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John Irwin – The Felon (1970)

25. Mai 2025 | zuletzt aktualisiert am 25. Mai 2025 von Christian Wickert

Mit seinem Werk The Felon (1970) liefert der amerikanische Soziologe John Irwin eine der prägendsten Analysen zur Lebensrealität entlassener Straftäter. Als ehemaliger Gefängnisinsasse und späterer Soziologe verbindet Irwin persönliche Erfahrungen mit wissenschaftlicher Analyse. Sein zentrales Anliegen: die Rekonstruktion der sozialen Prozesse, durch die ehemals Inhaftierte auch nach der Haft als „Verbrecher“ stigmatisiert und gesellschaftlich marginalisiert werden.

Inhaltsverzeichnis

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  • Die Figur des „Felon“
  • Deviante Karrieren und Rückfallrisiken
  • Insiderperspektive und Forschungsethik
  • Merkzettel
    • John Irwin – The Felon
  • Kritik und Rezeption
    • Ansatz: Convict Criminology
  • Aktualität
    • Beispiel: Strukturelle Rückfälligkeit
  • Literatur
  • Weiterführende Informationen

Die Figur des „Felon“

Irwins Schlüsselbegriff ist der „Felon“ – nicht bloß ein Straftäter, sondern eine soziale Identität, die durch das Strafsystem hervorgebracht und aufrechterhalten wird. Auch nach Verbüßung der Strafe bleibt die Person als „Ex-Felon“ markiert: durch das Vorstrafenregister, durch institutionelle Barrieren (z. B. Arbeitsmarkt, Wohnungssuche) und durch gesellschaftliche Zuschreibungen. Irwin spricht von einer „secondary prisonization“, die das Leben in Freiheit strukturell bestimmt.

Statt Resozialisierung erlebt der Felon einen permanenten Ausschluss. Soziale Rollen, die im Strafvollzug geprägt wurden, setzen sich im Alltag fort. Die Rückkehr in die Gesellschaft ist erschwert, da der Felon mit einem Masterstatus (also einer dominierenden sozialen Zuschreibung, die alle anderen Merkmale überlagert) behaftet ist, der andere soziale Merkmale überlagert – ähnlich wie in Goffmans Stigma-Konzept.

Deviante Karrieren und Rückfallrisiken

Irwin zeigt, dass viele Straftäter nicht aufgrund fehlender Moral oder Disziplin rückfällig werden, sondern weil sie nach der Entlassung kaum reale Chancen auf soziale Teilhabe haben. Strukturelle Barrieren wie Jobdiskriminierung, Kontrolle durch Bewährungshelfer:innen oder Wohnungsnot verstärken den Rückgriff auf illegitime Mittel. Die Kriminalität wird zur rationalen Antwort auf eine exkludierende Gesellschaft.

Diese Einsicht macht The Felon zu einem Schlüsseltext für die Kritische Kriminologie. Irwin wechselt die Perspektive: Er fragt nicht „Warum wird jemand kriminell?“, sondern „Wie trägt das System dazu bei, dass Kriminalität aufrechterhalten wird?“.

Insiderperspektive und Forschungsethik

Besonders bemerkenswert ist Irwins Insider-Perspektive. Als ehemaliger Häftling kennt er die informellen Regeln des Gefängnisses, die Sprache, das Misstrauen gegenüber Institutionen. Diese Erfahrung prägt seine Interviews, seine Analysen und seine kritische Haltung gegenüber der Strafjustiz. Dieser Zugang wurde später unter dem Begriff Convict Criminology theoretisch fundiert und durch Forscher:innen wie Stephen Richards und Jeffrey Ian Ross weiterentwickelt (vgl. Ross & Richards 2003).

Irwin macht deutlich, dass nicht Neutralität, sondern Parteilichkeit im Sinne der Betroffenen ein zentrales Forschungsprinzip kritischer Gefängnisforschung sein kann. Diese Haltung prägt auch spätere Werke wie Prisons in Turmoil (1980) oder The Warehouse Prison (2005).

Merkzettel

John Irwin – The Felon

Symbolbild: SoziologeHauptvertreter: John Irwin (1929–2010)
Erstveröffentlichung: 1970
Land: USA
Idee/Annahme: Die Identität des „Felon“ wird durch das Strafsystem sozial konstruiert und über die Haftzeit hinaus aufrechterhalten. Sie verhindert erfolgreiche Reintegration und fördert Rückfälligkeit.
Grundlage für: Gefängnissoziologie, Kriminologie, der Kriminalität als Ausdruck sozialer Ungleichheit und Machtverhältnisse interpretiert.">Kritische Kriminologie, Devianzforschung
Verwandte Theorien: Stigma (Goffman), Labeling Approach (Becker), Prison Studies, Loïc Wacquant

Kritik und Rezeption

Irwins Ansatz wurde gelobt für seine Nähe zur Lebensrealität entlassener Straftäter und seine radikale Kritik am Strafvollzug. Kritisiert wurde, dass seine Perspektive zu sehr von persönlichen Erfahrungen geprägt sei und keine systematische Vergleichbarkeit zulasse. Dennoch gilt The Felon als Wegbereiter der modernen Gefängnissoziologie und wird bis heute rezipiert – etwa in Arbeiten zu Mass Incarceration und den gesellschaftlichen Folgen von Strafhaft.

Ansatz: Convict Criminology

Convict Criminology ist ein kritischer Forschungsansatz innerhalb der Kriminologie, der von ehemaligen Strafgefangenen entwickelt wurde, die später akademisch tätig wurden. Vertreter:innen wie John Irwin, Stephen Richards und Jeffrey Ian Ross bringen ihre eigenen Gefängniserfahrungen in die soziologische Analyse ein. Ziel ist es, das Wissen „von unten“ sichtbar zu machen und dominante, oft distanzierte Perspektiven auf das Strafsystem zu hinterfragen.

Typisch für die Convict Criminology ist:

  • eine ethnografisch orientierte Forschungsperspektive,
  • eine kritische Haltung gegenüber staatlicher Repression und Strafideologien,
  • und das Engagement für soziale Gerechtigkeit und Resozialisierung.

Dieser Ansatz versteht sich als Teil der Kritischen Kriminologie und fordert eine stärkere Berücksichtigung lebensweltlicher Erfahrungen bei der Gestaltung von Strafpolitik.

Aktualität

Die von Irwin beschriebene Stigmatisierung nach der Haft ist auch im 21. Jahrhundert ein zentrales Thema. In vielen Ländern haben Ex-Inhaftierte mit juristischen, sozialen und psychologischen Barrieren zu kämpfen. Insbesondere in den USA, wo Millionen Menschen im Strafregister stehen, prägt der Felon-Status die Lebensrealität ganzer Communities.

Beispiel: Strukturelle Rückfälligkeit

In den USA sind rund zwei Drittel der Ex-Häftlinge innerhalb von drei Jahren nach der Entlassung erneut inhaftiert. Studien zeigen, dass dies weniger auf individuelle Faktoren als auf systemische Hindernisse zurückzuführen ist: Arbeitslosigkeit, fehlende soziale Unterstützung, Diskriminierung und Überwachung (vgl. United States Department of Justice, o. J.).

Literatur

  • Becker, H. S. (1963). Outsiders. New York: Free Press.
  • Goffman, E. (1963). Stigma. Englewood Cliffs: Prentice-Hall.
  • Irwin, J. (1970). The Felon. Englewood Cliffs: Prentice-Hall.
  • Irwin, J. (1980). Prisons in Turmoil. Boston: Little, Brown.
  • Irwin, J. (2005). The Warehouse Prison. Los Angeles: Roxbury.
  • Ross, J. I. & Richards, S. C. (Hrsg.) (2003). Convict criminology. Belmont, CA: Wadsworth.
  • United States Department of Justice (o. J.). Prisoners and Prisoner Re-Entry. https://www.justice.gov/archive/fbci/progmenu_reentry.html
  • Wacquant, L. (2009). Punishing the Poor. Durham: Duke University Press.

Weiterführende Informationen

Nachruf auf John Irwin:

  • The Sentencing Project (2010, 05. Januar). John Irwin: Scholar, Activist, Convict Criminologist. https://web.archive.org/web/20110718181211/http://www.sentencingproject.org/detail/news.cfm?news_id=838&id=167

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Kategorie: Kriminologie Tags: Convict Criminology, Devianz, Gefängnissoziologie, John Irwin, Kriminologie, Kritische Kriminologie, Labeling Approach, Mass Incarceration, Prison Studies, Resozialisierung, Rückfälligkeit, Schlüsselwerke der Kriminologie, soziale Kontrolle, Stigma, Strafvollzug

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Lektionen

  • The Social Organization of Juvenile Justice (1968)
    Aaron Cicourel
  • Folk Devils and Moral Panics (1972)
    Stanley Cohen
  • Visions of Social Control (1985)
    Stanley Cohen
  • Re-thinking the Political Economy of Punishment (2006)
    Alessandro De Giorgi
  • Enforcing Order (2013)
    Didier Fassin
  • The Police Power (2005)
    Markus D. Dubber
  • The Philadelphia Negro (1899)
    W.E.B. Du Bois
  • Grundlegung der Soziologie des Rechts (1913)
    Eugen Ehrlich
  • The Culture of Control (2001)
    David Garland
  • Stigma: Über Techniken der Bewältigung beschädigter Identität (1963)
    Erving Goffman
  • Policing the Crisis: Mugging, the State and Law and Order (1978)
    Stuart Hall et al.
  • Against Prediction: Profiling, Policing, and Punishing in an Actuarial Age (2007)
    Bernard E. Harcourt
  • The Illusion of Free Markets: Punishment and the Myth of Natural Order (2011)
    Bernard E. Harcourt
  • The Felon (1970)
    John Irwin
  • The Politics of Abolition (1974)
    Thomas Mathiesen
  • The Viewer Society (1997)
    Thomas Mathiesen
  • Über die Präventivwirkung des Nichtwissens. Dunkelziffer, Norm und Strafe (1986)
    Heinrich Popitz
  • Cultural Criminology and the Carnival of Crime (2000)
    Mike Presdee
  • Class, State, and Crime (1977)
    Richard Quinney
  • The Politics of the Police (1985/2010)
    Robert Reiner
  • Punishment and Social Structure (1939)
    Georg Rusche & Otto Kirchheimer
  • Governing Through Crime (2007)
    Jonathan Simon
  • Being Mentally Ill: A Sociological Theory (1966)
    Thomas Scheff
  • White Collar Crime (1949)
    Edwin H. Sutherland
  • The New Criminology (1973)
    Taylor, Walton & Young

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