannte oder neue Zusammenhänge und integriere neue Kategorien von Fehlverhalten in bestehende moralische Konzepte. Public Shaming könne so besipielsweise den Verlust eines Menschenlebens in ein Kriegsverbrechen oder Massaker „verwandeln“.
  13. Kulturen mit starker Betonung auf eine reintegrative Beschämung schafften einen reibungsloseren Übergang zwischen Sozialisationspraktiken in der Familie und Sozialisation in der Gesellschaft im Allgemeinen. Innerhalb der Familie verlagere sich die soziale Kontrolle mit zunehmendem Alter des Kindes von der externen zur internen Kontrolle. In straforientierten Kulturen sei dieser Prozess ins Gegenteil verkehrt. Die interne Kontrolle sei jedoch die effektivere Form der Kriminalitätskontrolle – weshalb Familien auch die effektiveren Kontrollagenten seien als Polizeikräfte.
  14. Eine Beschämung die übermäßig konfrontativ ist, erschwere die gesellschaftliche Wiedereingliederung der Beschämten. Auch ohne Ziele einer direkten Beschämung zu werden, sei es Gesellschaftsmitgliedern bewusst, wenn Sie Gegenstand von Klatsch und Tratsch werden. Hier bedürfe es besonderer Gesten der Akzeptanz um eine Wiedereingliederung zu befördern.
  15. Die Wirksamkeit von Schamgefühlen würde oft dadurch erhöht, dass eine Beschämung nicht nur gegen den einzelnen Täter, sondern auch gegen seine Familie oder – in Fällen von Wirtschaftskriminalität – gegen das Unternehmen gerichtet sei. Das Individuum sei innerhalb dieser kollektiven Bezüge sowohl der Beschämung durch die Gesellschaft, als auch einer stärken informellen Kontrolle durch die Familie/ das Unternehmen ausgesetzt. Eine ablehnende und trotzige Haltung des Individuums gegenüber seinen Kritikern und damit eine stärkere Übernahme der Rolle des Devianten verschlimmere auch die Folgen der Beschämung für die Familie bzw. das Unternehmen, weshalb diese/s das Individuum in der Akzeptanz der ihm teilwerdenden Beschämung bestärken würden.

In einem komplexen Schaubild fasst Braithwaite die Wirkungsweise von Reintegrative Shaming wie auch Stigmatzation zusammen (zum Vergrößern Bild anklicken). Hier wird der hybride CHarakter der Theorie deutlich, die sich bei anderen Kriminalitätstheorien bedient. In der linken, oberen Ecke findet sich der Bezug zu Kontrolltheorien. Rechts daneben wird der Bezug zu Theorien der sozialen Desorganisation verdeutlicht. In der rechten, unteren Bildhälfte skizziert Braithwaite die Folgen einer Kriminalisierung aus er Perspektive von Labelling-Ansätzen (mit Verweis auf Anomie- und Subkulturtheorien). In der linken, unteren Bildhälfte legt Braithwaite im Gegensatz dazu die Folgen (oder eben: folgenlosen Konsequenzen) einer re-integrierenden Beschämung dar.

Schaubild: Zusammenfassung der Theorie des reintegrative shaming (eigene Darstellung nach: Braithwaite, 1989: 99)
Schaubild: Zusammenfassung der Theorie des reintegrative shaming (eigene Darstellung nach: Braithwaite, 1989: 99)

Kriminalpolitische Implikationen

Braithwaites Theorie kann als Antwort auf eine just deserts Philosophie verstanden werden, also eine Kriminalpolitik, die sich vornehmlich am vergeltenden Charakter von Strafe und an der negativen Generalprävention orientiert. Mit Beginn der 1970er Jahre ist in den USA (aber auch in anderen Ländern) ein Wandel in der Strafpolitik zu beachten. Ein rehabilitatives Ideal bei dem die Wiedereingliederung des Straftäters in die Gesellschaft oberste Priorität hat, tritt zunehmend in den Hintergrund. An seine Stelle tritt das just desert Paradigma („Jeder bekommt, was er verdient.“), das als eine Art der Vergeltung verstanden werden kann. Nach dieser Doktrin soll die Strafe der Schwere des Verbrechens – gemessen am zugefügten Schaden und Schwere der Schuld des Täters – angepasst und standardisiert werden. Sogenannte „sentencing commissions“ haben für viele US-amerikanische Bundesstaaten Leitfäden für Strafrichter erarbeitet, deren Ermessensspielraum bei der Strafzumessung stark eingeschränkt wurde (vgl. hierzu: Sebba, 2014).

Braithwaites Restorative-Justice-Ansatz ist als eine deutliche Kritik dieser Entwicklung zu verstehen und als sein Entwurf einer Restorative Justice.

Literatur

  • Braithwaite, John (1989). Crime, Shame and Reintegration. Cambridge u.a.: Cambridge University Press. [Volltext]
  • Sebba, Leslie (2014). Penal Paradigms: Past and Present. In: G. Bruinsma & D. Weisburd (Hrsg.) Encyclopedia of Criminology and Criminal Justice. New York: Springer Reference, S.  3481-3490.

Weiterführende Informationen

  • Christie, Nils (1977). Conflicts as Property. British Journal of Criminology 17 (1), 1-15.

Video/ Podcast

  • John Braithwaite über Restorative Justice

Eine Zusammenstellung der verschiedenen Theorien auf die sich Restorative Justice beruft, findet sich hier: http://www.unafei.or.jp/english/pdf/RS_No63/No63_10VE_Braithwaite2.pdf

Kategorie: Kriminalitätstheorien Tags: Australien, Beschämung, Emotionen, Kontrolle, Labeling, Mikro, pönologisch, Pranger, Reintegrative Shaming, Restorative Justice, Sanktionierung, Soziologie, Subkultur

Defiance Theory (Sherman)

Nach der Defiance Theory (eng. Trotz-Theorie) können von einer Strafe drei verschiedene Wirkungsweisen ausgehen.

  1. Strafe kann abschreckend wirken und damit den gewünschten Erfolg haben.
  2. Strafe kann wirkungslos sein, also keinen Einfluss auf das weitere Begehen von Straftaten haben.
  3. Strafe kann eine Trotzreaktion hervorrufen. Damit wirkt Strafe verstärkend auf deviantes Verhalten.

Welche der Reaktionen eine Strafe hervorruft, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Faktoren, welche Trotz wahrscheinlicher machen, sind empfundene Ungerechtigkeit, Anzweifeln der Legitimität der Strafenden, verletzter Stolz und mangelnde soziale Bindung zu den Strafenden.

Hauptvertreter

Lawrence W. Sherman

Theorie

Shermans Defiance-Theorie ist keine Labeling-Theorie im eigentlichen Sinne. Was sie mit den Labeling Theorien jedoch gemein hat ist, dass sie die paradoxe Wirkung zu erklären versucht, welche Strafe haben kann. Im Gegensatz zu Labeling Theorien konzentriert Sherman sich nicht ausschließlich auf die negativen Folgen von Strafe. Er geht davon aus, dass Strafe manchmal abschreckend  und manchmal verstärkend auf die Begehung weiterer Straftaten wirkt.
Strafe kann nach Sherman drei verschiedene Wirkungsformen haben:

  1. Strafe kann abschreckend wirken und damit den gewünschten Erfolg haben. (Deterrence)
  2. Strafe kann wirkungslos sein, also keinen Einfluss auf das weitere Begehen von Straftaten haben. (Irrelevance)
  3. Strafe kann eine Trotzreaktion hervorrufen. Damit wirkt Strafe verstärkend auf deviantes Verhalten. (Defiance)

Die Defiance-Theorie zielt darauf ab, die Gesetzmäßigkeiten aufzudecken, nach denen die verschiedenen Wirkungsweisen eintreten. Dazu gehören für Sherman aus empirischen Untersuchungen gefundene Zusammenhänge wie zum Beispiel:

  • dass sich ein Zusammenhang zwischen Persönlichkeitstyp und Wirkungsweise von Strafe feststellen lässt,
  • dass Strafe bei arbeitenden Männern besser wirkt als bei arbeitslosen,
  • oder dass sie besser bei älteren wirkt als bei jüngeren Menschen.

Sherman versteht seine Theorie als eine ‚General Theory of Crime‘, verwendet diesen Begriff jedoch anders als Gottfredson und Hirschi. Sherman erhebt keinen Anspruch darauf, dass seine Theorie alleine Devianz erklären könnte. Allerdings geht er davon aus, dass sie auf jede Form der Devianz anwendbar ist.

Erfolgt Trotz als Reaktion auf Strafe kann dies zur Begehung weiterer und schwererer Taten führen, wobei  sich zukünftige Taten gegen die sanktionierende Gruppe richten und durch eine stolze, schamlose Reaktion auf Bestrafung zu erklären sind. Defiance ist also ein Zustand des wütenden Stolzes.

Defiance wird durch folgende Faktoren hervorgerufen:

  • Eine Sanktion wird als ungerecht empfunden.
  • Die Art der Bestrafung wird als ungerecht empfunden. Dies kann passieren, wenn die Strafe als willkürlich, diskriminierend oder exzessiv wahrgenommen wird, oder der Täter/die Täterin keinen Respekt für den Bestrafenden empfindet.
  • Der Täter/die Täterin ist nicht in die Gemeinschaft integriert.
  • Wenn Bindungen an die Gemeinschaft und insbesondere an die sanktionierenden Instanzen schwach sind, sinkt auch die Bereitwilligkeit, die Sanktionen anzuerkennen. (An dieser Stelle deckt sich Shermans Theorie mit der von Reintegrative Shaming Theory Braithwaites.
  • Die Strafe wirkt stigmatisierend.
  • Wenn der Täter das Gefühl hat, in seiner ganzen Person abgelehnt zu werden.
  • Scham wird nicht anerkannt.
  • Wenn Schwäche in den Bestrafenden wahrgenommen wird oder aus anderen Gründen der Scham, der normalerweise durch die Sanktion hervorgerufen wird, abgelehnt wird.

Kritische Würdigung

Shermans Trotztheorie ist ausgesprochen gut integriert. Dies heißt, dass sie die Erkenntnisse anderer Theorien beachtet und Elemente von verschiedenen anderen Theorien beinhaltet. Insbesondere ist sie eine Weiterführung von John Braithwaites Theorie des Reintegrative Shaming.

Sherman selbst hat seine eigene Theorie 1993 ausgiebig kritisiert, verfeinert und ausgebaut. Er ging dabei besonders darauf ein, dass Defiance zu einer Wechselwirkung zwischen Polizei und Tätern führen kann. Polizeibeamte, Richter und andere sanktionierende Akteure reagieren selber härter, wenn sie Trotz bei ihrem Gegenüber wahrnehmen. Wirkt jemand einsichtig und respektvoll, wird ihm eher Milde entgegengebracht, als wenn jemand die Strafe offensichtlich ablehnt. Dieselben Prozesse finden bei der Urteilsgebung in Gerichten statt. Eine Richterin wird eine härtere Strafe verhängen wenn sie einen Angeklagten als uneinsichtig wahrnimmt. Jemand der wahrnimmt, dass er härtere Strafen erhält, als andere Personen die dieselbe Tat begangen haben, wird diese Strafe wiederum eher als ungerecht empfinden, was zu weiterem Trotz führt. So kann ein Teufelskreislauf entstehen.

Sherman kritisierte an seiner ursprünglichen Theorie auch, dass der Begriff ‚Defiance‘ mit zwei unterschiedlichen Bedeutungen genutzt wird. Einerseits steht er für die Emotion des verletzten Stolzes, aus dem heraus weitere Taten begangen werden. Andererseits wird er aber auch für die Taten selbst benutzt. Dies impliziert, dass immer, wenn die Emotion ‚Defiance‘ auftritt, auch weitere Straftaten folgen.

Kriminalpolitische Impikationen

Sherman and Braithwaite: Restorative Justice

Sherman und Braitwaites Erkenntnis, dass Sanktionen sowohl hemmend als auch verstärkend auf kriminelles Verhalten wirken kann, hat eindeutige Implikationen auf die Ausgestaltung eines ‚idealen‘ Justizsystems.
Sherman und Braithwaite sind beide Verfechter von ‚Restorative Justice‘. Damit sind Formen der alternativen Konfliktlösung gemeint, die besser auf die Bedürfnisse der einzelnen Beteiligten eingehen als klassische Strafverfahren. ‚Restorative Justice‘ möchte mehr als nur einseitig eine Strafe für ein Fehlvergehen verhängen. Stattdessen soll ein Heilungsprozess zustande kommen, in denen die Bedürfnisse aller Beteiligten Gehör finden. Zudem legt ‚Restorative Justice‘ besonderen Wert auf Respekt und Kommunikation zwischen allen Beteiligten, so dass Stigmatisierung oder disintegrative shaming vermieden werden können. An dessen Stelle soll eine Kommunikation aller Beteiligter treten, in der sowohl Täter als auch Opfer die Chance haben, sich zu erklären.

Aber auch innerhalb der klassischen Justizsysteme geben Braithwaites und Shermans Theorien vielfältige Anhaltspunkte wie der Umgang mit (möglichen) Tätern effektiver gestaltet werden kann. Dazu ist es vor allem wichtig, dass Willkür, Demütigung und Stigmatisierung, z.B. von Seiten der Polizei oder der Gerichte, vermieden werden.

Literatur

Primärliteratur

  • Sherman, Lawrence H. (1993) Deviance, Deterrence and Irrelevance: A Theory of Criminal Sanctions. In: Journal of Research in Crime and Delinquency, 30(4), S. 445-473.

Sekundärliteratur

  • Lawrence W. Sherman, Denise Gottfredson, Doris MacKenzie, John Eck, Peter Reuter, and Shawn Bushway: Preventing Crime: What works, what doesn’t, what’s promising

Weiterführende Informationen

  • „Restorative Justice Online“: Bietet eine Vielzahl von Material über Theorien der Restorative Justive sowie Beispiele des praktischen Einsatzes: http://www.restorativejustice.org/
  • Eine Übersicht der verschiedenen Methoden der Restorative Justice: http://www.transformingconflict.org/Restorative_Approaches_and_Practices.htm
  • Artikel über John Braithwaite: http://www.realjustice.org/articles.html?articleId=534

Kategorie: Kriminalitätstheorien Tags: Braithwaite, Defiance Theory, Emotionen, Kontrolle, Labeling, Mikro/Makro, pönologisch, Sanktionierung, Soziologie, Strafe, Trotz, USA

Seductions of Crime (Katz)

Die zentrale These von Seductions of Crime lautet, dass situationsspezifische emotionale und sinnliche Eindrücke bei der Begehung von Straftaten eine große Rolle spielen. Es handelt sich nicht um ein komplettes Theoriegebäude, vielmehr werden jene sinnlichen Erfahrungen und Gefühlszustände des Täters herausgearbeitet, die bei verschiedenen Formen von Kriminalität − von gelegentlichem Ladendiebstahl bis zu kaltblütigem Raubmord − zum Tragen kommen.

Hauptvertreter

Jack Katz

Theorie

Statt Kriminalität auf Hintergrundfaktoren wie z.B. niedrigen sozioökonomischen Status zurückzuführen, lenkt der US-amerikanische Soziologe Jack Katz den Fokus auf die positiven Reize von Straftaten bzw. das „Erlebnis“ Kriminalität aus Sicht des Täters, also auf die Emotionen und Sinneseindrücke, die zur Tat führen oder während der Tat entstehen.

Herkömmliche Kategorisierungen von Verbrechen folgen eher den Anforderungen der Strafverfolgung, als danach zu fragen, wie die Tat von demjenigen erlebt wird, der sie begeht. Katz nimmt in „Seductions of Crime“ (1988) eine (Neu-) Ordnung von „kriminellen Projekten“ anhand der Gefühlszustände vor, die jeweils ausschlaggebend sind:

Righteous Slaughter
Der Begriff „Righteous Slaughter“ beschreibt die Motivation hinter impulsiven Tötungsdelikten, die (scheinbar paradoxerweise) deshalb begangen werden, weil aus Sicht des Täters das spätere Opfer grundlegende, unangreifbare Werte verletzt. Der Täter fühlt sich vom Opfer herausgefordert, gedemütigt und hat das Gefühl, dass elementarste soziale Gebote − etwa der Respekt vor fremdem Eigentum oder die Pflicht zu ehelicher Treue − auf dem Spiel stehen. „Banale“ Alltagskonflikte wie eine von einem fremden Autofahrer blockierte Hauseinfahrt oder ein Streit zwischen Eheleuten können im Täter ein starkes Gefühl der Erniedrigung auslösen, das sich in Wut verwandelt. Das Opfer wird im Namen der von ihm verletzten Werte und zur Verteidigung „des Guten“ (in defense of the eternal Good) attackiert, ja geradezu sanktioniert, körperlich markiert bzw. „geopfert“ (sacrificial violence), wobei die Tötung selbst gar kein unmittelbares Ziel sein muss. Das Delikt entsteht spontan aus der Situation heraus, der Täter handelt gefühlsbestimmt, ist nicht durch strenge Strafen abzuschrecken und unternimmt meist keinen ernsthaften Versuch zu fliehen.

Sneaky Thrills
Zu den „Sneaky Thrills“ zählen Eigentumsdelikte wie gelegentlicher Ladendiebstahl, Vandalismus oder Joyriding, die typischerweise von Jugendlichen (Diebstahl insbesondere von Frauen) begangen werden.
Im Gegensatz zu professionellem Diebstahl, bei dem die entwendeten Güter am Schwarzmarkt weiterverkauft werden, ist Gelegenheitsklau ein in allen Schichten verbreitetes Phänomen und nicht auf simplen Bereicherungswillen oder materielle Not zurückzuführen. Ladendiebstahl und der damit verbundene Nervenkitzel üben eine spezielle Faszination aus, er wird in einer spielerischen Laune (playful spirit) begangen. Diebstahl ist eine emotionale Achterbahnfahrt: die Herausforderung, sich trotz aller Aufgeregtheit möglichst „normal“ und unauffällig zu verhalten, die Angst erwischt zu werden und schließlich die Euphorie, es geschafft und alle erfolgreich getäuscht zu haben.
Ein zentrales emotionales Moment ist das zur Tat „Verführtwerden“: Das Produkt entwickelt ein Eigenleben, es übt einen besonderen Reiz aus und sticht auf unerklärbare Weise aus der Masse der Waren hervor, lockt einen („take me“), es entsteht eine Komplizenschaft zwischen dem Dieb und der Ware. Die Gelegenheit scheint sich auf magische Weise anzubieten: „Es wäre so leicht!“.
Für diese spielerische bzw. sexuelle Metapher spricht auch, dass gelegentlicher Diebstahl nicht zur Annahme einer kriminellen Identität führt. Wird durch Aufdeckung der Ernst der Situation verdeutlicht, stellen die Ertappten das kriminelle Verhalten in der Regel ein.

Ways of the Badass

Street Elites

Doing Stickup (Raub als erlerntes Verhalten)

Cold-blooded senseless murder

 

 

Kriminalpolitische Implikationen

 

Kritische Würdigung / Aktualitätsbezug

Jack Katz kritisiert, dass in der Kriminologie das Erklärungspotential von psychologischen, sozialen und ökonomischen Hintergrundfaktoren überschätzt wird. Viele Personen, die in die konventionellen Risikokategorien fallen, werden nie kriminell. Andere, auf die die entsprechenden Umstände nicht zutreffen, werden es dennoch. Auch bei prädisponierten Personen ist unklar, was genau den Ausschlag dafür gibt, dass sie sich die meiste Zeit über konform verhalten, bevor es einen Moment später zu einer kriminellen Handlung kommt.
Die Hintergrundvariablen sind also unzureichend, um die tatsächliche Motivation zur Begehung einer Tat zu erklären.
So grenzt sich Jack Katz auch explizit von der Anomietheorie Robert K. Mertons ab, die für ihn höchstens professionelle Eigentumskriminalität von Erwachsenen zu erklären vermag. Und selbst in diesem Teilbereich sei laut Katz die Erreichung materiellen Reichtums nicht das einzige Handlungsmotiv der Täter.
Der Ansatz von Jack Katz kann auch als Kontrapunkt zum Rational Choice Paradigma aufgefasst werden, das das Individuum als ökonomisch rational handelnden Akteur begreift, der sein Handeln an pragmatischen Kosten-Nutzen-Kalkulationen orientiert.

Literatur

Primärliteratur

  • Jack Katz (1988): Seductions of crime : moral and sensual attractions in doing evil. New York: Basic Books.

Sekundärliteratur

  • Robert H. Frank (05.03.1989): Why Do Criminals Do It? SEDUCTIONS OF CRIME. Moral and Sensual Attractions in Doing Evil by Jack Katz. Los Angeles Times
    http://articles.latimes.com/1989-03-05/books/bk-86_1_jack-katz [Volltext]

Kategorie: Kriminalitätstheorien Tags: 1988, Emotionen, Mikro, Seductions of Crime, Situation, Subkultur, USA

Edgework (Lyng)

Edgework ist ein sozialpsychologisches Konzept, das freiwillig unternommene, risikobehaftete Handlungen (voluntary risk taking) als zeitweiligen Ausbruch aus gesellschaftlichen Bezügen und Suche nach mentalen und/ oder körperlichen Grenzerfahrungen versteht.

Hauptvertreter

Stephen Lyng

Theorie

Edgework ist keine Kriminalitätstheorie im eigentlichen Sinne. Es handelt sich hierbei vielmehr um ein Konzept der Soziologie des Risikos, das Anfang der 1990er Jahre vom amerikanischen Soziologen Stephen Lyng entwickelt wurde. Lyng versteht unter Edgework das Suchen und/oder Erleben von physischen oder psychischen Grenzerfahrungen.

Der Begriff „Edgework“ geht zurück auf den Schriftsteller und Journalisten Hunter S. Thompson. In seinem 1966 erschienen Buch Hell’s Angels: The Strange and Terrible Saga of the Outlaw Motorcycle Gangs beschreibt er das Leben der Mitglieder der Motorradgang als Grenzerfahrung:

But with the throttle screwed on there is only the barest margin, and no room at all for mistakes. It has to be done right … and that’s when the strange music starts, when you stretch your luck so far that fear becomes exhilaration and vibrates along your arms … until the next dark stretch and another few seconds on the edge … The Edge … the edge is still Out There. Or maybe it’s In. The association of motorcycles with LSD is no accident of publicity. They are both means to an end, to the place of definitions.
(Thompson, 1967, S. 345; zitiert nach Ferrell: The Only Possible Adventure: Edgework and Anarchy. In: Lyng, 2005, S. 76)

In der theoretischen Fundierung seines Edgework-Konzeptes bezieht sich Lyng auf Arbeiten von Karl Marx (u.a.: The German Ideology, 1932) und George Herbert Mead (Mind, Self, and Society, 1934). Die Marx-Mead Synthese dient der Rückführung des individuell erlebten Risikoverhaltens auf eine makrotheoretische Erklärungsebene. Demnach sind die risikobehafteten Handlungen als Ausbruch aus einer von Rationalen und Beschränkungen auferlegenden Verpflichtungen zu verstehen. Edgework als vornehmlich in der Freizeit vollzogene Aktivität („play“ i.S.v. Mead) ist ein kompensatorischer Gegenpol zum (fremdbestimmten) von Bürokratie und wirtschaftlichen Zwängen durchdrungenem Alltag.

Base Jumper beim Sprung
By Xof711 – Own work, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=4153510

Kriminalpolitische Implikationen

Kritische Würdigung/ Aktualitätsbezug

Literatur

Primärliteratur

  • Stephen Lyng (1990): Edgework: A Social Psychological Analysis of Voluntary Risk Taking. American Journal of Sociology 95(4): 851-886.
  • Stephen Lyng (ed.) (2005): Edgework: the sociology of risk taking. Routledge. New York.

Weiterführende Informationen

  • Nachdruck des Zeitschriftenartikels „The Motorcycle Gangs“ von Hunter S. Thompson, erschienen in The Nation (1965)
  • Bilder, Videos und Zitate zu Hunter S. Thompsons Hell’s Angels: The Strange and Terrible Saga of the Outlaw Motorcycle Gangs (1966)
  • Offizielle Seite des Bridge Day Base Jump Events

Kategorie: Kriminalitätstheorien Tags: 1990, Anomie, Edgework, Emotionen, Lernen, Mikro/Makro, Situation, Soziologie, Subkultur, USA

Cultural Criminology

Die Cultural Criminology ist keine Kriminalitätstheorie im engeren Sinne. Es handelt sich hierbei vielmehr um eine im angelsächsischen Sprachraum entstandene Theorieströmung, die in Anlehnung an die Cultural Studies und an Kritische Krimnalitätstheorien Devianz und Phänomene der Kriminalitätskontrolle als einen interaktionistischen, symbolvermittelten Prozess begreift und diesen mit Rückgriff auf vorrangig ethnologische Forschungsmethoden analysiert..

Hauptvertreter

Jeff Ferrell, Mike Presdee, Keith Hayward, Jock Young

Theorie

Cultural Criminology untersucht und beschreibt Kriminalität und Formen der Kriminalitätskontrolle als kulturelle Erzeugnisse. Kriminalität und Akteure der Kriminalitätskontrolle werden als kreative Konstrukte begriffen, die Ausdruck in symbolvermittelten kulturellen Praktiken finden. Mitglieder von Subkulturen, Kontrollagenten, Politiker, staatliche und private Sicherheitskräfte, Medienproduzenten wie -rezipienten, Wirtschaftsunternehmen und weitere gesellschaftliche Akteure schreiben diesen kulturellen Praktiken Bedeutungen zu, die zur sinnstiftenden und rechtfertigenden Grundlage des eigenen Tuns werden. Die Cultural Criminology sieht ihre Aufgabe in der Analyse dieses nicht endende Prozesses des Deutens, Re-Interpretierens und De-Konstruierens. Die Cultural Criminology versteht sich dabei nicht als Kriminalitätstheorie im engeren Sinne, sondern vielmehr als Paradigma oder perspektivischer Zugang zu Phänomenen der Kriminalität und Kriminalisierung unter besonderer Beachtung von Bildern, Symbolen, Darstellungen und Selbstinszenierungen.
Analog zum Anspruch der Cultural Studies, die wechselseitigen, symbolvermittelten Beziehungen zwischen Akteuren aufzuzeigen und zu analysieren, verortet sich die Cultural Criminology als qualitativ orientierte Sozialwissenschaft, die auf die Methoden der Ethnographie und Text- und Inhaltsanalyse zurückgreift.
Aus dem oben skizzierten Selbstverständnis der Cultural Criminology ergeben sich vier große thematische Schwerpunkte (vgl. Ferrell, 1995):

  1. Kriminalität als Kultur
    Deviante Subkultur sind gekennzeichnet durch ein System von Symbolen (Slangausdrücke, Erscheinung, Style – „stylized presentation of self“ (Ferrell, 1999). Die Zugehörigkeit zu einer Subkultur bedingt die Fähigkeit, dieses System an kollektiven Codes und Praktiken mit konstruieren und dekonstruieren zu können. Die symbolvermittelte Kommunikation findet zudem häufig außerhalb von face-to-face Interaktionen statt (z.B. Hacker, Graffiti-Sprüher, Drogenkuriere etc.).
  2. Kultur als Kriminalität
    Dieses Themenfeld beinhaltet die Kriminalisierung von Kulturprodukten und den Kunstschaffenden. Im Mittelpunkt der Analyse steht hierbei zum Einen die Unterscheidung zwischen der sog. Hochkultur (also Kulturformen, die vorrangig bei herrschenden Gesellschaftsschichten Anklang finden) und in Abgrenzung die Populärkultur. Eine Kriminalisierung von Kulturprodukten und -formen betrifft überwiegend die Populärkultur. Es gibt jedoch vereinzelte Beispiele, bei denen eine Kriminalisierung auch Kunstprodukte der sog. Hochkultur betreffen (z.B. Fotografien von Robert Mapplethorpe und Jock Sturges werden als pornographisch gebrandmarkt). Zum Anderen sind von dieser Stigmatisierung und Kriminalisierung überwiegend Kunstschaffende betroffen, die gesellschaftlichen Minoritäten oder Subkulturen angehören (z.B. Punkmusiker, farbige Rapmusiker, schwul-lesbische Künstler usw.).
  3. Mediale Konstruktion von Kriminalität und Kriminalitätskontrolle
    Als dritter großer Themenschwerpunkt widmet sich die Cultural Criminology ferner der Analyse von wechselseitigen Wirkungsmechanismen von Medien und dem Justizsystem.

    Anknüpfend an die Arbeiten von Howard S. Becker zur „Moral Entrepreneurship“ (1963) und Albert Cohen (1972/1980) zu seinem Konzept der Moral Panics und der Konstruktion von Folk Devils wird die Medienberichterstattung über Kriminalitätsphänomene analysiert. Vor allem das wechselseitige Abhängigkeitsverhältnis von Medien und Strafverfolgungsorganen steht hierbei im Mittelpunkt. Während sich die Medien auf Aussagen und Daten stützen, die von Polizei und Gerichten zur Verfügung gestellt werden, transportieren die aus diesen Informationen resultierenden Medienberichte die gelieferte (erwünschte) Lesart. Zudem spielt dieses Abhängigkeitsverhältnis eine Rolle in Bezug auf das sog. „agenda setting“ – also diese Festlegung, welchen Kriminalitätsphänomenen ein Nachrichtenwert zugebilligt wird und – ebenso relevant – welchen Phänomenen und Ereignissen keine mediale Aufmerksamkeit geschenkt wird. Als ein letzter Aspekt in diesem Themenschwerpunkt, dem die Cultural Criminology gezielt Beachtung schenkt, ist schließlich noch die mediale Konstruktion von Kriminalität als Unterhaltungsprodukt anzuführen.

  4. Politische Dimension von Kultur, Kriminalität und Cultural Criminology
    Als viertes großes Themenfeld widmet sich die Cultural Criminology der Analyse der Machtbeziehungen, in denen Medien, soziale Kontrolle sowie Kultur und Kriminalität stehen:

    • Deviante Subkulturen werden zum Gegenstand stattlicher Überwachung und Kontrolle oder aber unterliegen einem Prozess der Kommodifizierung und werden zum Gegenstand der hegemonialen Kultur.
    • In „cultural wars“ streiten alternativer Kunstbetrieb und etablierte Kunstschaffende über den ästhetischen Wert der Werke, erklären alternative Kunst zu Verbrechen und gehen gegen die Kunstschaffenden vor. Die Zensur von politisch motivierter(n) Kunst(-schaffenden) stellt den Extremfall dieser Auseinandersetzungen über die hegemoniale Deutung von Ästhetik dar.
    • Massenmedien gelingt durch eine Fokussierung oder aber Ausblenden bestimmter Themen eine Fokussierung auf Verbrechen und Formen der sozialen Kontrolle. In einer Allianz mit dem staatlichen System der Verbrechenskontrolle werden Themenfelder trivialisiert oder dramatisiert und somit ein gewünschter Diskurs/ politische Agenda gestützt.
    • Die Fernsehlandschaft konstruiert in Realtity-Shows, Gerichtsdokus und Krimiserien „hundreds of tiny theatres of punishment“ (nach Focault in Cohen 1979: 339), in denen ethnische Minoritäten, Anhänger jugendlicher Subkulturen, Schwule und Lesben die Bösewichte spielen, denen die gerechte Strafe zukommt.
    • Cultural Criminolgy macht die subkulturellen Gegenbewegungen zum Thema, an denen sich gesellschaftliche Kritik und Widerstand zeigt und die ihrerseits wiederum Gegenstand von Gegenbewegungen sind (Widerstand als Gegenbewegung zur hegemonialen Kultur aber auch als thrill-seeking activity).

Schlüsselbegriffe

Pleasures of the body (Carneval in Rio)
„Pleasures of the body“ (hier: Karneval in Rio) By krishna naudin – Unidos da Tijuca, CC BY-SA 2.0, Link

Transgression/ Carneval of Crime/ Edgework
In nahezu allen Gesellschaften findet man ritualisierte und im unterschiedlichen Maße institutionalisierte Formen des Exzesses. Vom im Alten Ägypten begangenen Fest des Osiris, zum griechischen Fest zu Ehren des Dionysus, zu Feierlichkeiten im alten Rom zu Ehren der Gottheiten Kalends und Saturnalia bis hin zum noch heute begangenen Karnevalszeit (deren direkte Ursprünge bis ins Mittelalter zurückreichen) ist allen diesen Festivitäten gemein, dass ein institutionalisierter Freiraum geschaffen wird. Während dieser festgelegten Zeitspanne sind sonst geltende Normen und Herrschaftsbeziehungen aufgehoben: Klassenunterschiede, Geschlechterunterschiede und die soziale Ordnung wird auf den Kopf gestellt (Narr wird zum König, Laien predigen als Bischöfe, die Frauen stürmen das Rathaus und übernehmen die Regierung etc.). Sämtliche irrationalen, sinnlosen und ordinären Verhaltensweisen sind legitim und die Beteiligten müssen keine Sanktionen fürchten.

Die Zeit des Karnevals ist eine Zeit der Entgrenzung, Ekstase und des Exzesses, die der dominanten Haltung der Begrenzung und Vernunft gegenübersteht. Die Autoren der Cultural Criminology argumentieren, dass diese ritualisierten Zeiten der Entgrenzung in modernen Gesellschaften an Bedeutung und Kraft verloren haben und allenfalls noch als kommodifizierte Bestätigung der herrschenden Ordnung dienen können.

Stattdessen haben postmoderne Gesellschaften eine Reihe von kulturellen Praktiken und Aktivitäten hervorgebracht, denen ein karnevalesker Charakter anhaftet (Satireveranstaltungen im Fernsehen, body modification, S&M Praktiken, Raves, Konsum von weichen Drogen/ Partydrogen, Gangrituale, Festivals, Extremsportarten, z.T auch politische Demonstrationen, Joyrides (Reclaim your streets)- Aktivitäten sind nicht originär karnevalesk aber beinhalten Elemente des performativen Vergnügung und opponieren der herrschenden Haltung nach Vernunft und Nüchternheit.

Verstehende Soziologie/ Kriminologie
Der Begriff der verstehenden Soziologie/ Kriminologie geht zurück auf den deutschen Soziologen Max Weber. Im Mittelpunkt der verstehenden (oder auch: interpretativen) Soziologie/ Kriminologie steht das soziale Handeln. Soziales Handeln ist konstitutiv für gesellschaftliche Entwicklung. Im Mittelpunkt der Betrachtung stehen die handelnden Akteure und ihre jeweiligen Sinnkonstruktionen, die ihren Handlungen zugrunde liegen. Aufgabe der verstehenden oder interpretativen Soziologie/ Kriminologie besteht in der Analyse dieser subjektiven Sinnkonstruktionen und ihrer Dekonstruktion unter Einbezug der sozialen und historischen Rahmenbedingungen.

§1. Soziologie (im hier verstandenem Sinn dieses sehr vieldeutig gebrauchten Wortes) soll heißen: eine Wissenschaft, welche soziales Handeln deutend verstehen und dadurch in seinem Ablauf und seine Wirkungen ursächlich erklären will. „Handeln“ soll dabei ein menschliches Verhalten (einerlei ob äußeres oder innerliches Tun, Unterlassen oder Dulden) heißen, wenn und insofern als der oder die Handelnden mit ihm einen subjektiven Sinn verbinden. „Soziales“ Handeln aber soll ein solches Handeln heißen, welches seinem von dem oder den Handelnden gemeinten Sinn nach auf das Verhalten anderer bezogen wird und daran in seinem Ablauf orientiert ist. (Weber, 1920, Wirtschaft und Gesellschaft)

Style
Der Begriff Style verweist auf die soziologische Theorientradition des symbolischen Interaktionismus‘ (George H. Mead). Nach dem Symbolischen Interaktionismus sind Interaktionen geprägt von Symbolen, die sich vor allem in sozialen Objekten, Beziehungen und Situationen äußern. Die Symbole haben keinerlei Bedeutung an sich. Erst in der Interaktion verständigen sich gesellschaftliche Akteure durch Sprache, Gestik, Mimik über die Interpretation und Bedeutungszuweisung der Symbole. Die Bedeutung eines Symbols bzw. die Deutung der Sinnstruktur dieses Symbols ist gleichbedeutend mit einer Übernahme von Werten und Motiven, die mit der gesellschaftlich vorherrschenden Sinnstruktur eines Symbols einhergeht. Sowohl die Bedeutungsverleihung (also Konstruktion von Symbolen) als auch die Wahrnehmung und Entschlüsselung (also Dekonstruktion) von Symbolen wird im Laufe der Sozialisation eines Gesellschaftsmitgliedes erlernt.

Männer in Zootsuits
Ein Soldat inspziert Männer in „Zoot Suits“ am Rande eines Konzertes des Woody Herman’s Orchestra (Washington, D.C., 1942)

„Style“ im Sinne der Cultural Criminology ließe sich als Ansammlung von Symbolen und ihrer jeweiligen Bedeutungszuschreibung umschreiben. Vor allem (jugendliche) Subkulturen, sind durch ein komplexes System von Symbolen und derer geteilter Sinnzuschreibung gekennzeichnet. Style ist damit weit mehr als eine ästhetische Kategorie. Die Zugehörigkeit zur Subkultur bedingt vielmehr die Kenntnis über die Bedeutung des jeweiligen Symbols und die damit auch Fähigkeit, dieses Symbol gemäß der innerhalb der Subkultur zugeschriebenen Bedeutung zu entschlüsseln (z.B. das „Lesen“ von Graffiti, aber z.B. auch die Bedeutung von bestimmten Sport- und Trainingsjacken als ein Erkennungszeichen für eine Gangmitgliedschaft). Die Konstruktion und Bedeutungsverleihung von Symbolen innerhalb einer Subkultur geschieht häufig in bewusster Abkehr der üblichen, hegemonialen Zuschreibung (z.B. die übergroßen Anzüge der „Zoot Suiter“, siehe Abbildung) und verweist auf die soziale Lage der Subkulturmitglieder und deren Einstellungen bezüglich gesellschaftlich mehrheitlich geteilte Normen- und Wertesysteme.

 

Kriminalpolitische Implikationen

Mit der expliziten Bezugnahme auf die sog. Birmingham School of Cultural Studies und die Tradition der (britischen) Kritischen Kriminologie („New Criminology“) und nicht zuletzt auf die interaktionistische (amerikanische) Soziologie verorten sich die Autoren der Cultural Criminology in einem linken politischen Spektrum. In Übereinstimmung mit Vertretern der Labeling-Theorie, marxistischer und feministischer Kriminalitätstheorien (siehe: Herrschafts- und Gesellschaftskritik) versteht die Cultural Criminology Kriminalität und Kriminalitätskontrolle als das Ergebnis und Folge von Zuschreibungsprozessen. Aus dieser Analyse folgt als kriminalpolitische Implikation vor allem die Abkehr von der punitiven kriminalpolitischen Wende. Anstatt zunehmend weitere Personen(-gruppen) und Handlungen zu kriminalisieren und (zunehmend härter) zu bestrafen, werben die Autoren der Cultural Criminology für ein Verständnis für gesellschaftlich marginaliserte Gruppen und für ein Mehr an sozialer Gerechtigkeit.

Kritische Würdigung/ Aktualitätsbezug

Programm zu vage, keine Methode, Fokussierung auf Individuen – unzureichende Integration mit Marxistischen/ kapitalismuskritischen Theorien

Literatur

Primärliteratur

  • Ferrell, Jeff; Hayward, Keith J; Young, Jock (2008): Cultural criminology. An invitation. 1. publ. Los Angeles: SAGE.
  • Ferrell, Jeff (2007) Cultural Criminology. In: Ritzer, George (ed). Blackwell Encyclopedia of Sociology. Blackwell Publishing. Blackwell Reference Online.
  • Ferrell, Jeff (2004): Cultural criminology unleashed. London: GlassHouse.
  • Presdee, Mike (2001): Cultural criminology and the carnival of crime. Reprint. London: Routledge.
  • Jeff Ferrell (1999) Cultural Criminology, Annual Review of Sociology, Vol. 25, pp. 395-418
  • Ferrell, Jeff; Sanders Clinton R. (1995): Cultural criminology. Boston: Northeastern Univ. Press.
  • Ferrell, Jeff (1995): Culture,Crime, and Cultural Criminology. Journal of Criminal Justice and Popular Culture, 3(2), S. 25-42. [Volltext]

Sekundärliteratur

  • Hayward, Keith J (2010): Framing crime. Cultural criminology and the image. New York: Routledge-Cavendish.
  • Einen hervorragenden Einblick in die vielfältigen Themen der Cultural Criminology gewährt auch die Zeitschrift Crime, Media and Culture: an international Journal. Thousand Oaks, Calif. : Sage
  • Eine Kritik am Programm der Cultural Criminology findet sich bei: Andrea Kretschmann (2008) Working Paper Nr. 8: Conduct or Construct Ourselves? ‚Cultural Criminology‘ und ‚Governmentality‘ im Vergleich, Institut für Rechts- und Kriminalsoziologie, Wien.

Weiterführende Informationen

Die an der University of Kent unterhaltene Webseite CulturalCriminology.org enthält zahlreiche Verweise auf kulturkriminologisch relevante Publikationen, Filme, Konferenzen und Internetseiten

Podcasts

  • 45-minütiger Mitschnitt eines Vortrages von Keith Hayward zum Thema Cultural Criminology: An invitation
  • Vortrag von Jeff Ferrell zum Thema „Dumpster Diving“: Happiness is a warm Dumpster

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Kategorie: Kriminalitätstheorien Tags: 1995, Anomie, Cultural Criminology, Emotionen, Feminismus, Großbritannien, Labeling, Mikro/Makro, Sanktionierung, Situation, Soziologie, Subkultur, USA

Control Balance Theory (Tittle)

Nach der Control Balance Theorie wird sowohl die Wahrscheinlichkeit mit der abweichendes Verhalten auftritt als auch die charakteristische Form der Abweichung bestimmt durch das Verhältnis der Kontrolle, der ein Mensch ausgesetzt ist, zur Kontrolle, die er selbst ausübt.

Hauptvertreter

Charles R. Tittle

Theorie

Ihren Ausgangspunkt hat die Control Balance Theory in der Observation, dass andere Kontrolltheorien lediglich Formen der Kontrolle berücksichtigen, die von außen auf ein Individuum wirken. Charles Tittles Control Balance Theory betont hingegen, dass jeder Mensch nicht nur passiv einer Kontrolle ausgesetzt ist, sondern auch Kontrolle auf andere ausübt. Hierbei ist bedeutend, in welchem Verhältnis die aktiv ausgeübte zur selbst erfahrenen Kontrolle zueinander stehen. Dieses Verhältnis beschreibt Tittle als ‚Control Ratio‘. Dieses „Kontrollverhältnis“ kann entweder ausgeglichen oder unausgeglichen sein. Die Art des Ungleichgewichts wirkt sich für Tittle auf die spezifische Ausprägung der Devianz, die sie verursacht, aus. Er unterscheidet zwischen drei Zuständen:

  1. Befinden sich die erfahrene und die ausgeübte Kontrolle im Gleichgewicht, besteht „Control Balance“. In diesem Zustand ist deviantes Verhalten unwahrscheinlich.
  2. Übt jemand mehr Kontrolle aus als er oder sie erfährt, besteht ein Kontroll-Überschuss („Control Surplus“). In diesem Zustand neigen Individuen zu autonomen Formen der Kriminalität. Damit sind Taten eher indirekter Natur gemeint. Es besteht wenig direkte Konfrontationen mit dem Opfer.
  3. Erfährt ein Individuum mehr Kontrolle als er oder sie ausübt, besteht ein Kontroll-Defizit.Es treten repressive Formen der Devianz auf. Diese sind durch direkte Konfrontationen mit dem Opfer gekennzeichnet.

Tittle geht davon aus, dass jeder Mensch nach dem größtmöglichen Maß an Autonomie strebt – also das Kontrollverhältnis zu seinen Gunsten beeinflussen möchte. Ein Ungleichgewicht in der Control Ratio erzeugt daher eine Prädisposition zu deviantem Verhalten. Besteht ein Kontroll-Defizit, wird versucht, dieses durch deviantes Verhalten auszugleichen. Besteht hingegen ein Kontroll-Überschuss besteht die Versuchung, dieses noch weiter auszudehnen.

Eine Prädisposition zum devianten Verhalten alleine reicht jedoch nicht aus, damit dieses Verhalten auch auftritt.

Zwei Voraussetzungen müssen erfüllt werden, damit aus der Prädisposition eine Motivation zur Devianz entsteht:

  1. Ein Individuum muss das Kontroll-Defizit oder den Kontroll-Überschuss wahrnehmen und erkennen, dass sich die eigene Control Ratio durch ein bestimmtes deviantes Verhalten beeinflussen lässt. Das abweichende Verhalten muss also als geeignet angesehen werden, um das Defizit zu verkleinern oder den Überschuss noch weiter auszubauen.
  2. Das Individuum muss eine negative Emotion, insbesondere Demütigung, erfahren. Diese wird als Provokation wahrgenommen, welche wiederum Devianz rechtfertigt.

Deviantes Verhalten tritt dann auf, wenn sich für ein motiviertes Individuum eine Handlungsgelegenheit bietet und hemmende Faktoren (Constraints) überwunden werden können. Solche Hemmungen können moralische Überzeugungen, Selbstkontrolle oder Angst vor Bestrafung sein.

Tittle knüpft sehr spezifische Formen der Kriminalität an verschiedene Stufen der Control-Ratio, die in der folgenden Tabelle dargestellt sind.

Kontroll-Defizit
(repressive Devianz)
Kontroll-Balance Kontroll-Überschuss
(autonome Devianz)
stark mittel leicht leicht mittel stark
Art der Devianz „Submission“

Sexuelle Unterwerfung, als Form der Unterdrückung anderer

„Defiance“

Ungehorsam gegen Autoritäten, Streiks

„Predation“

z.B. Diebstahl, Überfälle, Vergewaltigung

keine „exploitation“

z.B. gezielte Einflussnahme auf Politiker, Auftragsmorde, Preisabsprachen

„plunder“

z.B. Umweltverschmutzung durch Ölfirmen, willkürliche Besteuerung von Abhängigen

„Decadence“

Folter für sexuelle Befriedigung, sadistische Demütigung anderer

Tittle integriert diverse andere Theorien in seine Control Balance Theorie. Er nimmt insbesondere Anleihen an Agnews ‚Strain-Theory‘ und Gottfredson und Hirschis ‚General Theory of Crime‘.

Kritische Würdigung und Aktualitätsbezug

Ein großer Vorteil, aber gleichzeitig eine Schwachstelle der Control Balance Theory ist ihre Komplexität. Im Gegensatz zu den meisten anderen Theorien ist sie in der Lage, viele unterschiedliche Formen der Kriminalität zu erklären. Dies liegt unter anderem daran, dass sie andere Theorien integriert und somit einen Rahmen bietet, in dem die verschieden Wirkungsfaktoren im Verhältnis zueinander gesehen werden können.

Ein Problem der Control Balance Theory ist, dass sie durch ihre Komplexität sehr schwer zu evaluieren ist. Kritisiert werden kann auch Tittles Fokus auf Autonomie als treibende Motivation von Menschen. Er berücksichtigt dabei nicht, dass Menschen auch andere Triebe und Bedürfnisse haben.

Kriminalpolitische Implikationen

Nach Tittle wirkt sich (soziale) Kontrolle nur dann hemmend auf deviantes Verhalten aus, wenn sie ein gesundes Mittelmaß findet. Es sollten also einerseits gesellschaftliche Strukturen angestrebt werden, in denen soziale Kontrolle und Selbstkontrolle im Sinne von Hirschis Bindungstheorie und Gottfredson und Hirschis General Theory of Crime entwickelt werden kann. Dies würde bedeuten, dass die klassischen Institutionen (unter anderem Familie, Schule) soweit gefördert werden müssen, dass sie effektiv Kontrolle auf das Individuum ausüben können. Andererseits impliziert die Theorie jedoch auch, dass diese Kontrolle begrenzt sein muss. Unterdrückung und steile Hierarchien, die Macht sehr ungleich verteilen, sind also zu vermeiden.

Der Control Balance Theory nach reicht es also nicht, nur bestimmte Zielgruppen anzusprechen. Die Lebensrealität von Menschen muss insgesamt so gestaltet werden können, dass möglichst wenige Kontroll-Defizite und Kontroll-Überschüsse entstehen.

 

Literatur

  • Charles Tittle (1995): Control Balance: Toward a General Theory of Deviance. Boulder, Colorada: Westview Press.

Weiterführende Informationen

  • John Braithwaite: „Charles Tittle’s Control Balance and Criminological Theory. Theoretical Criminology, 1(1), 1997, 77-97.
  • Wood, Peter B.; Dunaway, R. Gregory: An Application of Control Balance Theory to Incarcerated Sex Offenders. Journal of the Oklahoma Criminal Justice Research Consortium, Volume 4, August 1997/1998.

Kategorie: Kriminalitätstheorien Tags: 1995, ätiologisch, Control Balance Theory, Emotionen, Kontrolle, Mikro/Makro, Soziologie, USA

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