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Sie befinden sich hier: Home / Soziologie / Schlüsselwerke der Soziologie / Erving Goffman – Wir alle spielen Theater (1956)

Erving Goffman – Wir alle spielen Theater (1956)

27. März 2025 | zuletzt aktualisiert am 31. März 2025 von Christian Wickert

Mit „Wir alle spielen Theater“ (Originaltitel: The Presentation of Self in Everyday Life) legte der kanadisch-amerikanische Soziologe Erving Goffman 1956 eines der einflussreichsten Werke der modernen Mikrosoziologie vor. Das Buch begründete Goffmans Ruf als Pionier der Interaktionsanalyse und zählt zu den Schlüsselwerken des Symbolischen Interaktionismus. In seiner zentralen These beschreibt Goffman das soziale Leben als eine Art Theaterstück: Menschen treten als „Schauspieler“ auf, die ihr Selbst in sozialen Situationen inszenieren. Diese Perspektive eröffnet ein tiefes Verständnis für die subtilen Regeln, Rituale und Erwartungen, die unser tägliches Miteinander strukturieren – und bleibt angesichts digitaler Selbstdarstellung und „Performance-Kulturen“ hochaktuell.

Inhaltsverzeichnis

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  • Symbolischer Interaktionismus
    • Merkzettel
    • Wir alle spielen Theater nach Erving Goffman
  • Wissenschaftlicher und historischer Kontext
  • Zentrale Fragestellung
  • Grundbegriffe und theoretische Konzeption
    • Dramaturgisches Modell
    • Vorderbühne und Hinterbühne
    • Vorderbühne und Hinterbühne bei Goffman
    • Rolle, Fassade und Impression Management
  • Anwendungsbeispiele und empirische Nähe
    • Goffmans Bühnenmodell im polizeilichen Kontext
  • Bedeutung für die Soziologie heute
  • Fazit
  • Literaturverzeichnis
  • Weiterführende Informationen

Symbolischer Interaktionismus

Goffmans Werk lässt sich dem Symbolischen Interaktionismus zuordnen – einer mikrosoziologischen Theorie, die das soziale Handeln von Individuen im Alltag in den Mittelpunkt stellt. Der Symbolische Interaktionismus geht davon aus, dass soziale Wirklichkeit nicht objektiv gegeben ist, sondern in der Interaktion zwischen Menschen durch Symbole (insbesondere Sprache) konstruiert wird. Menschen handeln nicht einfach reaktiv, sondern auf Grundlage der Bedeutungen, die sie Situationen und Symbolen zuschreiben. Bedeutung entsteht dabei im Prozess der Kommunikation, nicht durch überindividuelle Strukturen.

Im Unterschied zu makrosoziologischen Theorien (z. B. Marx, Durkheim oder Parsons), die sich auf Gesellschaftsstrukturen, Institutionen oder Systemlogiken konzentrieren, analysiert der Symbolische Interaktionismus die alltäglichen Begegnungen, durch die soziale Ordnung hergestellt und reproduziert wird. Auch im Vergleich zur Mesosoziologie (z. B. Organisationstheorien oder Netzwerkanalysen) steht hier das unmittelbare Verhalten im Zentrum.

  • Kernaussage: Soziale Wirklichkeit ist ein Produkt gemeinsamer Deutung und symbolischer Kommunikation.
  • Begründer: George H. Mead, Herbert Blumer (Begriffsprägung), Erving Goffman, Howard S. Becker u. a.
  • Fokus: Alltagshandeln, Rollenverhalten, Identitätsbildung, soziale Situationen

Wichtige Vertreter neben Goffman sind George Herbert Mead, der das Konzept des „self“ als soziales Produkt entwickelte, sowie Herbert Blumer, der den Begriff „Symbolischer Interaktionismus“ prägte. Auch Howard S. Becker (Labeling Approach), Anselm Strauss (Grounded Theory) und Harold Garfinkel (Ethnomethodologie) stehen in enger theoretischer Verbindung zur interaktionistischen Perspektive.

Merkzettel

Wir alle spielen Theater nach Erving Goffman

Hauptvertreter: Erving Goffman (1922–1982)

Erving Goffman

Erstveröffentlichung: 1956

Land: USA / Schottland

Idee/ Annahme: Soziales Leben gleicht einer Theateraufführung. Menschen präsentieren sich in Rollen, um in der Interaktion mit anderen einen bestimmten Eindruck zu erzeugen.

Grundlage für: Symbolischer Interaktionismus, Identitätsforschung, Rollen- und Mikrosoziologie, Kommunikationsforschung, Medienanalyse

Wissenschaftlicher und historischer Kontext

Goffmans Studie entstand ursprünglich als soziologische Dissertation an der University of Edinburgh und wurde 1956 veröffentlicht. Inspiriert von der Chicago School, insbesondere von George H. Mead, entwickelte Goffman eine eigene Methode der teilnehmenden Beobachtung und Alltagsanalyse. Während sich viele Soziologen der Zeit auf großstrukturelle Fragen konzentrierten, wandte sich Goffman der Mikroebene sozialer Interaktionen zu – etwa in Hotels, Krankenhäusern, Behörden oder bei Alltagsbegegnungen.

Später griff Goffman ähnliche Fragestellungen unter neuen Vorzeichen auf – insbesondere in seinem Werk „Asyle“ (1961), in dem er das Konzept der totalen Institution entwickelte. Darunter versteht er Einrichtungen wie Gefängnisse, Psychiatrien oder Kasernen, in denen sämtliche Lebensbereiche der Insassen durch ein geschlossenes Regelsystem bestimmt werden. In solchen Institutionen verschwimmen die Grenzen zwischen öffentlicher und privater Sphäre vollständig – ein Extremfall der sozialen Kontrolle, in dem das Impression Management weitgehend entzogen oder zwangsweise normiert wird.

Zentrale Fragestellung

Goffman fragt: Wie präsentieren sich Menschen in alltäglichen Situationen? Welche Rollen nehmen sie ein – und wie beeinflusst der soziale Kontext diese Darstellung? Er zeigt, dass das Individuum nicht einfach „es selbst“ ist, sondern sich stets im Hinblick auf Erwartungen, Normen und Beobachtungen anderer positioniert. Damit wird Identität zu einer sozialen Leistung, die durch Kommunikation und Deutungsschemata erzeugt wird.

Grundbegriffe und theoretische Konzeption

Dramaturgisches Modell

Goffman verwendet die Metapher des Theaters, um soziale Interaktionen zu beschreiben: Das soziale Leben ist eine Bühne, auf der Individuen auftreten, Rollen spielen und sich an ihr Publikum anpassen. Diese Perspektive erlaubt es, Rollenverhalten, Normverhalten und Statusdynamiken in alltäglichen Situationen zu analysieren.

Vorderbühne und Hinterbühne

Ein zentrales Konzept ist die Unterscheidung zwischen Vorderbühne (öffentliches Verhalten, formale Rolle) und Hinterbühne (Privatheit, Entlastung von Rollenerwartungen). Während wir uns auf der Vorderbühne bewusst inszenieren, ist die Hinterbühne der Ort, an dem wir uns „fallen lassen“ können – zumindest gegenüber ausgewählten Vertrauten.

Vorderbühne und Hinterbühne bei Goffman

Erving Goffman unterscheidet in seinem dramaturgischen Modell zwischen zwei Sphären sozialen Handelns:

  • Vorderbühne: öffentlicher Bereich, in dem Menschen ihre Rollen aktiv inszenieren und soziale Erwartungen erfüllen (z. B. Kundengespräch, Dienstuniform, Smalltalk).
  • Hinterbühne: privater Rückzugsraum, in dem Rollen abgelegt oder vorbereitet werden können (z. B. Pausenraum, Zuhause, privater Chat).

Diese Unterscheidung verdeutlicht, dass das „Selbst“ keine feste Identität ist, sondern eine performative Leistung, die sich je nach sozialem Kontext wandelt. Auch digitale Räume (z. B. soziale Netzwerke) lassen sich als neue Vorderbühnen interpretieren – mit oft schwindender Hinterbühne.

Rolle, Fassade und Impression Management

Die Fassade ist jene Darstellung, die eine bestimmte Rolle verkörpern soll – etwa durch Kleidung, Mimik oder Sprache. Impression Management beschreibt die gezielte Steuerung des Eindrucks, den andere von uns erhalten sollen. Goffman zeigt: Der „wahre Mensch“ tritt nie ungeschützt auf, sondern vermittelt ein kontrolliertes Selbstbild, das auf soziale Erwartungen reagiert.

Anwendungsbeispiele und empirische Nähe

Goffman illustriert seine Theorie mit Beispielen aus Hotellerie, Pflege, Verwaltung oder Alltagskommunikation. Seine Beobachtungen sind nah am gelebten Alltag und bieten ein differenziertes Verständnis für Phänomene wie „Höflichkeitsrituale“, Statusspiele, Rollenbrüche oder peinliche Situationen. Auch in der heutigen Polizei- oder Behördenforschung, in der Analyse von Dienstleistungsinteraktionen und digitalen Selbstdarstellungen ist Goffmans Ansatz äußerst anschlussfähig.

Goffmans Bühnenmodell im polizeilichen Kontext

Eine polizeiliche Personenkontrolle lässt sich beispielhaft anhand von Goffmans dramaturgischem Modell analysieren:

  • Fassade: Die Beamt:innen treten mit professionellem Auftreten, formelhafter Sprache („Allgemeine Personenkontrolle…“) und kontrollierter Körpersprache auf, um Autorität und Sicherheit zu vermitteln.
  • Bühnenbild: Der öffentliche Raum – z. B. ein Bahnhof, eine Straße oder ein Park – dient als Bühne, auf der sich die Interaktion entfaltet. Die räumliche Anordnung beeinflusst die Wahrnehmung durch Außenstehende.
  • Requisiten: Uniform, Dienstmarke, Funkgerät, Kontrollgerät, Bodycam oder Streifenwagen gehören zur Standardausstattung, die Funktionalität und Autorität zugleich kommuniziert.
  • Team/Ensemble: Polizeikräfte agieren in der Regel koordiniert als Team. Rollenverteilung, Kommunikation und gegenseitige Absicherung folgen einem eingeübten Muster, das reibungslose Interaktionen ermöglichen soll.

Die Szene ist nicht bloß Funktion, sondern auch Inszenierung – eingebettet in normative Erwartungen und soziale Rollen. Auch die kontrollierte Person nimmt (bewusst oder unbewusst) eine Rolle ein, die das Geschehen mitprägt.

Bedeutung für die Soziologie heute

In Zeiten digitaler Kommunikation, Social Media und Selbstvermarktung hat Goffmans Werk neue Relevanz gewonnen. Die digitale Vorderbühne verlangt nach ständiger Performanz, während die Hinterbühne schrumpft. Ob Influencer, Bewerbungsgespräch oder Tinder-Profil – die Logik der Inszenierung durchzieht zunehmend alle Lebensbereiche. Auch Debatten um Authentizität, Rollendistanz oder soziale Normverletzung lassen sich mit Goffmans Kategorien präzise erfassen.

Fazit

Mit Wir alle spielen Theater liefert Erving Goffman eine präzise und einflussreiche Analyse sozialer Interaktion als Inszenierung. Seine Einsicht, dass Identität nicht gegeben, sondern in der Begegnung mit anderen hervorgebracht wird, hat das Verständnis von Rolle und Selbst grundlegend verändert. Der dramaturgische Ansatz bleibt ein zentrales Werkzeug zur Untersuchung von Alltagsverhalten, normativer Erwartung und Selbstdarstellung – auch im digitalen Zeitalter.

Gleichzeitig wurde kritisiert, dass der Blick auf die Mikroebene strukturelle Machtverhältnisse, historische Kontexte und soziale Ungleichheiten ausblendet. Das Bild vom sozial Handelnden erscheint mitunter übermäßig strategisch und anpassungsorientiert – als würde das Selbst vor allem aus dem Bedürfnis nach Anerkennung und sozialer Kontrolle hervorgehen.

Trotz solcher Einwände bleibt Goffmans Werk ein Schlüsseltext der interpretativen Soziologie – analytisch scharfsinnig, empirisch nah und theoretisch inspirierend.

Literaturverzeichnis

  • Goffman, E. (1956). The Presentation of Self in Everyday Life. Edinburgh: University of Edinburgh Social Sciences Research Centre.
  • Blumer, H. (1969). Symbolic Interactionism: Perspective and Method. Englewood Cliffs: Prentice-Hall.
  • Mead, G. H. (1934). Mind, Self, and Society. Chicago: University of Chicago Press.

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