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Sie befinden sich hier: Home / Kriminologie / Schlüsselwerke der Kriminologie / Mike Presdee – Cultural Criminology and the Carnival of Crime (2000)

Mike Presdee – Cultural Criminology and the Carnival of Crime (2000)

2. Juni 2025 | zuletzt aktualisiert am 2. Juni 2025 von Christian Wickert

Mit seinem Werk Cultural Criminology and the Carnival of Crime (2000) begründet Mike Presdee eine radikale Perspektive innerhalb der Cultural Criminology. Angelehnt an Mikhail Bachtins Karnevalstheorie interpretiert Presdee Kriminalität nicht nur als Regelverstoß, sondern als kulturellen Ausdruck – als subversives Ritual, symbolischen Protest und Form des Widerstands gegen soziale Kontrolle. Mike Presdee, der zunächst als Sozialarbeiter und später als Soziologe tätig war, bringt in diese Perspektive eine akademische wie praxisnahe Erfahrung ein. Kriminalität wird zur Bühne, auf der Herrschaft, Moral und Disziplin herausgefordert werden.

Inhaltsverzeichnis

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  • Die Karnevalisierung des Verbrechens
  • Emotion, Devianz und Alltagsrituale
  • Theoriebezüge und Anschlussfähigkeit
  • Merkzettel
    • Mike Presdee – Cultural Criminology and the Carnival of Crime
  • Kritik und Rezeption
  • Aktualität
    • Beispiel 1: Rave als Umkehr der Arbeitswelt
    • Beispiel 2: Ultras und Stadionrituale als Karneval der Devianz
    • Beispiel: Karnevalisierung von Protest
  • Literatur und weiterführende Informationen
    • Nachruf auf Mike Presdee

Die Karnevalisierung des Verbrechens

Presdee versteht den „Karneval des Verbrechens“ als Gegenwelt zur normierten Alltagskultur. Analog zum mittelalterlichen Karneval bei Bachtin durchbrechen deviante Handlungen die symbolische Ordnung der Gesellschaft: Verkehrte Rollen, enthemmte Körper, Spott und Provokation sind Ausdruck einer ästhetischen Rebellion gegen Autorität, Gesetz und soziale Disziplinierung.

Kriminalität – insbesondere Vandalismus, Pyrotechnik, nächtliches Graffiti, Jugendgewalt oder Subkulturpraktiken – wird damit zur expressiven Praxis. Diese folgt nicht allein ökonomischen oder rationalen Motiven, sondern einem kulturellen Begehren nach Bedeutung, Ermächtigung und Sichtbarkeit. Der Karneval des Verbrechens ist das Rückzugsfeld derjenigen, denen öffentliche Stimme und kulturelle Repräsentation versagt bleiben.

Emotion, Devianz und Alltagsrituale

Presdee positioniert sich bewusst gegen rationalistische Kriminalitätstheorien. Statt utilitaristischer Logik rückt er Affekte, Atmosphären und symbolische Bedeutung ins Zentrum. Devianz wird als Teil der alltäglichen Kultur verstanden – eingebettet in Rituale des Widerstands, der Lust und der sozialen Grenzüberschreitung.

Insbesondere Jugendliche nutzen deviante Praktiken, um sich Freiräume jenseits normativer Zwänge zu schaffen. Diese Formen des Ausdrucks sind häufig temporär, flüchtig und riskant – aber gerade darin liegt ihr subversives Potenzial. Diese Praktiken machen deutlich, dass Kriminalität auch Ausdruck eines kulturellen Bedürfnisses sein kann.

Ein verwandter Ansatz findet sich bei Jack Katz, der in The Seductions of Crime (1988) ebenfalls die emotionalen und ästhetischen Dimensionen kriminellen Handelns betont. Katz beschreibt Devianz als lustbetonte, oft rauschhafte Aktivität – nicht nur als Reaktion auf Ungleichheit oder Kontrolle, sondern als eigenständige kulturelle Praxis, die moralische Gefühle wie Demütigung, Wut oder Triumph performativ aufgreift. Presdees Karnevalisierung von Kriminalität greift diese Idee auf und erweitert sie um den kollektiv-rituellen Charakter kultureller Regelübertretung.

Theoriebezüge und Anschlussfähigkeit

Presdee greift auf Mikhail Bachtin (Karneval, Groteske), auf Stanley Cohen (moral panic) und auf symbolischen Interaktionismus zurück. Gleichzeitig öffnet er die Cultural Criminology für emotionssoziologische und kulturtheoretische Zugänge. Seine Arbeit prägte maßgeblich spätere Analysen von Protestbewegungen, Polizeikritik, Musiksubkulturen oder digitaler Devianz.

Merkzettel

Mike Presdee – Cultural Criminology and the Carnival of Crime

Portrait: Mike Presdee, Autor von Carnival of Crime
Hauptvertreter: Mike Presdee (1944–2009)
Erstveröffentlichung: 2000
Land: Großbritannien
Idee/Annahme: Kriminalität ist ein symbolischer Akt kultureller Selbstbehauptung – als Widerstand gegen normative Ordnung, sichtbar in ritualisierten, expressiven Formen der Devianz.
Grundlage für: Cultural Criminology, emotionssoziologische Kriminalitätsforschung, Protestanalyse
Verwandte Theorien: Stanley Cohen, Goffman, Hayward, Bakhtin

Kritik und Rezeption

Presdees Ansatz wurde gefeiert als provokanter Gegenentwurf zur funktionalistischen und instrumentellen Kriminologie. Kritisch angemerkt wurde allerdings, dass seine Perspektive normative und juristische Gefahren von Gewalt und Devianz unterbelichte – insbesondere, wenn es um Täter-Opfer-Dynamiken geht. Auch die empathische Nähe zu Subkulturen birgt die Gefahr romantisierender Verklärung.

Trotzdem ist Presdees Werk stilprägend für die Cultural Criminology geblieben – vor allem im angelsächsischen Raum, aber zunehmend auch in Deutschland, etwa im Kontext von Protest, Graffiti oder urbaner Polizeikritik.

Aktualität

Ob in nächtlichen Ausschreitungen, in Stadion-Choreografien, beim Graffiti-Writing oder in digitalen Subversionen – der Karneval des Verbrechens findet bis heute statt. Presdees Perspektive erlaubt es, diese Phänomene nicht nur als Rechtsbrüche, sondern als kulturelle Ausdrucksformen zu verstehen. Sie zeigt: Devianz ist immer auch ein Spiegel gesellschaftlicher Ordnung.

Beispiel 1: Rave als Umkehr der Arbeitswelt

Presdee beschreibt, wie Jugendliche in den 1990er Jahren illegale Raves in leerstehenden Fabrikhallen veranstalteten – gerade dort, wo zuvor gearbeitet wurde. Diese Räume der Produktivität werden zur Bühne nächtlicher Ekstase, Lärm ersetzt Leistung, Körper entziehen sich der Disziplin.

Der zeitliche und räumliche Bruch mit der Arbeitswelt ist karnevalesk: gefeiert wird nicht am Wochenende oder im Feierabend, sondern in den Nachtstunden, wenn die Gesellschaft ruht. Der deviante Akt wird zur symbolischen Umkehrung von Ordnung und Zweckmäßigkeit – eine kulturelle Wiederaneignung des Raums durch Verstoß gegen dessen ursprüngliche Logik.

Beispiel 2: Ultras und Stadionrituale als Karneval der Devianz

Auch die Ultrakultur im Fußball kann als karnevaleske Form der Devianz verstanden werden. Fan-Choreografien, Pyrotechnik, Provokationen gegen Polizei oder Verbände folgen einer eigenen Ästhetik des Widerstands. Die Stadionkurve wird zur Bühne für symbolische Machtumkehr: Statt staatlich kontrollierter Ordnung herrschen hier selbstgesetzte Regeln, Rituale und Zugehörigkeit.

Durch den gezielten Regelverstoß – z. B. das Zünden von Bengalos trotz Verbots – inszenieren sich Ultras nicht primär als Täter, sondern als kulturelle Akteure, die sich gegen kommerzialisierte Fußballwelten und staatliche Kontrolle behaupten. Auch hier wird deviante Praxis zur Ausdrucksform kollektiver Identität.

Beispiel: Karnevalisierung von Protest

Protestbewegungen wie Extinction Rebellion, Occupy oder Reclaim the Streets bedienen sich bewusst der karnevalesken Ästhetik: Masken, Musik, Tanz, Verkleidung. Diese Inszenierung bricht mit der Norm des disziplinierten Protests und erzeugt genau jene Irritation, die Presdee als subversive Kraft des „crime as carnival“ beschreibt.

Literatur und weiterführende Informationen

  • Presdee, M. (2000). Cultural Criminology and the Carnival of Crime: Contemporary Imaginations of Crime, Deviance and Control. London: Routledge.
  • Bakhtin, M. (1968). Rabelais and His World. Cambridge, MA: MIT Press.
  • Cohen, S. (1972). Folk Devils and Moral Panics. London: MacGibbon & Kee.
  • Hayward, K. J. (2010). “Pinned Down”: In: Hall, S. & Winlow, S. (Hrsg.), New Directions in Criminological Theory. London: Routledge.
  • Hayward, K. J. (2004). City Limits: Crime, Consumer Culture and the Urban Experience. London: GlassHouse Press.

Nachruf auf Mike Presdee

  • Young, J. (2009, 20. August). Obituary – Mike Presdee. The Guardian. https://www.theguardian.com/education/2009/aug/20/obituary-mike-presdee

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Kategorie: Kriminologie Tags: Ausdrucksdelikte, Cultural Criminology, Devianz, Emotion und Kriminalität, Karneval, Kriminalitätskultur, Kriminologie, Mike Presdee, Polizei und Protest, Protest, Schlüsselwerke der Kriminologie, Subkulturen, Symbolische Ordnung

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Lektionen

  • The Social Organization of Juvenile Justice (1968)
    Aaron Cicourel
  • Folk Devils and Moral Panics (1972)
    Stanley Cohen
  • Visions of Social Control (1985)
    Stanley Cohen
  • Re-thinking the Political Economy of Punishment (2006)
    Alessandro De Giorgi
  • Enforcing Order (2013)
    Didier Fassin
  • The Police Power (2005)
    Markus D. Dubber
  • The Philadelphia Negro (1899)
    W.E.B. Du Bois
  • Grundlegung der Soziologie des Rechts (1913)
    Eugen Ehrlich
  • The Culture of Control (2001)
    David Garland
  • Stigma: Über Techniken der Bewältigung beschädigter Identität (1963)
    Erving Goffman
  • Policing the Crisis: Mugging, the State and Law and Order (1978)
    Stuart Hall et al.
  • Against Prediction: Profiling, Policing, and Punishing in an Actuarial Age (2007)
    Bernard E. Harcourt
  • The Illusion of Free Markets: Punishment and the Myth of Natural Order (2011)
    Bernard E. Harcourt
  • The Felon (1970)
    John Irwin
  • The Politics of Abolition (1974)
    Thomas Mathiesen
  • The Viewer Society (1997)
    Thomas Mathiesen
  • Über die Präventivwirkung des Nichtwissens. Dunkelziffer, Norm und Strafe (1986)
    Heinrich Popitz
  • Cultural Criminology and the Carnival of Crime (2000)
    Mike Presdee
  • Class, State, and Crime (1977)
    Richard Quinney
  • The Politics of the Police (1985/2010)
    Robert Reiner
  • Punishment and Social Structure (1939)
    Georg Rusche & Otto Kirchheimer
  • Governing Through Crime (2007)
    Jonathan Simon
  • Being Mentally Ill: A Sociological Theory (1966)
    Thomas Scheff
  • White Collar Crime (1949)
    Edwin H. Sutherland
  • The New Criminology (1973)
    Taylor, Walton & Young

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