Kurzdefinition
Zuschreibung und gesellschaftliche Fixierung negativer Merkmale an Einzelpersonen oder Gruppen, die zu sozialer Abwertung und Ausschluss führen.
Ausführliche Erklärung
Der Begriff Stigmatisierung beschreibt den sozialen Prozess, bei dem Individuen oder Gruppen aufgrund bestimmter Merkmale (z. B. Herkunft, Verhalten, Aussehen, Krankheiten oder Straffälligkeit) negativ etikettiert und aus dem gesellschaftlichen Normalitätsrahmen ausgegrenzt werden. Diese Merkmale gelten als „abweichend“ oder „minderwertig“ – unabhängig von ihrer tatsächlichen Relevanz.
Das Stigma wirkt wie ein gesellschaftliches Etikett: Es überlagert die übrigen Eigenschaften der betroffenen Person und reduziert sie auf ein einziges Merkmal, das sozial abgewertet wird. Die Konsequenzen reichen von Vorurteilen über soziale Distanz bis hin zu Diskriminierung, institutioneller Benachteiligung und Ausschluss.
Theoriebezug
Das Konzept wurde grundlegend von Erving Goffman in seinem Werk Stigma: Über Techniken der Bewältigung beschädigter Identität (1963) analysiert. Goffman unterscheidet zwischen „sichtbaren“ und „verdeckten“ Stigmata und beschreibt, wie Betroffene damit umgehen – etwa durch Offenlegung, Verbergen oder Umdeutung. Im Rahmen des Labeling Approach (Etikettierungsansatz) – etwa bei Howard S. Becker – wird Stigmatisierung als Ergebnis gesellschaftlicher Definitionsmacht verstanden: Abweichung entsteht nicht durch das Verhalten selbst, sondern durch dessen Interpretation als „abweichend“ durch autorisierte Instanzen (z. B. Polizei, Justiz, Medien).