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Sie befinden sich hier: Home / Kriminologie / Schlüsselwerke der Kriminologie / Aaron Cicourel – The Social Organization of Juvenile Justice (1968)

Aaron Cicourel – The Social Organization of Juvenile Justice (1968)

24. Mai 2025 | zuletzt aktualisiert am 18. Juli 2025 von Christian Wickert

Mit seinem Werk The Social Organization of Juvenile Justice (1968) legte Aaron V. Cicourel eine bahnbrechende Studie vor, die die soziale Konstruktion von Jugendkriminalität im institutionellen Alltag offenlegt. In der Tradition der Ethnomethodologie und des symbolischen Interaktionismus zeigt Cicourel, dass Jugenddelinquenz nicht objektiv gegeben ist, sondern in institutionellen Deutungsprozessen entsteht – durch Routinen und Bewertungen von Polizei, Sozialarbeit und Justiz. Damit liefert er eine empirisch fundierte Grundlage für spätere Labeling-Ansätze in der Kriminologie.

Inhaltsverzeichnis

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  • Merkzettel
    • Aaron V. Cicourel – The Social Organization of Juvenile Justice
  • Institutionelle Konstruktion von Devianz
  • Beobachtung und Methodik
  • Relevanz für die Kriminologie
    • Begriff: Typisierung
  • Kritik und Diskussion
  • Aktualität: Institutionelle Diskriminierung und Selektionsmechanismen
    • Beispiel: Ethnische Diskriminierung in der Jugendjustiz
  • Literatur
  • Weiterführend

Merkzettel

Aaron V. Cicourel – The Social Organization of Juvenile Justice

Hauptvertreter: Aaron V. Cicourel (1928–2022)
Erstveröffentlichung: 1968
Land: USA
Idee/Annahme: Jugendkriminalität wird institutionell produziert – durch sprachliche und bürokratische Praktiken im Justizsystem.
Grundlage für: Labeling-Theorie, Ethnomethodologie, kritische Justizsoziologie
Verwandte Theorien: Labeling Approach, Goffmans Interaktionismus, Ethnomethodologie (Garfinkel)

Institutionelle Konstruktion von Devianz

Cicourel untersucht den Umgang mit jugendlichen Straftätern in zwei kalifornischen Städten und zeigt, dass die Definition dessen, was als „kriminell“ gilt, nicht objektiv, sondern sozial verhandelt ist. Entscheidende Weichenstellungen – etwa, ob ein Jugendlicher formell angeklagt oder informell verwiesen wird – hängen weniger von der Schwere des Vergehens als von institutionellen Routinen, Vorannahmen und Klassifikationen ab.

So spielen Aspekte wie sozialer Hintergrund, ethnische Zugehörigkeit, Sprachverhalten oder Auftreten eine zentrale Rolle im weiteren Verlauf des Verfahrens. Die beteiligten Akteure orientieren sich dabei an typischen Erwartungen, die Cicourel als „typisierende Schemata“ beschreibt. Diese führen zu systematischen Selektionsprozessen, die bestimmte Gruppen – insbesondere Jugendliche aus Minderheiten oder bildungsfernen Milieus – häufiger formell sanktionieren.

Beobachtung und Methodik

Cicourels Zugang ist ethnografisch und qualitativ. Er beobachtet Sitzungen, analysiert Fallakten und führt Interviews mit Entscheidungsträgern in Polizei, Sozialdiensten und Gerichten. Diese Daten zeigen, dass Abweichung nicht entdeckt, sondern hergestellt wird – im kommunikativen Zusammenspiel von Akteur:innen und Institutionen.

Ein Beispiel: Ein Jugendlicher aus der Mittelschicht, der sich höflich und einsichtig zeigt, wird eher als „fehlgeleitet“ betrachtet und informell verwarnt. Ein vergleichbarer Fall eines Jugendlichen aus einem „Problemviertel“ wird dagegen als Zeichen einer „kriminellen Laufbahn“ gewertet und formal weiterverfolgt. Entscheidend ist somit nicht das Verhalten allein, sondern dessen Interpretation im institutionellen Kontext.

Relevanz für die Kriminologie

Das Werk ist zentral für das Verständnis des Labeling Approach und stellt eine Brücke zur Kritischen Kriminologie dar. Es zeigt auf, wie Devianz durch soziale Zuschreibung entsteht und wie institutionelle Prozesse bestehende Ungleichheiten verstärken. Cicourels Analyse ist ein empirischer Gegenentwurf zu positivistischen Theorien, die Delinquenz als individuelles Defizit begreifen.

Begriff: Typisierung

Typisierung bezeichnet in der Ethnomethodologie das routinierte, schematisierende Deuten sozialer Situationen auf der Grundlage vorgeprägter Erwartungen. In Cicourels Studie führt dies zu strukturell verzerrten Entscheidungen – etwa über die Glaubwürdigkeit eines Jugendlichen oder die Ernsthaftigkeit eines Vergehens.

Kritik und Diskussion

Kritiker bemängelten an Cicourels Studie die geringe Generalisierbarkeit und warfen ihm vor, zu sehr auf Einzelfälle zu fokussieren. Auch wurde diskutiert, ob seine ethnomethodologische Perspektive ausreichend theoretisch fundiert sei. Dennoch gilt das Werk als methodisch innovativ und theoretisch anschlussfähig – insbesondere für Studien zur Dunkelfeldforschung, Etikettierung und zur sozialen Kontrolle.

Aktualität: Institutionelle Diskriminierung und Selektionsmechanismen

Auch Jahrzehnte nach seiner Veröffentlichung bleibt Cicourels Analyse hoch aktuell. Studien zur Polizeigewalt, zu Racial Profiling oder zur klassistischen Diskriminierung in Justiz und Schule greifen ähnliche Mechanismen auf: die soziale Selektivität institutioneller Praxis. Besonders im Jugendstrafrecht – einem Bereich, der stark von pädagogischen Zuschreibungen lebt – ist die Frage nach fairer, diskriminierungsfreier Behandlung weiterhin zentral.

Beispiel: Ethnische Diskriminierung in der Jugendjustiz

Empirische Studien aus Deutschland zeigen, dass Jugendliche mit Migrationshintergrund häufiger mit Polizei und Justiz in Kontakt kommen – unabhängig von der tatsächlichen Delinquenz.

Die Antidiskriminierungsstudie von Hunold et al. (2025) weist in diesem Zusammenhang auf eine sozialraumgebundene Polizeipraxis hin, bei der „als Personen mit Migrationshintergrund gelesene Menschen“ in von der Polizei als problematisch wahrgenommenen Stadtteilen systematisch häufiger kontrolliert werden. Zudem verdeutlichen ethnografische Studien, dass sich diese Praxis häufig auf rassifizierende Stereotype stützt, die institutionell verankert sind – etwa bei zivilen Polizeieinheiten im Bereich der Drogenbekämpfung. Besonders betroffen sind Schwarze Männer und muslimisch gelesene Jugendliche, die überdurchschnittlich häufig kontrolliert, geduzt und verdächtigt werden – mit entsprechenden Auswirkungen auf ihre strafrechtliche Belastung und gesellschaftliche Stigmatisierung.

Eine Untersuchung von Yasmina Philippsen (2013) ergab, dass Jugendliche mit Migrationshintergrund nicht häufiger delinquent sind als ihre Altersgenossen ohne Migrationshintergrund. Dennoch erleben sie häufiger polizeiliche Kontrollen und werden schneller als „auffällig“ eingestuft. Dies deutet auf eine institutionelle Voreingenommenheit hin, bei der äußere Merkmale wie Hautfarbe oder Name das polizeiliche Verhalten beeinflussen.

Der Nationale Diskriminierungs- und Rassismusmonitor (NaDiRa) des DeZIM-Instituts (Fuchs et al., 2025) bestätigt diese Tendenz: Über 30 % der Befragten mit türkischem oder afrikanischem Migrationshintergrund berichten von Diskriminierungserfahrungen bei Behörden und Ämtern. Besonders betroffen sind sichtbare Minderheiten und muslimische Jugendliche, die häufiger von Benachteiligungen berichten.

Der Mediendienst Integration (2025) weist darauf hin, dass polizeiliche Praktiken wie Racial Profiling in Deutschland verbreitet sind. Ethnische Minderheiten, insbesondere junge Männer mit arabischem oder türkischem Hintergrund, werden demnach häufiger kontrolliert und härter behandelt, was zu einer verstärkten Kriminalisierung führt.

Diese Befunde bestätigen Cicourels These, dass nicht die Tat selbst, sondern die institutionelle Wahrnehmung und Interpretation des Täters entscheidend für den Verlauf des Jugendstrafverfahrens sind. Die Anwendung typisierender Schemata führt zu einer systematischen Benachteiligung bestimmter Gruppen und verstärkt soziale Ungleichheiten.

Literatur

  • Cicourel, A. V. (1968). The Social Organization of Juvenile Justice. New York: Wiley.
  • Becker, H. S. (1963). Outsiders. New York: Free Press.
  • Fuchs, L.; Gahein-Sama, M.; Kim, T. A.; Mengi, A.; Podkowik, K.; Salikutluk, Z.; Thom, M.; Tran, K.; Zindel, Z. (2025). Verborgene Muster, sichtbare Folgen. Rassismus und Diskriminierung in Deutschland. NaDiRa-Monitoringbericht 2025, Berlin: Deutsches Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung.
  • Garfinkel, H. (1967). Studies in Ethnomethodology. Englewood Cliffs: Prentice-Hall.
  • Goffman, E. (1963). Stigma. Englewood Cliffs: Prentice-Hall.
  • Hunold, D.; Aden, H.; Thurn, R.; Berger, A.; Ohder, C.; Sticher, B. & Strauß, E. (2025). Polizei und Diskriminierung. Risiken, Forschungslücken, Handlungsempfehlungen. Antidiskriminierungsstelle des Bundes. https://www.antidiskriminierungsstelle.de/SharedDocs/downloads/DE/publikationen/Rechtsgutachten/polizei_studie_lang.pdf
  • Kraska, P. (2006). Criminal Justice and Criminology Research: Theory and Practice. Boston: Pearson.
  • Mediendienst Integration (2025, Januar). Racial Profiling. https://mediendienst-integration.de/desintegration/rassismus.html#c4785
  • Philippsen, Y. (2013). Encounters Between Juveniles and the Police in Germany. University of Twente. https://essay.utwente.nl/63728/1/Yasmina_Philippsen_s1076701_Final_Bachelor_Thesis.pdf

Weiterführend

Dieser Beitrag ist Teil der Reihe Schlüsselwerke der Kriminologie. Weitere Beiträge zu verwandten Themen:

  • Labeling Approach (Becker)
  • Goffman – Stigma (1963)
  • Kritische Kriminologie

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Kategorie: Kriminologie Tags: Aaron Cicourel, Devianz, Diskriminierung, Dunkelfeld, Ethnomethodologie, Interaktionismus, Jugendkriminalität, Jugendstrafrecht, Justizsoziologie, Kriminalitätsforschung, Kriminologie, Labeling Approach, Polizeipraxis, Racial Profiling, Schlüsselwerke der Kriminologie, soziale Kontrolle

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  • Being Mentally Ill: A Sociological Theory (1966)
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  • The Social Organization of Juvenile Justice (1968)
    Aaron Cicourel
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  • Class, State, and Crime (1977)
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