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Exklusion

20. Dezember 2017 | zuletzt aktualisiert am 4. April 2025 von Christian Wickert

Soziale ExklusionDer Ausschluss von Individuen oder Gruppen aus zentralen gesellschaftlichen Bereichen. beschreibt Prozesse der Ausgrenzung von Individuen oder Gruppen aus zentralen Bereichen gesellschaftlicher Teilhabe. Sie kann ökonomische, kulturelle, politische und soziale Dimensionen annehmen und betrifft etwa Zugang zu Bildung, Arbeit, Wohnraum oder sozialer Anerkennung. In modernen Gesellschaften ist soziale Teilhabe ein zentrales Prinzip – Exklusion stellt dieses Prinzip grundlegend infrage. In Zeiten zunehmender Globalisierung, digitaler Transformation und sozialer Polarisierung rückt das Phänomen verstärkt in den Fokus der soziologischen Forschung.

Inhaltsverzeichnis

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  • Begriffsklärung: Was ist soziale Exklusion?
  • Theoretische Ansätze zur sozialen Exklusion
    • Martin Kronauer: Mehrdimensionale Exklusion
    • Zygmunt Bauman: Exklusion als Kehrseite der flüchtigen Moderne
    • Elias & Scotson: Etablierte und Außenseiter
  • Soziologische Perspektiven auf Kohäsion und Exklusion im Vergleich
  • Ursachen und Mechanismen sozialer Exklusion
    • Strukturelle Ursachen
    • Institutionelle Mechanismen
    • Symbolische Ausschlüsse
  • Folgen sozialer Exklusion
    • Das „neue Prekariat“
    • Polizeiliche Relevanz
  • Maßnahmen zur Inklusion
    • Staatliche Strategien
    • Zivilgesellschaftliche und lokale Ansätze
    • Praxisbeispiel: Integrierte Quartiersentwicklung
    • Herausforderungen und Grenzen
    • Soziologische Perspektive
  • Aktuelle Herausforderungen
  • Fazit
  • Literatur und weiterführende Informationen
  • Beiträge zum Thema

Begriffsklärung: Was ist soziale Exklusion?

Soziale Exklusion:
Soziale Exklusion bezeichnet Prozesse der Ausgrenzung von Individuen oder Gruppen aus zentralen Bereichen gesellschaftlicher Teilhabe – etwa dem Arbeitsmarkt, Bildungssystem, politischer Mitbestimmung oder sozialem Leben. Sie äußert sich nicht nur in materieller Benachteiligung, sondern auch in symbolischer Abwertung, Isolation und dem Verlust gesellschaftlicher Anerkennung. Exklusion ist ein relationales Phänomen: Wer ausgeschlossen wird, markiert zugleich die Grenzen des Dazugehörens.

Definition von Exklusion in der Soziologie

Exklusion bezeichnet allgemein dauerhafte Benachteiligungen von bestimmten sozialen Gruppen, häufig hervorgerufen durch oder verbunden mit ausgeprägter Bildungs-, Einkommens- und Vermögensungleichheit (Armut) – wobei hier eine Reihe von spezifischen Exklusionskonzepten formuliert wurde (Kronauer, 2002).

(Greve, 2016, S. 146)

Theoretische Ansätze zur sozialen Exklusion

Martin Kronauer: Mehrdimensionale Exklusion

Der Soziologe Martin Kronauer hat den Begriff der sozialen Exklusion im deutschsprachigen Raum maßgeblich geprägt. In seinem Werk Exklusion. Die Gefährdung des Sozialen im hoch entwickelten Kapitalismus (2002) betont er, dass Exklusion nicht eindimensional – etwa als reine ArmutArmut beschreibt den Mangel an materiellen, sozialen und kulturellen Ressourcen, die notwendig sind, um am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben. – zu verstehen sei. Vielmehr handelt es sich um ein komplexes Zusammenspiel von Teilhabehemmnissen in mehreren gesellschaftlichen Sphären: Arbeitsmarkt, Bildung, Wohnen, Gesundheit, politische Partizipation und kulturelle IntegrationIntegration bezeichnet den Prozess der Eingliederung von Personen oder Gruppen in eine bestehende Gesellschaft, bei dem sowohl Anpassung als auch Teilhabe angestrebt werden..

Kronauer betont, dass soziale Exklusion ein kumulativer Prozess sein kann, in dem sich Benachteiligungen gegenseitig verstärken. Wer beispielsweise keinen Schulabschluss hat, findet schwer Zugang zum Arbeitsmarkt, ist häufiger von Armut betroffen und gesellschaftlich marginalisiert – ein typisches Beispiel für sich verstärkende Exklusionsspiralen.

Zygmunt Bauman: Exklusion als Kehrseite der flüchtigen Moderne

Zygmunt Bauman versteht soziale Exklusion als systemisches Ergebnis der „flüchtigen Moderne“. In einer GesellschaftEine Gesellschaft ist ein strukturiertes Gefüge von Menschen, die innerhalb eines geografischen Raumes unter gemeinsamen politischen, sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen leben und durch institutionalisierte soziale Beziehungen miteinander verbunden sind., die auf Mobilität, Flexibilität und Selbstverantwortung setzt, geraten jene ins Abseits, die nicht mithalten können. Exklusion ist in diesem Kontext keine Abweichung, sondern ein strukturelles Produkt.

Individualisierung ohne Institutionalisierung (Bauman):
Zygmunt Bauman beschreibt mit diesem Begriff die paradoxen Bedingungen der flüchtigen ModerneGesellschaftsform, die sich durch Industrialisierung, Urbanisierung, Rationalisierung und Individualisierung auszeichnet.: Individuen sind zunehmend auf sich selbst gestellt und müssen ihr Leben eigenverantwortlich gestalten – jedoch ohne stabile institutionelle Rahmen, die sie dabei unterstützen.Beispiel:
Junge Erwachsene sollen flexibel, mobil und unternehmerisch denken – etwa bei der Jobsuche in einem globalisierten Arbeitsmarkt. Gleichzeitig fehlen verlässliche Perspektiven, etwa durch befristete Verträge, ausbleibende Sozialleistungen oder mangelnde politische Vertretung. Sie sind gezwungen, sich selbst zu managen – ohne institutionelle Sicherheit im Rücken.

Elias & Scotson: Etablierte und Außenseiter

In ihrer Studie Etablierte und Außenseiter analysieren Norbert Elias und John L. Scotson die Mechanismen von Gruppenausgrenzung. Ihr Fokus liegt auf den Dynamiken sozialer Abwertung: Außenseitergruppen werden durch StigmatisierungZuschreibung und gesellschaftliche Fixierung negativer Merkmale an Einzelpersonen oder Gruppen, die zu sozialer Abwertung und Ausschluss führen., Stereotype und symbolische Machtausübung vom Zugang zu Ressourcen und Anerkennung ausgeschlossen – ein Aspekt, der auch im Kontext von Migration, Armut oder Jugendkulturen relevant bleibt.

Soziologische Perspektiven auf Kohäsion und Exklusion im Vergleich

Wie verschiedene soziologische Theorien soziale Kohäsion ermöglichen und wie sie Exklusion erklären, variiert je nach theoretischer Ausrichtung und historischem Kontext. Die folgende tabellarische Übersicht stellt zentrale Denker:innen und Konzepte nebeneinander, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede im Verständnis von Zusammenhalt und Ausgrenzung sichtbar zu machen. Sie zeigt, dass Exklusion nicht nur als Randphänomen, sondern als integraler Bestandteil gesellschaftlicher Ordnungen verstanden werden kann – von klassischer Klassenanalyse bis zur spätmodernen Individualisierung.

Denker / TheorieKonzept sozialer KohäsionVerständnis von Exklusion
Karl Marx (Klassentheorie)Kohäsion innerhalb der Klassen durch gemeinsames ökonomisches Interesse und Klassenbewusstsein.Exklusion als Folge der Ausbeutung im Kapitalismus: ökonomische Marginalisierung des Proletariats; Ausschluss von Produktionsmitteln und Teilhabe.
Émile Durkheim (funktionale Integration)Kohäsion entsteht durch gemeinsame Werte, Normen und kollektive Rituale; Differenzierung durch organische Solidarität.Exklusion als Störung der sozialen Integration; kann zu Anomie führen.
Norbert Elias & John L. Scotson (Etablierte und Außenseiter)Gruppenkohäsion basiert auf gemeinsamem Habitus und kollektiver Selbstwahrnehmung.Exklusion durch Stigmatisierung, symbolische Macht und soziale Grenzziehungen.
Martin Kronauer (Mehrdimensionale Exklusion)Kohäsion erfordert Teilhabe in mehreren gesellschaftlichen Bereichen (Arbeit, Bildung, Politik).Exklusion als kumulativer Prozess sozialer Benachteiligung; betrifft strukturelle und symbolische Ebenen.
Zygmunt Bauman (Flüchtige Moderne)Kohäsion ist brüchig: Individualisierung ersetzt kollektive Absicherung; Zusammenhalt wird durch Konsumgemeinschaften simuliert.Exklusion als systemisches Produkt moderner Flexibilisierung und Unsicherheit; „verworfenes Leben“.
Pierre Bourdieu (Kapital- und Habitus-Theorie)Kohäsion durch soziale Felder, in denen Individuen über symbolisches, kulturelles und soziales Kapital verfügen.Exklusion als Ausschluss von Kapitalformen; Reproduktion von Ungleichheit über den Habitus und institutionalisierte Klassengrenzen.
Ulrich Beck (Risikogesellschaft)Kohäsion wird durch geteilte Risikobewältigung erzeugt; Individualisierung schafft neue Bindungsformen.Exklusion entsteht durch asymmetrische Risikoexposition und mangelnden Zugang zu Schutzmechanismen.
Judith Butler (Performativität & Anerkennung)Kohäsion durch performative Zugehörigkeit zu normativen Ordnungen; Anerkennung als soziales Band.Exklusion durch Nicht-Anerkennung und Normabweichung; betrifft insbesondere queere und marginalisierte Identitäten.

Die tabellarische Gegenüberstellung macht deutlich: Soziale Kohäsion und Exklusion sind keine feststehenden Gegensätze, sondern spiegeln die jeweiligen gesellschaftlichen Bedingungen und Machtverhältnisse wider. Während klassische Ansätze (z. B. bei Durkheim oder Marx) auf Struktur und Ordnung fokussieren, richten neuere Perspektiven (z. B. bei Bauman oder Bourdieu) den Blick auf Flexibilisierung, Kapitalformen und Anerkennung. Die Vielfalt der Konzepte zeigt, dass Exklusion nicht nur als individuelles Scheitern, sondern als Ausdruck struktureller Ungleichheit und sozialer Dynamiken zu begreifen ist – ein Verständnis, das auch für gesellschaftspolitische und polizeiliche Praxis von hoher Relevanz ist.

Ursachen und Mechanismen sozialer Exklusion

Soziale Exklusion ist ein mehrdimensionales Phänomen. Ihre Ursachen reichen von strukturellen Ungleichheiten über institutionelle Praktiken bis hin zu symbolischen Deutungsmustern. Die nachfolgende Gliederung erläutert zentrale Mechanismen – jeweils ergänzt um ein Beispiel und einen empirischen Hinweis.

Strukturelle Ursachen

Exklusion auf struktureller Ebene beruht auf ungleichen sozialen Ausgangsbedingungen, etwa im Hinblick auf Einkommen, Bildung oder Herkunft. Zentrale Risikofaktoren sind Langzeitarbeitslosigkeit, prekäre Beschäftigung oder niedriger Bildungsstatus.

Beispiel: Menschen ohne Berufsabschluss haben laut Daten des Statistischen Bundesamts ein deutlich höheres Risiko, dauerhaft arbeitslos zu bleiben. Ihre Chancen auf soziale Teilhabe – etwa in Form von Erwerbsarbeit oder politischer Mitsprache – sind damit massiv eingeschränkt.

Empirischer Befund: Die Armuts- und Reichtumsberichte der Bundesregierung zeigen seit Jahren eine stabile KorrelationEin statistischer Zusammenhang zwischen zwei oder mehreren Variablen. zwischen niedrigem Einkommen und eingeschränkter Teilhabe an Bildung, Gesundheit und Kultur. Besonders betroffen sind Alleinerziehende, Menschen mit Migrationsgeschichte und Personen mit niedriger formaler Bildung.

Institutionelle Mechanismen

Auch gesellschaftliche Institutionen – wie Schule, Verwaltung oder Justiz – tragen zur Reproduktion sozialer Exklusion bei. Dies geschieht oft nicht absichtlich, sondern durch implizite Ausschlüsse in Auswahlverfahren, Antragsprozessen oder normativen Erwartungen.

Beispiel: Im deutschen Bildungssystem hängt der Bildungserfolg stärker von der sozialen Herkunft ab als in den meisten OECD-Ländern. Kinder aus nicht-akademischen Haushalten sind seltener auf Gymnasien vertreten und haben geringere Chancen auf ein Studium – trotz vergleichbarer Leistungen.

Empirischer Befund: Die PISA-Studien der OECD zeigen wiederholt, dass der sozioökonomische Hintergrund in Deutschland überdurchschnittlich stark mit den schulischen Leistungen korreliert. Bildung wird so zur institutionellen Selektionsinstanz, die Exklusion eher reproduziert als kompensiert.

Symbolische Ausschlüsse

Auf der symbolischen Ebene wirken kulturelle Deutungsmuster, mediale Diskurse und gesellschaftliche NormenVerhaltensregeln und Erwartungen, die innerhalb einer Gesellschaft oder sozialen Gruppe als verbindlich gelten. exkludierend. Wer von den dominanten Vorstellungen abweicht, wird häufig stigmatisiert, abgewertet oder schlicht ignoriert. Exklusion betrifft häufig Menschen, deren Zugehörigkeit zur „Mehrheitsgesellschaft“ infrage gestellt wird – etwa aufgrund ihrer Herkunft, Religion oder Sprache. Prozesse des „Othering“ verstärken soziale Distanz und nähren gesellschaftliche Exklusionsnarrative.

Beispiel: Wohnungslose oder Menschen mit psychischen Erkrankungen erfahren häufig nicht nur ökonomische Not, sondern auch soziale Abwertung – etwa durch abschätzige Blicke im öffentlichen Raum, geringes Medieninteresse oder institutionelle Distanz im Hilfesystem.

Empirischer Befund: Eine qualitative Studie der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAG W) zeigt, dass viele Betroffene das Gefühl haben, gesellschaftlich „unsichtbar“ zu sein – sie berichten von Isolation, fehlender Ansprache und mangelnder Anerkennung. Diese Erfahrungen verstärken die soziale Entfremdung und führen nicht selten in langfristige Exklusion.

Die Soziologin Eva Illouz spricht in diesem Zusammenhang von einer „emotionalen Ungleichheit“, die nicht primär materiell, sondern relational wirksam ist – etwa durch ungleiche Anerkennung, Bindungsmöglichkeiten oder emotionale Sicherheit. Diese Form sozialer Exklusion analysiert sie in ihrem Werk Gefühle in Zeiten des Kapitalismus (2006) als unterschätzten, aber tiefgreifenden Aspekt moderner Ungleichheit.

Folgen sozialer Exklusion

Soziale Exklusion hat tiefgreifende Auswirkungen – sowohl auf die betroffenen Individuen als auch auf das gesellschaftliche Gefüge insgesamt. Diese Folgen betreffen nicht nur soziale Gerechtigkeit, sondern auch Fragen von Sicherheit, Zusammenhalt und demokratischer Stabilität.

  • Für Individuen: Exkludierte Personen erfahren häufig soziale Isolation, chronische Unsicherheit und einen Verlust an Selbstwertgefühl. Dauerhafte Ausgrenzung kann zu psychischen Erkrankungen, Anomie, Suchtverhalten oder Radikalisierung führen.
  • Für die Gesellschaft: Exklusion unterminiert die soziale Kohäsion und kann zur Herausbildung von Parallelwelten führen. Wenn Teilhabechancen ungleich verteilt sind, leidet das Vertrauen in politische Institutionen, es kommt zu demokratischer Erosion und erhöhter Konfliktanfälligkeit.

Das „neue Prekariat“

Besonders sichtbar wird soziale Exklusion in der Herausbildung eines neuen Prekariats. Damit ist eine soziale Gruppe gemeint, die von unsicheren Arbeitsverhältnissen, befristeten Verträgen, niedrigen Löhnen und fehlender sozialer Absicherung geprägt ist – ohne Aussicht auf Aufstieg oder Anerkennung. Im Unterschied zur klassischen Arbeiterklasse fehlt dem Prekariat ein kollektives Klassenbewusstsein und eine politische Repräsentation. Es lebt in einem Zustand permanenter Unsicherheit, was nicht nur ökonomische Folgen hat, sondern auch kulturelle und psychologische: Entwurzelung, Frustration und gesellschaftliche Abkopplung.

Für die Soziologie, aber auch für politische Akteure und Sicherheitsinstitutionen stellt sich die Frage, wie sich diese „neuen Randlagen“ sozial einhegen lassen – ohne sie zu stigmatisieren oder lediglich zu verwalten.

Polizeiliche Relevanz

Auch für Polizei und Sicherheitsinstitutionen ist soziale Exklusion ein bedeutsames Thema. In sozial deprivierten Quartieren häufen sich mitunter polizeiliche Einsätze, etwa aufgrund von Eigentumsdelikten, Drogenhandel oder Gewalthandlungen. Diese Phänomene sind jedoch weniger Ausdruck individueller KriminalitätKriminalität bezeichnet gesellschaftlich normierte Handlungen, die gegen das Strafgesetz verstoßen. als Folge kumulativer Benachteiligung und institutioneller Marginalisierung.

Zudem besteht die Gefahr, dass polizeiliche Präsenz in exkludierten Milieus als Form repressiver Kontrolle wahrgenommen wird – was Spannungen zwischen Polizei und Bevölkerung verstärken kann. Eine reflexive Polizei muss daher Exklusion nicht nur als sicherheitspolitische Herausforderung, sondern auch als soziales Strukturproblem begreifen und im Sinne einer präventiven, bürgernahen Polizeiarbeit mitdenken.

In der Aus- und Fortbildung, aber auch in der konkreten Einsatzpraxis, gewinnt deshalb die Auseinandersetzung mit Exklusionsprozessen – etwa in Verbindung mit Migration, Jugendgewalt oder Wohnungslosigkeit – zunehmend an Bedeutung. Polizeiliche Strategien, die auf Kooperation, Deeskalation und langfristige Vertrauensbildung setzen, tragen zur sozialen Integration bei und können exklusionsbedingte Eskalationen entschärfen.

Maßnahmen zur Inklusion

Soziale InklusionInklusion bezeichnet das Prinzip der gleichberechtigten Teilhabe aller Menschen an den gesellschaftlichen Prozessen, unabhängig von Herkunft, Geschlecht, Behinderung oder sozialem Status. zielt auf die (Wieder-)Herstellung gleichberechtigter Teilhabe in allen gesellschaftlichen Bereichen – unabhängig von Herkunft, Status, Bildung oder sozialem Kapital. Inklusion ist dabei nicht als bloßes Gegenstück zur Exklusion zu verstehen, sondern als aktiver Prozess, der strukturelle Barrieren abbaut, Anerkennung fördert und gesellschaftliche Diversität als Ressource begreift. Wirksame Inklusionspolitik ist mehrdimensional und berührt unterschiedliche Ebenen des sozialen Lebens.

Das 3-Säulen-Modell der Inklusion:
Inklusion kann als Zusammenspiel von drei zentralen Dimensionen verstanden werden:

  • Zugang: Gleichberechtigter Zugang zu Bildung, Arbeit, Wohnraum, Gesundheitsversorgung und politischer Teilhabe.
  • Partizipation: Aktive Mitwirkung in gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Entscheidungsprozessen.
  • Anerkennung: Soziale Wertschätzung, Sichtbarkeit und Schutz vor Diskriminierung.

Diese drei Säulen bilden gemeinsam die Grundlage für eine inklusive Gesellschaft, die nicht nur formale Gleichheit garantiert, sondern auch soziale Zugehörigkeit ermöglicht.

Die 3 Säulen der Inklusion

Staatliche Strategien

Ein zentraler Hebel inklusiver Politik liegt im Bereich der Arbeitsmarktintegration. Programme zur Qualifizierung, Umschulung und sozialen Beschäftigung (z. B. über Jobcenter oder ESF-finanzierte Maßnahmen) zielen darauf, benachteiligte Gruppen wieder in Erwerbsprozesse einzubinden. Auch ein Ausbau öffentlich geförderter Beschäftigung kann soziale Teilhabe sichern, wo der Markt versagt.

Im Bildungsbereich tragen kompensatorische Maßnahmen wie Frühförderung, Schulsozialarbeit oder gebundene Ganztagsschulen zur Angleichung ungleicher Startchancen bei. Erfolgreiche Inklusionspolitik beginnt nicht selten im Kindergarten.

Wesentlich sind zudem Antidiskriminierungsgesetze und Gleichstellungspolitiken (z. B. AGG, Landesgleichstellungsgesetze), die juristische Instrumente gegen institutionelle Exklusion bereitstellen – etwa in Bildung, Arbeitswelt oder Wohnraumvergabe.

Im Bereich der sozialen Stadtentwicklung fördern Bund, Länder und Kommunen Programme wie „Soziale Stadt“ oder „Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf“, um benachteiligte Quartiere aufzuwerten, Begegnungsräume zu schaffen und soziale Infrastruktur zu stärken.

Zivilgesellschaftliche und lokale Ansätze

Neben staatlichen Maßnahmen leisten zivilgesellschaftliche Organisationen einen zentralen Beitrag zur Inklusion: MigrantEin Migrant ist eine Person, die ihren Lebensmittelpunkt aus wirtschaftlichen, sozialen oder politischen Gründen von einem Staat in einen anderen verlegt – freiwillig oder gezwungen.:innenvereine, Nachbarschaftsinitiativen, Religionsgemeinschaften oder Jugendzentren schaffen konkrete Orte der Begegnung und Selbstermächtigung. Sie bieten Beratung, kulturelle Bildung, politische Teilhabe oder niedrigschwellige Gesundheitsangebote – häufig dort, wo staatliche Institutionen schwer erreichbar sind.

Auch sogenannte Community-basierte Projekte (z. B. Mehrgenerationenhäuser, Quartiersmanagement, Mobile Jugendarbeit) verfolgen einen inklusiven Ansatz: Sie stärken lokale Netzwerke, fördern soziale Beziehungen und helfen, soziale Isolation zu überwinden.

Praxisbeispiel: Integrierte Quartiersentwicklung

Im Berliner Bezirk Neukölln wurde das Quartier „Flughafenstraße“ im Rahmen des Programms „Soziale Stadt“ umfassend aufgewertet. Neben baulichen Maßnahmen entstanden dort neue soziale Einrichtungen, Spielplätze, Sprachcafés und Beratungsstellen. Besonders wirksam war die Einbindung von Bewohner:innen in Entscheidungsprozesse über ein Quartiersmanagement – ein Beispiel für gelebte Inklusion auf lokaler Ebene.

Herausforderungen und Grenzen

Trotz vielfältiger Bemühungen bleibt soziale Inklusion ein anspruchsvolles Ziel. Maßnahmen greifen oft punktuell, sind projektgebunden oder politisch abhängig. Strukturelle Exklusion lässt sich nicht allein durch Programme beseitigen – sie erfordert langfristige Investitionen, institutionelle Reformen und gesellschaftlichen Wandel. Kritisch zu reflektieren ist zudem, inwieweit Inklusionskonzepte selbst normierend wirken können: Wer als „integriert“ gilt, entscheidet nicht selten die Mehrheitsgesellschaft.

Soziologische Perspektive

Aus soziologischer Sicht ist Inklusion nicht nur als politische Aufgabe, sondern als Prozess sozialer Anerkennung (Honneth), der auf Interaktion, Partizipation und wechselseitige Sichtbarkeit beruht. Sie gelingt dann, wenn Menschen sich nicht nur beteiligt, sondern auch respektiert, gehört und gebraucht fühlen. Inklusion ist damit nicht nur ein Ziel, sondern ein sozialer Zustand, der immer wieder neu hergestellt werden muss.

Aktuelle Herausforderungen

Neue Formen der Exklusion entstehen heute im Kontext der Digitalisierung („digital divide“), globaler Krisen (Flucht, Klimawandel) und sich wandelnder Wertemuster. Auch die Corona-Pandemie hat bestehende soziale Ungleichheiten verstärkt und Fragen nach sozialer Teilhabe neu aufgeworfen. In der Soziologie rückt zunehmend die Frage in den Vordergrund, wie moderne Gesellschaften Exklusionsrisiken erkennen, vermeiden und bewältigen können – eine Frage, die angesichts wachsender sozialer Fragmentierung drängender denn je erscheint.

Fazit

Exklusion ist ein zentrales Analyseinstrument zur Beschreibung moderner Gesellschaften – nicht nur als ökonomisches, sondern auch als kulturelles und politisches Phänomen. Ihre Ursachen sind vielfältig, ihre Folgen weitreichend. Die theoretischen Perspektiven von Kronauer, Bauman, Elias und anderen zeigen, dass Ausgrenzung kein Randproblem ist, sondern tief in gesellschaftliche Strukturen eingebettet ist. Eine inklusive Gesellschaft erfordert daher nicht nur Umverteilung, sondern auch Anerkennung, Beteiligung und strukturelle Veränderungen.

Soziale Exklusion ist kein individuelles Versagen, sondern ein strukturelles Problem – und eine Frage der Anerkennung, Sichtbarkeit und Zugehörigkeit.

Literatur und weiterführende Informationen

  • Bauman, Zygmunt (2003): Flüchtige Moderne. Hamburg: Hamburger Edition.
  • Bundesministerium für Arbeit und Soziales (o. J.): Armuts- und Reichtumsbericht. www.armuts-und-reichtumsbericht.de
  • Elias, Norbert / Scotson, John L. (1965): Etablierte und Außenseiter. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.
  • Greve, J. (2016): Interaktion. In: J. Koop & A. Steinbach (Hrsg.): Grundbegriffe der Soziologie (11. Aufl.). Springer VS, S. 143–146.
  • Illouz, Eva (2006): Gefühle in Zeiten des Kapitalismus. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.
  • Klimke, D. (Hrsg.) (2008): Exklusion in der Marktgesellschaft. Wiesbaden: VS Verlag.
  • Kronauer, Martin (2002): Exklusion. Die Gefährdung des Sozialen im hoch entwickelten Kapitalismus. Frankfurt a. M.: Campus Verlag.
  • Mollenkopf, John H. / Castells, Manuel (Hrsg.) (2001): Dual City: Restructuring New York. New York: Russell Sage Foundation.
  • Prisching, Manfred (2006): Soziale Exklusion. In: Kreisky, Eva / Langenohl, Andreas (Hg.): Theorien der Gesellschaft. Wiesbaden: VS Verlag.

Beiträge zum Thema

  • Michel Foucault – Überwachen und Strafen (1975)
  • Max Weber – Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus (1905)Max Weber – Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus (1905)
  • Norbert Elias – Über den Prozeß der Zivilisation (1939)
  • SozialisationSozialisation

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Kategorie: Allgemeine Soziologie Tags: Anerkennung, Bauman, Exklusion, Inklusion, Kronauer, Marginalisierung, Polizeiforschung, Prekariat, Soziale Teilhabe, soziale Ungleichheit

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